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Larry Gopnik (Michael Stuhlbarg) will ein ernstzunehmender Mann sein und er tut alles, was aus seiner Sicht dafür notwendig ist. Er ist mit Judith (Sari Lennick) verheiratet, hat zwei Kinder, Sarah (Jessica McManus) und Danny (Aaron Wolff), die er auf eine ordentliche Schule schickt, ist ein gutes Mitglied der jüdischen Gemeinde, wohnt in einem Einfamilienhaus in einer gepflegten Vorort - Siedlung und arbeitet als Physik - Professor, in Erwartung einer baldigen Festanstellung. Er geht zur ärztlichen Vorsorge, freut sich auf die Bar Mitzwa seines Sohnes, die kurz bevor steht, und versucht in allen Belangen korrekt zu sein, weshalb er seinen etwas seltsamen Onkel Arthur (Richard Kind) bei sich wohnen lässt und das Ansinnen eines südkoreanischen Studenten, ihm eine bessere Note zu geben, selbstverständlich zurückweist, inclusive des Bestechungsgeldes, welches dieser in seinem Schreibtisch deponiert hatte.

Was machen die Coen - Brüder mit einem solchen Typen, der keineswegs unsympathisch und ernsthaft um Konsens bemüht ist, aber vielleicht ein wenig unflexibel reagiert, beim Bemühen die gerade Linie in seinem Leben zu erhalten ?

Zuerst erzählen sie einen jiddischen Witz, den sie der eigentlichen Handlung vorausschicken. Es ist kein wirklich lustiger Witz, aber gleichzeitig so absurd komisch, das am Ende sogar der alte Rabbi darüber lachen muss, obwohl ein Eispickel in seiner Brust steckt. Was anderes machen die Coen - Brüder mit Larry Gopnik letztlich auch nicht - sinngemäß nehmen sie einen Eispickel, pieksen ein bisschen an ihm herum, bis sie ihn richtig tief hineinstossen. Das Weib in der Vorgeschichte nahm an, dass der Rabbi schon drei Jahre tot wäre, und ist das Larry nicht irgendwie auch schon ?

Zumindest scheint das Leben komplett an ihm vorbeizulaufen, denn als ihm seine Frau offeriert, dass sie sich scheiden lassen will, und vorhat Sy Ableman (Fred Melamed) zu ehelichen, fällt er aus allen Wolken. Von der restlichen Familie reagiert Niemand überrascht. Auch Sy Ableman steht bald mit einer Flasche Rotwein vor der Tür, um mit ihm auf seine "erwachsene" Reaktion anzustossen, und die Kinder vermissen ihn auch dann nicht, als er in ein nahegelegenes Hotel ziehen muss. Zudem ist seine Festanstellung gefährdet, da Jemand anonyme Briefe an die Universitätsleitung schreibt, in denen er moralisch diskreditiert wird.

Angesichts der Tatsache, dass seine Frau ein Verhältnis hat, sein Sohn Gras raucht und Rockmusik im Unterricht hört, seine Tochter nur noch ans Ausgehen denkt, sein Onkel mit System um Geld spielt, sein Nachbar ein Rassist ist und auch alle sonstigen Beteiligten nur an den eigenen Vorteil denken, stellt sich die Frage, warum die Coens ausgerechnet Larry als Opfer auserkoren, der nicht einmal in der Lage ist, das eindeutige Angebot der sexy Nachbarin (Amy Landecker) anzunehmen ?

Larry ist der Prototyp eines Spiessers, der nur mit vor Staunen weit aufgerissenem Mund darauf reagieren kann, dass ausgerechnet ihm dieses Unglück geschieht, obwohl er doch Derjenige ist, der sich immer korrekt verhält und der alle Erwartungen erfüllt. Doch statt von den Anderen ernst genommen zu werden, nutzen sie ihn nur aus. Solche Typen nahmen die Coens schon immer mit Freude auseinander, aber ein weiterer Aspekt ist mindestens ebenso von Bedeutung, denn die Handlung spielt nicht zufällig im Jahr 1967.

Ganz konkret weist diese Jahreszahl auf die eigene Vergangenheit der Coen - Brüder hin, die selbst in einer solchen Siedlung, innerhalb der jüdischen Gemeinde, aufwuchsen. Die Figur des Larry ist zwar erfunden, aber das gesamte Panoptikum geht direkt auf eigene Erfahrungen zurück. Letztlich erzählen die Coens deshalb mit dem eigentlichen Film einen weiteren, nur viel längeren jiddischen Witz - respektlos, schwarz und demaskierend, aber auch urkomisch und voller Lust an dieser Zeit der Veränderung, begleitet von Jimi Hendrix, Jefferson Airplane und jüdischem Gesang.

Und wenn der Eispickel richtig tief drin steckt, dann ist Schluss (8/10).

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