Das ungeklärte Rätsel um die zugekoksten Taranteln
Barbara Bouchet wird eingangs jäh mit dem Telefon aus ihrer täglichen Busen- und Buschmassage durch die Hand eines blinden Masseurs gerissen, um dann gleich nach dem nächsten Schnitt von der Hand ihres Mannes geohrfeigt zu werden, weil der Nacktfotos von seiner (Noch-)Ehefrau und einem fremden Mann zugeschickt bekommen hat. Willkommen in der Welt des Giallos. Und in „La tarantola dal ventre nero" (1971) macht Regisseur Paolo Cavara keine Gefangenen, wenn dann gleich im Anschluss unsere geliebte Barbara als erste recht blutig über die Wupper geht. In keinem anderen Film sah Bouchet so gut aus wie hier; folglich bedauert man ihren schnellen Tod dann auch, obwohl man keinerlei Bindung zu ihrer Figur aufbauen konnte.
Das ist freilich für einen Giallo nicht weiter unüblich. Unüblich ist hingegen, dass wir alsbald den Ermittler Tellini kennenlernen und doch recht viel Zeit mit ihm verbringen. Giancarlo Giannini („Casino Royale" und „Ein Quantum Trost") verleiht dem Polizisten dann gleich noch so viel charakterliche Tiefe, dass diese sonst so geschmähte Figur hier noch mehr Raum einnimmt als beispielsweise in Tonino Valeriis „My Dear Killer" von 1972, den ich schon wegen der zentral gestellten polizeilichen Ermittlungen als Ausnahmefilm innerhalb des Subgenres gesehen habe. Und wie dort bereits George Hilton stellt Giannini seinen Inspektor als Menschen mit charakterlicher Tiefe dar, der an seinem Beruf zu verzweifeln scheint, worunter auch die Beziehung zu seiner Frau Anna (Stefania Sandrelli) leidet.
Neben diesen ungewohnt tiefen Einblicken in das Seelenleben seiner Hauptfigur haut Cavara aber in den Mordszenen ordentlich auf die Pauke, denn die Mordmethode weist die besondere Grausamkeit auf, dass die Opfer paralysiert ihrer Ausweidung zuschauen dürfen. Diese Art der Paralyse findet übrigens auch in Argentos „Vier Fliegen auf grauem Samt“ Erwähnung und scheint 1971 schwer in Mode gewesen zu sein. Der Film erklärt dann wenigstens noch die Herleitung der Mordmethode und liefert immerhin gleich noch eine Begründung für den Filmtitel. Auch die bildhübsche Barbara Bach fällt hier in einer ihrer ersten Filmrollen dem ausgefallenen modus operandi zum Opfer und so erweist sich der Film als klassischer Giallo, der neben den Schauwerten eben viel Wert auf die Entwicklung der Handlung und Figuren legt. Dies führt unweigerlich zu einigen ruhigen Szenen, die hier und da vielleicht etwas langatmig wirken können, mir aber sehr gut gefallen.
Cavara nimmt die Fäden des Drehbuchs gekonnt auf und entwickelt auch außerhalb der Mordszenen Sequenzen, die nicht nur von inszenatorischer Sorgfalt in Sachen Bild und Ton geprägt sind, sondern auch die richtige Taktung aufweisen, um das Publikum bei der Stange zu halten. Alle Zeit, die er in die Figuren investiert, zahlt sich letztlich aus, wenn der Film eben über die Figuren eine gewisse Kohärenz aufbaut und dramatische Szenen oder ruhigere Spannungssequenzen auch wirklich funktionieren. Ob es diese Drogengeschichte als roten Hering wirkliche gebraucht hätte, kann man dabei zwar bezweifeln, allerdings fällt dies angesichts der sonstigen Stringenz im Erzählfluss erfreulich wenig auf. Da verzeiht man dann auch, dass zum Ende hin die Spannungskurve nicht allzu sehr nach oben zeigt und erneut ein Psychologe uns erklären muss, warum denn überhaupt alles passiert ist, was ja immer etwas ungelenk wirkt. Das war ja schon bei „Psycho" so.
Auch die Kameraarbeit des erfahrenen Marcello Gattis überzeugt und eine Verfolgungsjagd auf einem Hochhaus ist, bis auf die stürzende Puppe, ein filmischer Höhepunkt und einer der Momente, die „Der schwarze Leib der Tarantel" vom Einheitsbrei des Giallos abheben.
Ennio Morricones Musik ist hier einmal mehr unverwechselbar und wartet mit einem eingänigigen Hauptthema und stimmungsvoller szenischer Untermalung auf. Anscheinend hat er hier im Studio eine Pitch-Funktion entdeckt und setzt diese in Spannungsszenen für Streichinstrumente ein, was ziemlich effektiv klingt.
Fazit
„La tarantola dal ventro nero" ist ein äußerst gelungener Giallo, der von einem guten Drehbuch, guter Kameraarbeit, stimmungsvoller Musik, einem guten Hauptdarsteller und einer gekonnten Regiearbeit, die auch ruhigere Sequenzen nicht scheut, profitiert. Über Strecken kommt so wirklich Spannung auf und trotz des sleazigen Anfangs ist Cavaras Absicht deutlich, nicht nur bekannte Tropen an der Schnur aufzuziehen, sondern einen in sich formal und inhaltlich geschlossenen Film abzuliefern, der dem Publikum länger und vor allem positiv im Gedächtnis bleibt. Dabei bleibt er aber dem Genre treu und so dürfen wir unter anderem noch den hübschen Barbara Bouchet und Barbara Bach beim Ausziehen und Sterben zuschauen.
So ist „Der schwarze Leib der Tarantel" trotz des Fokus' auf die polizeilichen Ermittlungen ganz Giallo und erweckt zu keiner Sekunde den Eindruck eines Poliziesco, denn dafür würde es dann auch ganz klar an Action fehlen. Im letzten Drittel geht dem Film dann etwas die Puste aus und er fährt über die Ziellinie ohne nochmal einen Gang runterzuschalten. Hier hätte es zwar gerne wieder etwas mehr sein dürfen, aber dennoch bleibt der Film eine Empfehlung für Genreinteressierte.