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C. D. Paynes Briefroman „Youth in Revolt“ von 1993 entwickelte sich zum Kultbuch, das es auf mehrere Sequels brachte. Eine Verfilmung war lange Zeit angedacht, doch erst 2009 erblickte das Ergebnis das Licht der Leinwand, allerdings mit mäßigem kommerziellem Erfolg.
Nick Twisp (Michael Cera) ist ein Außenseiter, dessen schief beäugte Teenievorlieben ein wenig aus dem Handbuch des verschrobenen Indiefilms stammen: Er mag französisches Arthouse-Kino, klassische Literatur und alte Sinatra-Songs, am liebsten von der Schallplatte. Damit ist er dem berühmt-berüchtigten „ersten Mal“ der Teenie-Komödie noch ferner als jeder „American Pie“-Protagonist. Daheim sieht es auch nicht rosig aus: Seine geschiedene Mutter Estelle (Jean Smart) lebt mehr oder weniger von den Alimenten, die Vater George (Steve Buscemi) zahlt, während sie sich einen nichtsnutzigen Freund nach dem anderen anlacht. Darunter sind Versager wie Jerry (Zach Galifianakis), der ein paar Seeleuten ein schrottiges Auto andreht.
Als die Matrosen Vergeltung suchen oder zumindest ihr Geld zurückhaben wollen, verduften Estelle und Jerry lieber mit Nick im Gepäck in einen Trailerpark in Clearlake. Dort trifft Nick auf Sheeni Saunders (Portia Doubleday), die seine Vorlieben teilt und bei ihren streng religiösen Eltern wohnt. Sheeni hat angeblich einen Freund namens Trent Preston, bemerkt jedoch Nicks Avancen und ist nicht komplett abgeneigt. Allerdings phantasiert sie auch von einem zukünftigen französischen Ehemann namens Francois – davon hört Nick natürlich so ungern wie von Trent Preston. Sheeni ist ein etwas anderes Love Interest im Teeniefilm, weder der Kumpeltyp mit dem Herz aus Gold noch die Highschool-Prinzessin, sondern eine liberale, sexuell selbstbestimmte junge Frau (auch wenn man natürlich Spurenelemente des Manic Pixie Dreamgirl in ihrer Figur erkennen kann).

Als sich die Lage in Oakland wieder beruhigt, ziehen Estelle und Jerry mit Nick dorthin zurück, was diesem gar nicht recht ist. Sein Vater lebt in Sheenis Nähe, doch dafür müsste er bei seiner Mutter rausfliegen. Also kreiert Nick sein Alter Ego Francois Dillinger, das all jenen Mut zum Aufstand besitzt, der ihm fehlt – und Francois geht bald ans Werk…
Natürlich trägt Francois einen Schnüppes und raucht Kette, ist quasi das reinste Klischee einer Figur aus dem französischen Arthouse-Kino. Wie Freund Harvey oder das Alter Ego in einem Psychothriller führt er Zwiegespräche mit Nick, ist aber unsichtbar für alle anderen, nur um in gewissen Situationen das Ruder zu übernehmen. Diese sind dann auch sehr lustig, wenn sich der sonst so schüchterne und naive Nick auf einmal auf die Spuren von Belmondo, Delon und Co. begibt. Höhepunkt ist sicherlich jene trocken präsentierte Slapsticksequenz, in der Nick/Francois genug Verwüstung anrichtet, um bei Muttern rausgeworfen zu werden. Auch sonst profitiert der Film vom trockenen Understatement, mit dem Wortwitz und physische Komik vorgetragen werden, wobei viel von der Comedy aus den schrägen Figuren entsteht, darunter Nicks Nachbar Mr. Ferguson (Fred Willard), der für echte und vermeintliche humanitäre Projekte keinen Mühen scheut und sich zur vermeintlichen Solidarität auch mal nackig macht, Sheenis drogenvertickender Bruder Paul (Justin Long) oder Nicks Mutter Estelle, die jeden neuen Mann in ihrem Leben direkt zum richtungsweisenden Chef erhebt.
Mit seinen manierismenbeladenen Figuren, seinem Understatement und den Retrovorlieben seiner Hauptfiguren erinnert „Youth in Revolt“ an das Kino von Wes Anderson, allerdings ohne dessen (inzwischen etwas zur Masche gewordenen) visuellen Stil zu kopieren. Zur lupenreinen Mainstream-Teeniekomödie wird der Film von Miguel Arteta nicht, denn neben der Verschrobenheit der Figuren gibt es auch kleine visuelle Kniffe, etwa wenn die Fahrt von Oakland nach Clearlake während der Credits mit Knetanimation untermalt ist oder eine Zeichentricksequenz während des Abspanns auflöst, wie es nach dem Filmende weiterging. Durch seinen Stil, seine Figuren und seine meist sehr gelungenes Comedy-Timing weiß „Youth in Revolt“ für sich einzunehmen, obwohl er eigentlich eine altbekannte Geschichte erzählt: Ein unglücklich verliebter Teenager tut alles in seiner Macht Stehende, um der Angebeteten nahe zu sein, macht sich dabei zum Affen und hofft neben der großen Liebe dabei auf erste sexuelle Erfahrungen.

