Gute Gruselfilme sind leider Mangelware. Wenn man in dem Bereich dann auch noch „belesen“ ist, ist es wirklich schwer sich zu gruseln. Die Effekte ähneln sich mit der Zeit, Schreckmomente verflachen, weil man sie schon kennt. Weil man weiß „Aha, ein Spiegel, da wird gleich das tote Mädchen zu sehen sein.“. Weil man weiß, dass er/sie/es noch einmal aufstehen wird. Also graste ich gelangweilt die ofdb ab und entdeckte „Schatten der Wahrheit“ von Robert Zemeckis. Von dem halte ich durch seine „Zurück in die Zukunft“-Reihe sowie „Forrest Gump“ sehr viel. Als die Dreharbeiten zu „Cast away“ 1999 für ein Jahr unterbrochen werden mussten, damit Tom Hanks sich einen Bart wachsen lassen und 25 Kilo abspecken kann, drehte Zemeckis diesen Film. Michelle Pfeiffer konnte mich schauspielerisch nie vom Hocker reißen und Harrison Ford hat seine besten Tage hinter sich. Diesbezüglich hielt sich meine Euphorie also in Grenzen. Doch die Bewertungen waren vielversprechend und dass der Film weltweit bei einem Budget von 90 Millionen 300 Millionen Dollar eingenommen hat las sich ebenfalls nicht übel.
Zu Anfang des Films wurde ich wieder skeptisch. Wir sehen das glückliche Ehepaar Claire (Michelle Pfeiffer) und Norman (Harrison Ford) Spencer. Er ein erfolgreicher Chemiedoktor, sie eine vorzeigbare Hausfrau. Bald bahnt sich ein Nachbarschaftsdrama an, weil das nebenan neu eingezogene Ehepaar scheinbar sehr emotional streitet und Claire die Frau eines Tages wild heulend vorfindet. Kam einem alles äußerst bekannt vor. Plötzlich fängt Claire an, Geister zu hören und zu sehen. Scheinbar spukt es in ihrem schönen Häuschen am See. In vielen Momenten wurde ich an „The Ring“ erinnert. Sowohl die düstere, ruhige Atmosphäre als einige Bilder gleichen sich sehr stark. Jedenfalls ist für Claire klar, was vor sich geht: Der Nachbar hat sein Weib ermordet und dieses sinnt nun nach Hilfe. Skeptisch wurde ich deshalb, weil diese Story doch recht wenig innovativ schien. Doch der Film wendet sich und geht schließlich in eine völlig andere Richtung. Claire ist einem widerlichen Geheimnis auf der Spur, das ihr Leben zerstören könnte.
Tatsächlich hat es nach „The Ring“ endlich wieder ein Film geschafft, mir hin und wieder Gänsehaut zu bereiten. Die Schreckmomente sind bei diesem Psycho-Horrorthriller zwar nicht unbedingt innovativ inszeniert oder besonders überraschend. Doch es wird über 2 Stunden hinweg von Anfang an eine wirklich düstere Stimmung aufgebaut. Musik wird nur sehr spärlich eingesetzt, die Bedrohung ist allgegenwärtig. So wirken die eingesetzten Schreckmomente sehr viel effektiver. Fast 2 Stunden ist der Zuschauer von Claires Story ergriffen und zittert mit ihr. Die Spannung baut sich gemächlich auf, bis sie einen langgezogenen Höhepunkt findet. Zemeckis hat sich bewusst Zeit gelassen beim Erzählen seiner Geschichte und das ist gut so. Man kann sich geduldig mit den Charakteren identifizieren und leidet dadurch viel stärker mit. Ein seltenes Gut in diesem Genre.
Die schauspielerischen Leistungen werden weitgehend positiv gesehen, was ich in dieser Form nicht unterstützen will. Harrison Ford verkörpert den Ehemann zu Anfang sehr authentisch. SPOILER ANFANG Als er jedoch gegen Ende den Bösewicht mimen muss, versagt er meiner Meinung nach komplett. Er kann in keinem Moment plausibel erklären, wieso er seine einst so geliebte Frau plötzlich kaltblütig und qualvoll umbringen will. Zugegeben: Das ist nur sehr schwer nachzuvollziehen und daher keine dankbare Aufgabe für einen Schauspieler. Trotzdem wirken Fords Gesichtszüge am Ende sehr aufgesetzt, besonders, als er seine Frau in die Badewanne legt und sie noch ein paar Minuten zusülzt. SPOILER ENDE
Michelle Pfeiffer kann ich leider nichts abgewinnen. Mein Eindruck von ihr war auch in diesem Film eher mittelmäßig, allerdings spreche ich mir da eine gewisse Voreingenommenheit nicht ab. Da das Ehepaar die einzigen Hauptakteure sind, hätte der Film schauspielerisch mehr hergeben können, obwohl die beiden Zemeckis erste Wahl waren.
Das Finale ist sehr stark in die Länge gestreckt und mir ist noch immer nicht bewusst, ob ich das nun begrüße oder ablehne. Ich kann mich an Momente erinnern, in denen mir ein „Was kommt denn jetzt bitte noch?“ durch den Kopf ging, was ja ein negatives Zeichen ist. Auf der anderen Seite flachte die Spannung partout nicht ab und das endgültige Ende, das ich natürlich nicht spoilere, ist wirklich fabelhaft inszeniert.
Fazit: Ein erfrischendes Horrorwerk von Robert Zemeckis, das mit 2 Stunden Spannung glänzen kann. Eine düstere Atmosphäre wird - unterbrochen von zahlreichen Schreckeffekten - aufgebaut und aufrecht erhalten. Ein vermutliches Nachbarschaftsdrama entwickelt sich schließlich zum übernatürlichen Horrorthriller. Einzig die Schauspieler konnten mich nicht überzeugen und eine Bewertung des stark in die Länge gezogenen Endes traue ich mir nicht zu. Ich denke 8 Punkte sind fair. Euer
Don