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Die Natur greift an! Hetzen wir ein paar untalentierte Darsteller aufeinander! Erfinden wir haufenweise dramatische Nebenhandlungen! Wackeln wir mit der Kamera rum, damit alles auch atmosphärisch ist! Supersender RTL schickt erneut einen selbstgedrehten Fernsehfilm in zwei Teilen ins Rennen, diesmal mit einem Vulkan in der Eifel, der den Handlungsort in Schutt und Asche legt. Dabei werden mal wieder die gleichen Schauspieler wie bei wohl jedem RTL-Katastrophenfilm verpflichtet, während man in der Handlung dieselben grauenvollen Fehler wie immer macht.

Da dieses monumentale Werk in zwei Teile gespalten wurde, kann man sich als Zuschauer auch schon denken, was, wie, wo passiert. In der ersten, viel zu lange wirkenden Hälfte werden gefühlte vierundsiebzig Charaktere vorgestellt, die später alle auf spektakuläre Weise die Helden in dieser undefinierbaren Grütze spielen dürfen. Dabei kommen die selben, stereotypen Hampelmänner vor. Zuerst mal die lockere Identifikationsfigur, dann der mitleiderregende, später manisch bekloppte Glatzkopf, die jugendlichen Stümper, das verwöhnte Töchterchen, die um die Menschen besorgte Wissenschaftlerin und drei, vier Leute, die offenbar nur im Film untergekommen sind, damit er auch die volle Laufzeit rum kriegt.

Vorweg sei gesagt, dass es schlechtere Schauspieler in deutschen "Event"-Movies gab (An die Misserfolge von Pro 7 möchte man da gar nicht erst denken), aber trotzdem kann man sich für keinen Menschen hier irgendwie begeistern, weil sie alle so stur ihre klischeebeladenen Personen runterspielen, dass man höchstens Abneigung empfindet, von dem Drang, auf einen anderen Sender zu schalten mal ganz abgesehen. Klischees und typische Charakterentwicklungen gibt es hier wie Sand am Meer, dafür klaut sich RTL auch bei dem ein oder anderen amerikanischen Actionfilm ein bisschen was.

Eben gerade bei der Action scheint der Film unglaublich bemüht zu sein, dem Deutschen ein Seherlebnis erster Güte zu bieten. Neben dem Vulkan gibt es da ein paar rasante Szenen mit Autos, die in verwinkelten Straßen ordentlich Blei geben. Blöd nur, dass dies in Zahlen ungefähr 0 Stimmung erzeugt. Sämtliche Actionszenen kennt man irgendwoher, dazu auch noch das unsägliche schwenken der Kamera in brenzlichen Situationen. Generell scheint der Kameramann Schüttelfrost oder sowas gehabt zu haben, denn den ganzen Film über wackelt das Bild, als würde man mit einer Heimkamera filmen.

Die Stimmung an sich könnte gut sein. Die Specialeffects sind ordentlich, nur selten sieht man, dass hier und da offenbar der Computer im Spiel war. Nur leider wird er große Vulkanausbruch, der davor so breit angepriesen wurde, hier in vielleicht zehn Minuten abgehandelt, danach sieht man nur noch graue Landschaften, brennende Häuser und ab und zu Feuerbälle, die glücklicherweise nie unsere Protagonisten treffen, obwohl die von dutzenden beschossen werden.

Wirklich schlecht sind aber die Nebenhandlungen, bei denen man sich manchmal wirklich an den Kopf fassen muss. Da werden sämtliche Möglichkeiten gemolken: Krasse Teenager liefern sich wilde Autorennen und sprechen wie frisch aus der Gosse, die Wissenschaftlerin warnt vor einer Katastrophe und wird von allen ausgelacht, ein gehänselter Polizist steckt sich traurig die Lunte in den Mund, Papa und Tochter versöhnen sich in der öden Landschaft... man könnte diese Liste ewig weiterführen, weil RTL offenbar nicht in der Lage war, kreative Nebenstorys zu entwickeln. Stattdessen nimmt man sich von jedem vorherigen Vulkan-Film aus Amiland das beste raus. Es führt gegen Ende leider so weit, dass man denkt, die eigentliche Geschichte um den Vulkan sei die Nebenstory.

