„Men behind the sun“. Ein Filmtitel, dem sein Ruf weit voraus eilt. Denn angeblich handelt es sich hierbei um einen der härtesten CAT-III Sickos, die je entstanden sind. CAT-III, das entspricht einer Freigabe „Ab 18“ im Lande China. Doch im Gegensatz zur deutschen Freigabepraxis sind hier wirklich nur die härtesten der Harten gemeint. Titel wie „Ebola Syndrome“ oder „The Untold Story“ lassen jeden Freund grenzüberschreitender Unterhaltung aufhorchen. Und wenn das Ganze dann noch auf einer wahren Begebenheit basiert … .
Schon seit den 20er Jahren des 20. Jahrhunderts interessierte sich die japanische Regierung für die Erforschung und Entwicklung biologischer Waffen. Als die japanischen Truppen 1931 den Nordosten Chinas einnahmen, bot sich endlich die Möglichkeit die unterdrückte Bevölkerung der eroberten Gebiete für geheime Versuche zu missbrauchen. Unter der Leitung des Mikrobiologen Ishii Shiroo wurde die sogenannte „Einheit 731“ aufgebaut. Offiziell zur Wasserversorgung und Epidemieprävention[1], war diese Truppe genau für das Gegenteil, nämlich die Infizierung Kriegsgefangener mit Milzbrand, Typhus, Pocken und Pest eingeteilt worden. Ähnlich anderer „Konzentrationslager“ der Japaner wurden zudem Experimente mit hohen Temperatur- und Druckunterschieden durchgeführt. Wie uns die Geschichtsbücher lehren, verloren die Japaner zusammen mit uns Deutschen und den restlichen faschistoiden Helferländern den 2. Weltkrieg und zur Vermeidung strafrechtlicher Verfolgung wurden sämtliche Beweise vernichtet, die Todeslager so gut wie möglich zerstört und alle Häftlinge ausnahmslos liquidiert. Erst in den 60er Jahren stieß die Rote Armee bei Nachforschungen auf Hinweise auf die unfassbaren Gräueltaten[2]. Während einige wenige Soldaten niederen Ranges von den Russen gefangen und verhört werden konnten, sich auch geständig und reuig zeigten, ging ausgerechnet die Führungsriege der Lager straffrei aus. Nicht ganz unschuldig daran waren die Amerikaner, die an den Ergebnissen der Versuchsreihen interessiert zeigten. So kam es, dass die japanischen Geschichtsbücher die grausamen Ereignisse verdrängten, Lagerleiter Ishoo sogar die erste kommerzielle Blutbank Japans gründete, während Menschenrechtsaktivisten mit Hilfe der geständigen japanischen Soldaten bis 1997 (!) kämpfen mussten um eine Anerkennung der Verbrechen seitens Japan zu erreichen. Ishoo brachte es immerhin noch ein letztes Mal zu zweifelhaftem Ruhm, als er mit HIV infiziertes Blut an Bluter verteilte[3].
Ich denke diese etwas ausgiebige Einleitung ist wichtig um zwei Dinge deutlich zu machen. Erstens: „Men behind the sun“ ist im Gegensatz zu den meisten Brutalofilmen die das Siegel „Nach einer wahren Begebenheit“ für sich beanspruchen tatsächlich nah an der Realität verankert. Zweitens: Es handelt sich um einen Film, der Gewalt (bis auf zwei Ausnahmen) mitnichten selbstzweckhaft einsetzt. Vielmehr ist es der laute, hässliche Aufschrei für Gerechtigkeit. Das mag nun etwas pathetisch klingen, sollte jedoch eben immer vor dem Hintergrund betrachtet werden, dass Japan sich eben bis in die jüngste Zeit weigerte die schrecklichen Taten zuzugeben, nein, teilweise die Verbrecher sogar als Helden ehrte.
Nehmen wir zum direkten Vergleich den thematisch ähnlich gelagerten Film „Schindlers Liste“. Dieser schaffte es in den 90ern erstmals wirklich realistisch das Leid der polnischen Juden zuerst im Ghetto und später im Vernichtungslager aufzuzeigen. Die Gewalt war bestürzend, die mechanische Arbeit der deutschen Mörder beschämend, der Vorgang des gedrillten Tötens, der Entmenschlichung der Opfer teilweise unerträglich. Und dennoch wusste man jederzeit, dass das, was einem da vorgesetzt wurde, geschönt war. Dass dies noch nicht die wirklichen grausamen Bilder waren, die sich einem damals geboten hätten, wäre man bei der Räumung des Krakauer Ghettos zugegen gewesen, hätte man die exhumierten Leichen wirklich gesehen.
