Ein blinder Bildhauer entführt ein in seinen Augen körperlich makelloses Topmodel, um die perfekte Skulptur nach ihrem Abbild zu erschaffen…
BLIND BEAST ist ein klassischer Vertreter des „Pinku Eiga“-Genres, eine im Japan der 60er-Jahre entstandene Mischung aus Erotik- und Kunstfilm. Regisseur Yasuzô Masumura saß auch beim zweiten Teil von HANZO THE RAZOR und SPIDER TATTOO auf dem Regiestuhl. Der Schwarzweißfilm überzeugt mit einer klaustrophobischen Atmosphäre, beeindruckenden Darstellern (nur drei an der Zahl!) und künstlerisch hochwertigen Sets, die den Film in die Riege des Avantgarde-Kinos erhebt. So verschleppt der blinde Künstler sein Opfer in eine Art Lagerhalle, in der er seine bisherigen Kreationen, allesamt Abbildungen weiblicher Körperteile, aufbewahrt. Eine Wand ist also mit überdimensionalen Mündern, eine andere mit riesigen Augen, die nächsten mit Plastiken von Beinen und Brüsten behangen. Dies schafft eine beinahe albtraumhafte Kulisse für das Schreckensszenario, das sich davor abspielt. Der blinde Künstler gibt zwar vor keusche Absichten zu haben, entpuppt sich jedoch als ziemlich perverse Sau, die sein Opfer angrabscht und befingert wie der wildeste Lüstling. Zwar muss er dies tun, um eine genaue Vorstellung von seinem Model zu bekommen, der Film kokettiert hierbei aber deutlich mit der Fetisch-Sektion.
Im Fokus von BLIND BEAST steht der Tastsinn. Die beiden Protagonisten tummeln sich auf der gigantischen Plastik einer nackten Frau, schlafen auf ihrem Bauch, während er seiner Geisel sein verdunkeltes Weltbild erklärt, liebkost der blinde Künstler die mächtigen Nippel der Skulptur. Als Zuschauer spürt man beinahe die Rundungen und die raue Oberfläche von Ton und Gips oder fühlt das weiche Fleisch, wenn der Blinde seine Geisel betatscht.
Das Verhältnis zwischen Geisel und Geiselnehmer erlebt während des Films eine drastische Wandlung. Sträubt sich das Zwangsmodel anfangs noch und versucht dem Künstler mittels Tricks und Täuschungen zu entkommen, erliegt sie schließlich seiner Weltanschauung, es eröffnet sich ihr ein sensomotorisches Universum, wonach beide in einen sinnlichen, aber tödlichen Strudel aus Berührungs- und Stimulationsgier geraten. Befriedigung tritt nämlich irgendwann nur noch ein, wenn sich die beiden dem sinnlichen Rausch Verfallenen gegenseitig Schmerzen zufügen.
„Schneide meine Arme ab! Und meine Beine! Ich möchte, dass du meinen Körper in Stücke schneidest! Es wird bestimmt schrecklich wehtun, aber auch furchtbar schön sein. Und in dieser Lust will ich sterben.“
Wie in vielen japanischen Erotikfilmen des „Pink“-Genres (siehe ABE SADA und IM REICH DER SINNE) endet auch hier der Liebesreigen tragisch, fatal und tödlich. Doch trotz des grob masochistischen, vor Verstümmelungen triefenden Finales fließt in BLIND BEAST kein Tropfen Blut, sondern alles wird schön ästhetisch durch den Zerfall einer Skulptur dargestellt.
Fazit:
Ein taktiles Erlebnis aus Lust und Schmerz. Ein Film, den man buchstäblich spürt.