Review

Knallhartes Sicko-Programm erwartet einen beim Anschauen dieses schweineüblen Hongkong-Schockers aus den Endachtzigern. T.F. Mous berichtet in semidokumentarischem Gewand über die sogenannte „Unit 731“, die in einem japanischen Konzentrationslager in Ostchina Versuche an Kriegsgefangenen tätigte. Dabei fängt der Spielfilm noch vergleichsweise still an und schildert die Ereignisse aus der Sicht jugendlicher Rekruten, die in das Lager kommen, um als Nachwuchs für das japanische Kaiserreich gleich das volle Programm der Unmenschlichkeit erfahren sollen. Ähnlich geht es dem Zuschauer dann auch, als die ersten Brutalo-Bilder über die Leinwand flimmern – keiner kann mir nach Anschauen dieses Streifens sagen, dass er ihn kalt gelassen hat. Gänzlich ohne musikalische Begleitung knallt einem die Kamera Szenarien um die Ohren, die selbst Ruggero Deodatos „Cannibal Holocaust“ noch alt aussehen lassen. Allerdings nicht in der Aufmachung eines Horror- oder Splatterfilmes (und ich kann auch beleibe nicht verstehen, warum „Men behind the Sun“ mit Filmen wie „Braindead“ oder „Premutos“ verglichen wird, ist totaler Unsinn), sondern als komplett nacktes Reality-Portrait von unglaublicher Intensität. Geschickt versteht es der Regisseur, das Publikum extrem schmerzlich zu treffen, indem er dafür teilweise die Einzelschicksale im Vorfeld zu präsentieren weiß, bevor er sie auf dem Seziertisch oder in der Hochdruckkammer verschwinden lässt.
Die wirklich harten Szenen sind womöglich nicht besonders zahlreich, doch zeitlich so aufgebaut, dass die den Zuschauer schnell greifen, um ihm dann keine Ruhe mehr zu lassen, bis schließlich zum Abspann hin wieder ruhige Töne angeschlagen werden. Ohne die kranken Sicko-Szenen wäre allein schon ein berührendes, subtiles Glanzwerk zurückgeblieben, was jeden Hollywood-Beitrag zum Thema WW II locker in seine Schranken verweist, doch in voller Länge handelt es sich meiner Meinung nach um das extremste, was je auf Leinwand gebannt wurde: eine Mutter wird mitsamt ihrer Tochter vergast, ein kleiner Junge landet lebendig auf dem Seziertisch, ein Mann wird in einer Hochdruckkammer zerdrückt, ein Säugling wird seiner Mutter entrissen und vor deren Augen in den Schnee geworfen und verbuddelt und so weiter – Freunde, das eine sage ich euch: selbst wenn oben genannter „Cannibal Holocaust“ noch an euch vorbei gestreift ist und ihr der Meinung seid, daß ihr euch jetzt noch ganz easy diesen Film hinterher schieben könnt, solltet ihr wissen, das „Men behind the Sun“ mit seinem nüchternen, nicht festgelegten Stil absolut_alles in den Schatten stellt – heute noch. Dabei möchte ich eigentlich gar nicht vergleichen, da jeder Vergleich mit irgendwas anderem de facto unangebracht ist, denn Genrebrüder aus aller Herren Lande wirken hiergegen wie Kinderprogramm. Für mich hat die Szene, in der eine echte, lebendige Katze in ein Meer von Ratten geworfen wird, um minutenlang mit dem Tod zu kämpfen, dann aber doch etwas zu weit geführt, da sie – im Vergleich zum Rest – schlichtweg unnötig war und vollkommen aus dem Zusammenhang losgelöst daherkommt.

Qualitätiv ist dieser Schocker insgesamt jedoch hoch anzusiedeln. Die chinesischen Darsteller überzeugen und heben sich weit vom B-Durchschnitt ab, die Inszenierung ist absolut packend und einen Sinn für Dramatik entwickelt er ebenfalls. Definitiv einer der besten Antikriegsfilme, die es gibt und mit Sicherheit die Nummer 1 in puncto Härtegrad. Definitiv – und das brauche ich wohl nicht mehr zu erwähnen - nur Leuten zu empfehlen, die wirklich Nerven aus Stahl haben und zudem kein Problem damit, Dinge zu sehen, deren Anblick allein schon genügt hat, den Herzschlag anderer zu beenden.

Auch wenn es jetzt wahrscheinlich indirekt danach geklungen hat, möchte ich für "Men behind the Sun" gewiß keine Reklame als solche machen.

Details