Bisweilen wirkt „Youth in Revolt“ dabei etwas episodisch, was vielleicht auch an der Vorlage liegt, die eben ein Briefroman ist. Immer wieder gibt es Zeitsprünge, ehe es zur nächsten Vignette geht, etwa wenn Nick und sein Kumpel Vijay (Adhir Kalyan) sich ein Auto krallen, um zu jenem Internat zu fahren, in das Sheeni von ihren erzkonservativen Eltern zum Schutz vor schlechten Einflüssen wie Nick/Francois verfrachtet wurde. Dadurch wird der Flow des sonst so sympathischen Films immer etwas unterbrochen, der mit diebischer Freude etwas fieser und wagemutiger als Standard-Teeniekomödien ist. Ein Teil von Francois‘ Plan etwa besteht darin, dass er über eine Mitschülerin Sheenis sehr unschöne Gerüchte über Trent Preston in die Welt setzt. Trent ist übrigens eine Figur, bei der manch sich bis kurz vor Schluss nicht sicher ist, ob es dieses Alphatier, dieses Prachtexemplar von einem Mann auch tatsächlich gibt.
Als titelgebender revoltierender Jugendlicher führt Michael Cera jenen Rollentypus weiter, der für ihn im Fernsehen mit „Arrested Delevopment“ begann und den er im Kino von seinen Durchbruchsfilmen „Juno“ und „Superbad“ bis hin zu „Scott Pilgrim vs. the World“ erfolgreich kultivierte. Insofern ist „Youth in Revolt“ alles andere als ein Ausbruch aus bekannten Mustern für ihn, aber den schüchternen Schlacks mit dem Herz aus Gold und Hingabe verkörpert Cera einfach so gut, dass man jedes Mal gern wieder an Bord ist. It-Girl Portia Doubleday ist recht gut als Objekt der Begierde, Steve Buscemi und Jean Smart sind Nebenrollengold als Twisp-Eltern. Dazu kommt eine ganze Auswahl toll aufgelegter, bekannter Gesichter, teilweise noch vor ihrem Durchbruch, darunter Rooney Mara als Zimmernachbarin Sheenis, Ari Graynor als deutliche jüngere Freundin Georges, Ray Liotta als Cop, Zach Galifianakis als Taugenichts, Fred Willard als Nachbar sowie M. Emmet Walsh, Mary Kay Place und Justin Long als Sheenis Familie.

Im Vergleich zu anderen Komödien aus Michael Ceras Karrierehoch ist „Youth in Revolt“ etwas untergegangen – zu Unrecht. Dramaturgisch nicht immer ganz rund und in den Grundzügen der Geschichte nicht allzu innovativ, aber mit famosen Comedy-Timing, einer Top-Besetzung und visuellem Einfallsreichtum gesegnet. Ein charmanter Coming-of-Age-Spaß irgendwo zwischen Wes Anderson und „Superbad“.

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