Ach du meine Güte! Nach nunmehr 16 Jahren habe ich diesen Film wieder gesehen, wohl noch ahnend, was mich erwarten würde. Dennoch habe ich mich maßlos verschätzt!
"Saving Private Ryan" ist an widerlichem Kitsch und übertriebenem und stumpfen Pathos kaum noch zu übertrumpfen. Angefangen von der Einblendung der amerikanischen Flagge, über die triefende Rahmenhandlung mitsamt der immer eng beisammen stehenden Familie auf dem Ehrenfriedhof, bishin zum Mainplot - hier wird so dick aufgetragen, dass es schon nicht mehr zu ertragen ist.
Spielberg, das Spielkind Hollywoods mit unbestrittenen Qualitäten im Spektakelkino, vergreift sich insgesamt erheblich, wenn er nach der Rührseligkeit des Beginns in einen drastischen Realismus übergeht, der in seiner extrem grafischen Gewaltdarstellung, die mittlerweile legendär ist, nicht so recht zum Rest des Films passen möchte. Genau betrachtet sind jedoch selbst diese Szenen, so bluttriefend sie auch sein mögen, eine Art makabres Best-Off an Grausamkeiten aus Massenschlachten. Und wie Tom Hanks nur auf zerfetzte, erschossene oder gerade elendig sterbende junge Männer trifft, egal in welche Richtung er sich bewegt, soll zwar die Größenordnung der Katastrophe darstellen, wirkt aber zu gewollt und überinszeniert. Wenigstens beeindruckt das Massaker in seiner Gesamtheit, ermöglicht es in den Momenten ohne direkten Figurenbezug einen beklemmenden Eindruck der dargestellten Situation.
Mit dem Einsetzen der Haupthandlung, geht der Film dann aber sowas von baden. Das Büro mit den Briefschreiberinnen, die zutiefst menschlichen Offiziere, die dann noch ganz ergriffen Abraham Lincoln zitieren, eine Bilderbuch-Farm-Idylle und John Williams schwülstige und vor Pathos nur so brodelnde Komposition. Der Film wirkt 50 jahre älter als er eigentlich ist!
Die vielen kleinen Geschichten der einzelnen Charaktere, die in den Plot eingebettet werden, bilden auch nur ein Sammelsurium an Stereotypen, die leider nicht den Tiefgang ermöglichen, den der Film gerne hätte und angesichts des Settings und der zeitweiligen Machart letztlich auch bräuchte. Der Scharfschütze, der Stoßgebete beim Anvisieren des Feindes von sich gibt, der verweichlichte Schreiberling, der die Moral aufrecht halten möchte, aber daran (fast) scheitert und natürlich allen voran Tom Hanks als Captain, der als aufrechter Mann aus der Mitte des Volkes bis zum letzten Atemzug Vorbild für seine Mannschaft ist. Am Ende hätte auch Matt Damon Tom Hanks eine Packung "Merci" in den regungslosen Arm drücken können und alles hätte sich als Werbespot herausgestellt - es hätte nicht weiter verwundert! Die narrative Überkonstruiertheit ist dabei so auffällig, dass der Film einem das permanente Gefühl gibt, eine Aussage vermitteln zu wollen. Jedoch bleibt "Saving Private Ryan" genau dabei auf der Strecke, denn eine tiefgehende und stimmige Botschaft ist hier einfach nicht zu erkennen. Und wenn, dann bleibe ich immer daran hängen, dass Töten grausam ist, aber die guten Amerikaner sich für die gute Sache dem nicht verschließen dürfen, da die Welt sonst vor die Hunde geht.
Zwar sehen wir auch Amerikaner, die rigoros und rücksichtslos Verbrechen begehen, da sie sich ergebende Deutsche einfach niederschießen, aber ihnen bleibt offensichtlich nichts anderes übrig. Kaum lässt der Captain aus Mitleid einen Soldaten laufen, wird er natürlich am Ende just von diesem erschossen. Das Drehbuch wirkt dabei, als hätte es ein Neuntklässler geschrieben.
Zudem ist die rein amerikanische Perspektive auf das Kriegsgeschehen so eingeschränkt, dass das Feindbild des deutschen Soldaten rein auf den Vorkenntnissen des Zuschauers beruht. Eine Charakterzeichnung auf der "anderen" Seite erleben wir nicht. Das ließe sich vor dem Hintergrund der Darstellung von Krieg noch verstehen. Immerhin sind Schlachten ja keine Dating-Parties. Jedoch wird der Blick auf die Protagonisten dadurch aber noch verschärft, wodurch deren Eindimensionalität noch mehr in den Vordergrund tritt. Was für Helden!
Allesamt!
Auch die doofen!
Helden!
USA!
Fazit:
Kurz und schlicht: "Saving Private Ryan" ist schleimigstes und einfachstes Kitsch-Kino, das wegen der drastischen Darstellung der Landung der Alliierten Gesprächsstoff lieferte, aber als Film insgesamt zu uninspiriert ist und sich jeder ernsten Auseinandersetzung mit dem schwerwiegenden Thema verschließt. Mehr "Stoßtrupp Gold" ohne Abenteuer als ein wirklicher Antikriegsfilm. Mehr Verklärung als Kritik und ein Lobgesang auf das gute alte amerikanische Kameradentum. Hier wird zu viel für die gute Sache gestorben. Ein sehr altmodischer Film, der schon 1998 seiner Zeit weit hinterher war und am Ansatz, die Grausamkeit und Sinnlosigkeit des Krieges zu zeigen, scheitert und leider insgesamt zu sehr romantische Mär denn ernstzunehmendes Drama ist. Ein filmischer Simpel!