Der berühmte „Lubitsch-Touch“ – kann er uns heute noch berühren?
Ernst Lubitsch drehte „Ninotschka“ Ende der 30er Jahre kurz vor Beginn des 2.Weltkrieges. Seine Geschichte verlegte er ein wenig zurück in eine Zeit „als Sirene noch nicht Alarm bedeutete, sondern eine Brunette...“ wie uns die ersten eingeblendeten Worte sagen sollen – wahrscheinlich hatte das Zeitgeschehen Lubitsch während der Drehphase überholt.
Denn ansonsten sind alle tagesaktuellen Ingredenzien enthalten, die letztlich in die Katastrophe führten.
Natürlich handelt es sich um einen Schwarz-Weiß Film und die Schauspieler sind entsprechend ihrer Zeit angezogen. Auch seine Sprache ist – besonders wenn es um das Werben um eine Frau geht – von einer starken Intensität, die wir heute im Zeitalter der „Coolness“ nicht mehr recht gewohnt sind.
Besonders interssant aus damaliger Sicht war, daß Greta Garbo die Hauptrolle spielte, die damals als schönste Frau der Welt angesehen wurde. Den Menschen ging es damals um das Gesicht, nicht so sehr um die Figur....
Aber ist der Film deshalb altmodisch oder gar uninteressant ?
Gerade wenn man sich heute die ständigen Diskussionen über „Political Correctness“, über das was man sagen darf (z.B. die selbstauferlegte Zurückhaltung nach dem 11.September) oder gerade erst die „Mohammed-Karikaturen“-Aufregung ansieht, dann ist der Mut den Lubitsch und seine Drehbuchschreiber damals aufbrachten (darunter auch Billy Wilder) bewundernswert.
Es gibt eine Szene als die drei bolschewikischen Freunde, immerhin Abgesandte Moskaus, einen höheren Beauftragten in Paris erwarten, der sie kontrollieren soll. Da die 3 sich sehr vom französischen „Savoir vivre“ haben anstecken lassen, haben sie entsprechend Angst vor dem strengen Begutachter und sie überlegen bei den aus dem Zug aussteigenden Reisenden, wer denn Derjenige sein könnte.
Gerade als sie glauben, den mit einem markanten Leninbärtchen versehenen Richtigen entdeckt zu haben und ihn begrüßen wollen, sehen sie diesen auf eine Frau zugehen, die er mit dem Hitlergruß begrüßt (und danach landsmannschaftlich umarmt). Selbst heute läuft mir da noch ein Schauer über den Rücken, aber damals war das eine gefährliche Realität. Und Lubitsch rückt damit den Nationalsozialismus in eine Nähe zum Kommunismus zu einem Zeitpunkt als er noch gar nichts von deren Verträgen wissen konnte...
Die tatsächliche Beauftragte ist natürlich Ninotschka, eine sehr streng den kommunistischen Idealen verschriebene Genossin, die ihr Begrüßungskomitee sehr argwöhnisch betrachtet.
Als diese sie fragen, wie es denn so läuft in Moskau, antwortet Ninotschka „sehr gut, es hat gerade wieder erfolgreiche Massenhinrichtungen gegeben – es gibt jetzt zwar weniger, aber dafür bessere Sowjetbürger !“
Aus der heutigen Sicht mit dem riesigen zeitlichen Abstand, kann man über diese makabren Witze wahrscheinlich lachen, aber wie das damals herüberkam kann ich mir kaum vorstellen. Besonders weil das damals noch ofiziell geleugnet wurde.
Und trotzdem handelt es sich um eine klassische Komödie, die von Anfang an Spaß macht.
Lubitsch gelingt dabei eine hervorragende Charakterzeichnung, die keine Person im Stich läßt.
Da ist zum einen Leon, der französische Graf, Liebhaber der russischen Großfürstin Varna, der vor allem daran interessiert ist ,möglichst luxuriös ohne Arbeit durchs Leben zu kommen.
Ausgerechnet er verliebt sich in Ninotschka, die angesichts der anhaltenden Charme-Attacke Leon’s und der sonstigen kapitalistischen Vedrführungen schnell weich wird, aber nicht ihre Grundsätze vergißt.
Auch Leon verändert sich und beginnt erstmals Verantwortung zu übernehmen.
Die Großfürstin Varna ist der Gegenentwurf zu Ninotschka, durchaus ein witziger symphatischer Typ, aber doch uneinsichtig bezüglich ihrer früheren Rolle im zaristischen Rußland und nur an einem dekadenten Leben interessiert.
Lubitsch gelingt eine geniale Mischung aus einer erfrischenden witzigen Komödie, einer romantischen Liebesgeschichte und der knallharten Realität, die auch nur im Zusammenhang mit den anderen Teilen erträglich wird.
Dieser „Lubitsch-Touch“ ist einfach unnachahmlich (10/10).