Alter Schwede, was ist denn mit Tomas Milian los?
Umberto Lenzis Poliziottesco „Milano odia: la polizia non può sparare" schickt den italienischen Darsteller auf eine überdrehte Tour des Wahnsinns, wenn er die Figur Giulio als gleichermaßen armseliges als auch sadistisches Schwein sich durch Mailand und Umgebung morden lässt.
Wie Milian hier chargiert, verleiht dem ansonsten recht einfallslosen Treiben eine ziemliche Wucht und folglich reißt er den Film vollkommen an sich. Angesichts von weiteren Darstellern wie Henry Silva als verbitterten Commissario oder Anita Strindberg als Geliebte des Soziopathen mag das etwas verwundern, aber das Drehbuch hat ihre Rollen sehr blass verfasst und anscheinend hatten sie wenig Lust, etwas eigenständig zu ergänzen.
Der Kommissar kommt halt immer zu spät an die Tatorte, wordurch die Handlung stellenweise fast etwas repetetiv wirkt, und schließt wegen seines polizeilichen Instinkts letztlich auf den richtigen Täter. Aber selbst die letzte Konfrontation packt einen nicht sonderlich, denn die Beziehung zwischen Jäger und Gejagtem wird nicht sauber herausgearbeitet.
Anita Strindberg verhält sich als Geliebte menschlich unverständlich und letztlich nimmt einen ihr Schicksal nicht weiter mit.
Laura Belli als Entführungsopfer hat wenigstens Ausstrahlung, muss aber außer etwas Hysterie wenig Schauspiel liefern.
Das klingt jetzt alles nicht so prall, aber wie Lenzi, Gastaldi und eben Milian die Klaviatur der Hölle bedienen, ist schon bemerkenswert. Jede Bösartigkeit wird mitgenommen: Mord an Kindern, Mord an den eigenen Ernährern, Mord an der Freundin, Mord an den Freunden, Vergewaltigung von Frau und Mann - Die Konsequenz, mit der hier vorgegangen wird, ist schon beachtlich und muss anno 1974 ein ziemlicher Schlag in den Moralplexus des Kinogängers gewesen sein. In all dem Zynismus, den man „Der Berserker" attestieren könnte, findet sich, wie in den Poliziotteschi üblich, natürlich eine politische Botschaft oder zumindest ein Kommentar. Dieser ist allerdings einer eher flachen Natur und ließe sich auf die Frage reduzieren, ob ein Monster wie Milians Giulio schlicht unkultiviert sei oder eben das Ergebnis einer krankenden Zivilisation.
Dieser Kulturpessimismus ist ein sehr zeittypisches Phänomen und spiegelt die von Links kommenden gesellschaflichen Diskurse der Zeit wider, die aber nur allzuoft in faschistischen Ideenwelten mündeten. Davon versucht sich Lenzi zu befreien, indem er seine Hauptfigur zumindest zum Teil als Produkt seiner Umstände zeigt. Dennoch bleibt die Lösung des akuten Problems wieder der Auslöschung desselben jenseits der gesetzlichen Grenzen. Jeder hat einen Charles Bronson oder Clint Eastwood in sich.
Fazit
„Der Berserker" ist ein recht harter und gemeiner Polliziottesco, der mit seinen dargestellten Verbrechen gezielt Grenzen überschreiten möchte. Dabei verlässt man sich ganz klar auf den Hauptdarsteller Tomas Milian, der hier alle Register zieht und so widerwärtig ist, dass sich alles andere nur noch in einer Umlaufbahn um ihn herumbewegen kann. Diese Vorstellung ist dann aber letztlich so beeindruckend, dass der Film trotz seiner fehlenden Sorgfalt bei der Figurendarstellung im weiteren Feld eine klare Empfehlung ist. Allein Tomas Milians unentwegt durch seinen Mund fahrende Zunge ist es wert, den Film zu schauen.