Was der niederländische Regisseur und Drehbuchautor Rolf de Heer mit der australischen Produktion „Bad Boy Bubby“ im Jahre 1993 geschaffen hat, ist schwer in einem Wort zu beschreiben. „Bad Boy Bubby“ ist Drama, Tragödie, Komödie und Road-Movie zugleich (oder hintereinander?) und dabei unheimlich mutig. Bereits in der düsteren, 20 bis 30 Minuten langen Eröffnungssequenz, wird der Zuschauer mit Tabubrüchen wie z.B. ödipalem Sex (dazu recht freizügig dargestellt) und allerlei Grausamkeiten konfrontiert. Man erfährt, dass Bubby von seiner Mutter in einer heruntergekommenen Wohnung seit 35 Jahren systematisch von der Außenwelt isoliert wird. Bubby kennt nichts anderes als seine Mutter, Küchenschaben und eine zugelaufene Katze, kann nicht richtig sprechen, hat kein Sozialverhalten gelernt. Diese Szenen strahlen Kälte und Monotonie aus und der Zuschauer wähnt sich in einem kranken, verstörenden Film, der es drauf angelegt, ihm vor den Kopf zu stoßen. Die Skurrilität der Situation sorgt mehr oder weniger unterschwellig für eine bitterböse, zynische humoristische Note. Doch wer bis hierhin wacker durchgehalten hat, wird fürstlich mit Unterhaltungskino auf hohem Niveau entlohnt: Als Bubby nach einem Doppelmord mit seinen 35 Lenze die Welt da draußen zum ersten Mal entdeckt, sie nach und nach erkundet und versucht, sich in ihr zurecht zu finden, entwickelt sich eine herzliche, anarchistische Außenseitergeschichte und man schließt Bubby, als eine Art Mischung aus Soziopath, Kaspar Hauser und Forrest Gump überragend gespielt von Nicholas Hope, ins Herz. Es kommt zu allerlei witzigen Begegnungen und Momenten, aber auch zu unschönen, bitteren Erfahrungen. Bubby lernt die Welt mit ihren Vorzügen, aber auch ihren Gefahren kennen und interpretiert sie auf seine Weise. Mit aufgeschnappten Satzfragmenten, die er sich merkt und originalgetreu wiedergeben kann, schlägt er sich durch und lernt verschiedene Menschen kennen, die ihm mal mehr, mal weniger wohlgesinnt sind. Das zu beobachten, hat sicherlich etwas Voyeuristisches an sich, durch die Identifikation mit Bubby drückt man ihm aber stets die Daumen und fiebert mit ihm mit. Der ungewöhnliche Ansatz des Films entfaltet sich zu einem bunten Strauß unterhaltsamer Quasi-Episoden, wobei auffällt, dass es die einfachen Leute bzw. die Außenseiter sind, die Bubby so nehmen, wie er ist, und sich mit ihm auseinandersetzen. Bis zu einem gewissen Punkt geht das alles sehr gut und man wird hervorragend auf hohem Niveau unterhalten – bis es das Drehbuch leider irgendwann übertreibt und die schmale Grenze vom Unwahrscheinlichen, etwas Naiven zum völlig Absurden überschreitet. Andererseits bietet das Bubby z.B. die Möglichkeit, sich musikalisch zu betätigen und indirekt seinem Film zu einem tollen, rockigen Soundtrack zu verhelfen. Gegen Ende verlässt die Botschaft des Films, behinderte Menschen zu respektieren, endgültig den Bereich des Subtilen und die humanistische Aussage liegt unmissverständlich auf dem Präsentierteller, bevor auch der Kitsch zu seinem Recht im rührseligen Abschluss kommt. Das wertet „Bad Boy Bubby“ aber viel weniger stark ab, als es jetzt womöglich klingen mag. Hätte man es geschafft, auch diese Klippen zu umschiffen, hätte man aber evtl. ein großartiges Meisterwerk kreiert, einen Helden des Undergrounds, einen Kultfilm für alle Ewigkeiten. Für viele ist er das aber sicherlich auch in dieser Form schon, und das nicht unberechtigt. „Bad Boy Bubby“ ist ein Plädoyer für das Außergewöhnliche, für Freaks, Individualisten, Gesetzesbrecher und vom Leben Gefickte, die sich trotz allem ihre Herzlichkeit bewahren – und das in Form eines Films mit Gasmasken, dicken Titten, Sex, Vergewaltigungen, Morden, Tierkadavern, Gotteslästerei und Rock’n’Roll!