Also eins voweg: ich war von dem Film X-Men SEHR überrascht, als ich ihn seinerzeit zum ersten Mal im Free TV gesehen hab. Welches Bild hatte ich vorher von dem Film: Eine miese Comicverfilmung, auf Jugendlich getrimmt, Mainstream, Hirnlos, sinnlose Handlung, kein Tiefgang.
Und ich wurde in jeder Beziehung eines besseren belehrt: Der Film X-Men glänzt zunächst einmal mit einer guten Geschichte. Anstatt gleich mit der Tür ins Haus zu fallen, sehen wir zunächst einmal ein polnisches KZ im Dritten Reich. Uff, und das in einem Film für Kids. Diese eindringliche, unerwartete Szene führt nicht nur den späteren Bösewicht ein (und erklärt seine Motive), sondern dient auch als Denkanstoss (dazu später).
Wieder in der Gegenwart. Auch hier sehen wir dann nicht gleich das "X-Team" als ganzes, sondern wir sehen denn beiden Außenseiter Rogue und Wolverine über die Schulter und sehen die Anfeindungen, denen sie ausgesetzt sind. Erst nach und nach werden dann die übrigen X-Men vorgestellt.
Kommen wir zur Besetzung. Hugh Jackman als den eigenbrötlerischen Wolverine zu besetzen, war ein Kunstgriff. Er dient als Identifikationsfigur für das Publikum. Patrick Steward spielt den telepathischen Professor Charles Xavier so gekonnt und ruhig, wie er auch den Jean Luc Picard spielt. Respekt. Aber ganz hin und weg war ich von Ian McKellens Darstellung des Eric Lehnsherr aka "Magneto". Ich kannte ihn bis dato nur als barttragender grauer Zauberer und war überrascht, wie cool er den menschenfeindlichen Mutanten mit der Macht über das Metall darstellte. (Überhaupt gehören die Begegnungen zwischen McKellen und Steward zu den schauspielerischen Höhepunkten des Films, hier spürt man die Erfahrung, die diese "Urgesteine" in diesen Film mit einbringen).
Die restliche Besetzung spielt ihre Rollen ganz ansehnlich, aber nicht spektakulär.
Tricktechnisch ist der Film natürlich ein Overkill. Von Anfang bis Ende kracht es, blitzt es, Metall verbiegt sich usw... Mein persönlicher Lieblingseffekt ist dabei die Szene, in der Magneto den Abgrund überwindet und dazu Metallplatten als Brücke benutzt.
Kommen wir zu einem weiteren Pluspunkt des Filmes: Seien wir doch mal ehrlich, wieviele Action-Filme kennen wir, die eine moralische Botschaft enthalten. Wieviele Jugendfilme? Also mir fallen da kaum Namen ein. Umso erfreulicher ist das klare Statement für Akzeptanz und Toleranz, das der Film vermittelt. Intensiviert wird das noch durch die am Anfang erwähnte KZ-Szene.
Und wo wir gerade von Tiefgang sprechen: Es ist absolut nicht so, dass die X-Men alle unbesiegbare Supermänner sind, und dies wird auch eindringlich thematisiert: Magneto ist ein einzelgängerischer Menschenhasser, Wolverine wird von Alpträumen verfolgt und hat keine Erinnerungen an seine Vergangenheit, jeder Einsatz seiner Stahlklingen bvereitet ihm Schmerzen. Die Teenagerin Rogue ist aufgrund ihrer "Gabe" (sie saugt Menschen bei Berührung Lebensenergie ab) nicht zu köperlichen Kontakt fähig, usw usf...
Die Mutationen sind für viele ihrer Träger eher Fluch als Gabe, und welcher sonstige Superheld kann das schon von sich behaupten. Look closer.
Also um es kurz zu machen: Ein erfrischend anderer Jugendfilm mit zumindest etwas Tiefgang, einer beeindruckenden Schauspielerriege und tollen Special Effects. Inwieweit sich der Film jedoch an die große Comicvorlage hält, kann ich nicht bewerten, da mich nur dunkel an die Zeichentrickserie aus den 90ern erinnere. Seis drum: Ein Top Movie!