Schauspielerisch wie gesagt kein totaler Ausfall, aber einiges fällt schon ziemlich ins Gewicht. Armin Rohde leistet als verrückter Bulle mit Knarre gnadenloses Overacting, während man sich bei Yvonne Catterfeld ernsthaft fragt, was die alte denn gelockt hat. Darstellerisch fast ein Komplettausfall, redet sie sich um Kopf und Verstand, ohne, dass man ihr die kluge Geologie-Stundentin irgendwie abnehmen würde. Völlig sinnfrei erscheint die Rolle von Jenny Elvers, die leider dementsprechend auch schauspielert, so überzeugend wie eine Salzstange. Richtig dufte natürlich auch die farbige Amerikanerin (oder so), die typisch kalt und seelenlos dargestellt wird, während sie nebenbei die einzige ist, die synchronisiert wurde. Das hört man. Und es tut weh.

Am Ende spielt man natürlich wieder alle Trümpfe aus, die man dem Drama abgewinnen kann. Das gipfelt leider in einem völlig schmerzhaften Schluss, wo die Hauptperson (wenn man sie so bezeichnen kann) seiner Holden sagt "Ich liebe dich!", sie in den überladenen Hubschrauber drängelt und selbst zurückbleibt, damit er den Helden spielen kann. Ja, das ist hohe Kunst der Dramaturgie. Da fragt man sich doch, ob der Regisseur bei Michael Bay abgeguckt hat. Viel fehlt jedenfalls nicht.

Mit der Logik scheint man es auch nicht so unbedingt zu haben. Da tummeln sich schwarze, vom Vulkan ausgelöste Wolken am Himmel, die man selbst von Frankfurt aus sehen soll, dabei ist der Himmel in ziemlich vielen Einstellungen meist blau, die Sonne sieht man sogar auch manchmal. Interessant auch, dass eine Straße zum Katastrophengebiet abgespeert ist, aber keiner der Sicherheitsleute zu merken scheint, dass man auf einer Landstraße nicht weit ungestört weiter fahren kann. Das mit dem rettenden Hubschrauber lassen wir mal auch weg, das ein Motor in so einem Gebiet nicht funktionieren kann weiß wohl jeder. Ach ja, nochmal zum Ende, wo der smarte Schönling seine Liebsten fliegen lässt, während er im tobenden Gebiet bleibt. Da tut man geradezu, als wäre es vom Katastrophengebiet bis zum Rettungslager hundert Kilometer weit entfernt, schön auch, wenn der Pilot brüllt "Der Hubschrauber ist nicht für so viele Leute ausgelegt!". Dramatik hoch Zwölf.

Was bleibt also zu sagen über den neusten Streich der RTL-Fernsehgemeinde? Im Prinzip ist "Vulkan" (Allein der Titel...) nichts weiter als austauschbare Massenware. Es hätte ebenso mal wieder die Sintflut sein können, ein Erdbeben, meinetwegen auch ein Angriff von Aliens. Das Grundgerüst bleibt immer gleich, die Charaktere trotz aller Versuche, ihnen Tiefe zu geben, seelenlos und die Nebenhandlungen immer noch viel zu präsent. Dass es Deutschland nach so tollen Filmen wie "Der Untergang" nötig hat, Fernsehfilme so spektakulär zu gestalten wie es die Amis tun, zeugt einmal mehr davon, dass den Drehbuchleuten die Ideen ausgehen. Schade, es hätte was werden können.

Fazit

Die wirklich guten Effekte überschatten die Unfähigkeit mancher Darsteller und die eigentliche Handlung, bei der nichts rüberkommen will. Überladene Nebenstorys und die dicken, kitschigen und dramatischen Wendepunkte können auf Dauer nicht überzeugen. Deutsches Fernsehen ohne Ideen.

3/10

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