Was sich eine Hollywoodproduktion niemals trauen könnte, hat nun Regisseur T. F. Mous gewagt. Das Grauen wahrhaftig und ungeschönt zu zeigen. Und ja, dieses Unterfangen gelingt ihm. Die Qualen der Insassen werden in aller Ausführlichkeit und mit sehr überzeugenden Effekten vorgeführt und dennoch wirkt „Mbts“ (bis auf die schon oben angeführten zwei Ausnahmen) nie wirklich exploitativ. Stattdessen setzt die Inszenierung auf Behutsamkeit und Seriösität. So dreht sich der Kern der Geschichte um ein jugendliches japanisches Nachwuchskommando, das gegen Ende des Krieges langsam aber sicher entmenschlicht werden soll und im Zuge dessen die gesamte Perversität der „Einheit 731“ mitbekommt. Recht beeindruckend hierbei ist, dass den jungen Japanern (im Gegensatz zu Führungselite und den Soldaten des Lagers) tatsächlich humane Momente zugestanden werden. Man sollte schließlich immer im Hinterkopf behalten, dass es sich um einen Film handelt der ja in einem totalitären Staat entstanden ist, der sich sonst ja auch für keine Art der Propaganda zu schade ist. Besonders ist hier der Handlungsfaden hervorzuheben, in dem sich der junge Trupp mit einem stummen Chinesenkind anfreunden, der in einer der berüchtigtsten Szenen des Filmes wie ein gutgläubiges Vieh zur Schlachtbank getrieben wird. Aus Trauer und Wut um dessen Tod, rächen sich die jungen Soldaten an ihrem Vorgesetzten, indem sie ihn in einen Hinterhalt locken und schwer verprügeln. Diese Szene hat, wenn man das gespannte japanisch-chinesische Verhältnis bedenkt, schon fast historische Bedeutung. Dieser leisen, teilweise dokumentarisch anmutenden Inszenierung stehen, wie schon erwähnt, die sehr, sehr harten Splattereffekte entgegen. Diese sind extrem gut gemacht und wirken bis auf kleine Ausnahmen immer realistisch und schockierend. Von einem gewaltverherrlichenden Charakter kann zu keinen Zeitpunkt gesprochen werden, ganz im Gegenteil, wird die Absicht des Regisseurs, nämlich die grausame Wirklichkeit zu zeigen, nie verfehlt.
Und auch wenn ich es mutig und wichtig finde, dass zumindest ein einziger Film auf der Welt die Schrecken von Versuchen an Menschen so real wie möglich abbildet, ohne sich in den Morast solch gewaltgeiler Scheißfilme wie „Gesichter des Todes“ zu begeben, sind es doch genau diese Szenen die mit daran Schuld sind, dass ich dem Film eine höhere Bewertung verweigere. Denn auch wenn ich weiter oben erwähnt habe dass ich ihn nicht als exploitativ empfand, es wäre auch möglich gewesen realistisch zu bleiben ohne diese Szenen minutenlang auszuwalzen. Das wirkt auf Dauer weniger schockierend als ermüdend. Zudem ist der Plot eher vernachlässigenswert und bietet weder Identifikationsmöglichkeiten (sowohl mit Opfer noch Täter) noch einen wirklichen Handlungsfaden. Auch das wirkt sehr einschläfernd auf Dauer. Gerade, dass nicht einmal den Opfer etwas mehr Profil gegönnt wurde macht das Ganze, ehrlich gesagt, sogar stinklangweilig. Dann noch der kontrovers diskutierte Tiersnuff: Bei mindestens einer Szene handelt es sich definitiv um die Ermordung von Lebewesen und auch wenn ich Ratten nur bedingt schätze – das muss nicht sein. Last but not least bleibt trotz der ausgewogenen Darstellung beider Seiten noch ein fader Beigeschmack bezüglich des Wahrheitsgehalts. Sämtliche Informationen, die dem Film zugrunde liegen, beruhen auf Aussagen japanischer Soldaten vor dem russischen Kriegsgericht. Ich gehe fest davon aus, dass die Gräuel so geschehen sind, dass es die Zahl der Opfer gab ist ziemlich sicher und unter den Folgen der versteckten B-Waffen des Lagers hat die umliegende Bevölkerung noch heute zu leiden. Dennoch werde ich diesen schalen Beigeschmack nicht los, der darauf beruht, dass es nun mal keinen wirklichen Beweis gibt, da ja alles vernichtet oder im schlimmsten Fall den Amerikanern übergeben wurde. Wäre der Film in Japan inszeniert worden, sozusagen als Traumabewältigung oder späte Entschuldigung – dieses Gefühl wäre weit weniger präsent. Doch auch wenn dieser letzte Punkt getilgt wäre, verblieben doch die beiden Erstgenannten. Und diese ziehen den Film trotz seiner sicherlich hehren Absichten, seines überraschend unaufgeregten Inszenierungsstils und seiner guten Produktionswerte auf einen der mittleren Plätze.
Ganz bestimmt nicht der erwartete „schlimmste Film aller Zeiten“, sondern ein gut gemachter, beinahe dokumentarisch anmutender Film, der nur leider viel zu langweilig daher kommt um mehr Emotionen als Abscheu gegenüber der gezeigten Gewalt zu vermitteln. Schade drum.