Es ist kein Quentin Tarantino, kein Elmore Leonard und auch kein Guy Ritchie, was der Musikvideoclipregisseur Jonathan Glazer hier mit seinem Independentprojekt „Sexy Beast“ aufzuziehen versucht. Aber er orientiert sich deutlich an den von ihnen aufgestellten Erfolgsrezepten, so dass zumindest phasenweise gute Unterhaltung geboten wird.
Wie kaum anders erwartet, handelt Glazers Film von Gaunern. Gary „Gal“ Dove (Ray Winstone, „Ripley's Game“, „King Arthur”) ist so ein Exemplar britischer Abstammung, das sich in Südeuropa auf seinen Altenteil zurückgezogen hat, um dort seinem illegal erwirtschafteten Luxus zu frönen. Als Don Logan (Ben Kingsley, „Gandhi“, „Suspect Zero“) urplötzlich bei ihm auftaucht, um ihn für einen Coup in England zu rekrutieren, weiß Gal nicht so recht, wie er den alles andere als umgänglichen Bekannten abwimmeln soll, denn mit seiner Vergangenheit hat er längst abgeschlossen.
Zumindest was die skurrilen Charaktere angeht, hat Glazer seine Vorbilder eingehend analysiert, denn Logan ist das Musterexemplar einer extravaganten Gaunerfigur, wie sie bei Tarantino eigentlich standesgemäß zur Handlung gehören. Leider stützt sich der ganze Film darauf. Ohne Frage, Ben Kingsley ist klasse, wenn auch nicht unbedingt Oscar-würdig (eine Nominierung gab es seinerzeit dafür), aber er ist hier einfach mit diebischem Spaß over the top. Der jähzornige, leicht reizbare und sich stets provoziert fühlende Don ist ein unruhiger Pol, der unfreundlich und direkt mit möglichst wenigen Worten jedem seine Meinung ins Gesicht blafft ohne auch nur die Bedeutung des Wortes Rücksicht zu kennen. Er beleidigt, eckt an, führt sich als Gast sehr arrogant auf und flucht nach allen Regeln der Kunst – schlicht DAS Highlight des Films.
Nur leider passiert ringsherum nebenher herzlich wenig. Die wenigen Gags um den sich inzwischen leicht außer Form befindlichen und Speck ansetzenden Faulpelz Gal verpulvert Glazer gleich zu Beginn, gute Dialoge sind Mangelware, Spannung sowieso und irgendwo ist der ganze, kaum sich von der Stelle bewegende Plot von einer seltsamen Monotonie geprägt. „Sexy Beast“ wird zäh und müde erzählt. Da fehlt die Spritzigkeit und die inszenatorischen Einfälle (wenig ergiebig: Gals Dämon), um hier Kultpotential aus dem Stoff zu kitzeln.
Mit Gals späterer Rückkehr nach England und einem leider sehr unaufgeregt inszenierten, wenn auch von der Idee nicht schlechten Coup, nimmt Glazer in der zweiten Hälfte ein Tapetenwechsel vor, der sich ähnlich unergiebig zeigt. Gal gerät vor Ort, aus hier nicht näher erläuterten Gründen (weil Spoiler), in Erklärungsnöte, zieht den Coup jedoch durch, um dann nicht mit dem erwarteten Gewinn nach Hause zu ziehen. Hier finden sich zwar die seit Guy Ritchies Filmen so typischen britischen Gangstertypen ein, weiterbringen kann das „Sexy Beast“ jedoch auch nicht.
Vielleicht bin ich für diese Art von Humor nicht zugänglich, aber nach einer Fülle von gelesenen und nahezu stets doch recht positiv ausfallenden Reviews gestaltet sich „Sexy Beast“ als herbe Enttäuschung der vor allen eins fehlt: Spritzigkeit. Keine Frage, aus dem minimalistischen Plot wurde auch nur ein mit 85 Minuten kurzer Film gedreht und die darstellerischen Leistungen sind abseits des spielfreudigen Kingsley auch nahezu kritiklos, aber der Plot zieht sich so dermaßen, bringt einfach keinen wirklich mal punktgenauen Gag und muss sich aufgrund fehlender Substanz den Vorwurf der Ziellosigkeit gefallen lassen. Zulange eiert der Film schon anfangs herum, ohne mal Tacheles zu reden und ohne Umwege Logan einzuführen. Die immerhin geschickten Schnittmontagen des erzählenden Don sind später jedoch überraschend innovative Einfälle, von denen man gern mehr gesehen hätte.
Fazit:
Jonathan Glazer hat seine Vorbilder studiert, aber nicht verstanden. Wäre ja auch noch schöner, wenn jeder, der will, gleich Kult fabriziert. Ungelenkt zusammenmontierte Kapitel, nur zu Beginn wirklich komische Gags und die spätere Zähigkeit der Geschichte lassen „Sexy Beast“ ins Mittelmaß absinken. Dass dort Halt gemacht wird, hat er einzig und allein Ben Kingsley zu verdanken. Unverbrauchte Stoffe sehen definitiv anders aus.