Steven Spielberg ist ein Garant für volle Kassen, das beweist er seit jeher mit Blockbustern wie "Jurassic Park" oder auch mit ernsten Dramen wie "Schindlers Liste". Sein "Soldat James Ryan" nun servierte die Thematik Krieg in anderer Form, nicht leise sondern knallhart mit der Brechstange, so wie er eben war. Das kann man allerdings getrost auf einen kleinen Teil des Films reduzieren, denn ein guter Antikriegsfilm ist das noch lange nicht.
Das fängt bereits bei der etwas merkwürdigen Story an, in der Oscar-Abonnent Tom Hanks als Anführer einer kleinen Gruppe Soldaten im Rahmen des D-Days durch die Normandie watschelt, um den verschollenen James Ryan zu finden, dessen Brüder alle im Kampf gefallen sind. Ob so etwas nun realistisch ist, sei dahingestellt, als Aufhänger für einen Kriegsfilm taucht es allemal. Was man daraus macht ist eine anderen Sache und Spielberg machte daraus einen so kontroversen Film, dass man gar nicht weiß, wo man anfangen soll. Eine solche Anzahl positiver und negativer Aspekte findet man echt selten.
Der Film beginnt in der Gegenwart. Dabei stets eingedenk, dass man einen Antikriegsfilm sieht, stört zunächst einmal die munter im Wind flatternde amerikanische Flagge gewaltig, die gleichzeitig den Grundton des Film symbolisiert. Äußerst unpassend für ein himmelhoch gejubeltes Werk, aber was soll’s, denn das Aufsehen erregende, vorgezogene Highlight steht kurz bevor: Die Landung der Alliierten bei Omaha Beach. Und was uns Spielberg hier präsentiert, ist von der Inszenierung her nicht mehr zu übertreffen. Mit einer hübschen 5.1 Anlage wird das Wohnzimmer Beben, ständig schwirren Kugeln umher, kurz gesagt: Das Grauen des Krieges ist unmittelbar spürbar, man fühlt sich mittendrin statt nur dabei. Eine noch nie zuvor da gewesene Materialschlacht, bei der jede Sekunde perfekt stimmt und von der man bereits sagen kann, dass sie Filmgeschichte geschrieben hat.
Dabei werden einem auch keine Grausamkeiten erspart, um den Krieg realitätsgetreu wirken zu lassen. Was in der ersten halben Stunde Gliedmaßen umherfliegen, Gedärme aus Bäuchen herausquillen oder Leute verbrennen, erreicht schon fast "Starship Troopers"-Ausmaße, bloß das hier eben alles ernst ist und man nicht von einem fiktiven Geschehen sprechen kann. Natürlich ist es diskussionswürdig, ob es wirklich Szenen braucht, in der ein Soldat mit offenem Bauch laut nach seiner Mama ruft oder ein Soldat, kurz nachdem er seinen Stahlhelm aus Freude vor einer abgefangenen Kugel abnimmt, einen Kopfschuss verpasst bekommt. Dennoch hat Spielberg ein Bild vom Kriegsgeschehen vermittelt, das man absolut nachvollziehen kann und das einem 16jährigen durchaus zuzumuten ist, es hatte ja über die Freigabe viele Diskussionen gegeben.
Leider kommen danach die vielfach angesprochenen Schwächen des Films. Die Handlung wird zunehmend unrealistischer und ist viel zu anspruchslos. Über irgendwelche politischen Hintergründe wird erst gar nicht gesprochen, stattdessen stapfen unsere "Helden" nun durch die Normandie, optisch perfekt in Szene gesetzt, und machen nebenbei ein paar böse "Krauts" kalt. Die scheiß Ami-Moral geht dabei dermaßen auf die Nerven, dass man Spielberg für jeden Hanks-Monolog am liebsten einen Schlag in die Magengrube verpassen würde. Diese gibt es recht häufig, meistens dann, wenn Zwietracht in der Gruppe entsteht, etwa als der ach so menschliche Tom Hanks einen Deutschen laufen lässt. Übrigens der einzige Deutsche im Film, der etwas näher charakterisiert wird, wobei das Wort "Charakterisierung" hier nicht passt, denn die Darstellung des Feindes ist in "Der Soldat James Ryan" so platt, dass es wehtut.
Als James Ryan dann in Gestalt von einem grauenerregend schlecht spielenden Matt Damon gefunden wird, gibt es nach ein paar weiteren patriotischen Einlagen noch ein fast einstündiges Gefecht um eine Brücke. Hier geht es nicht mehr so hart zu wie am Anfang, trotzdem noch mit recht hohem Blutgehalt und vor allem mit schön anzusehender Pyrotechnik. Übrigens beißen fast alle amerikanischen Soldaten ins Gras, als Entschädigung gibt es für die noch ein paar, vor Pathos nur so triefende Schlusssequenzen, einen Rückbezug zur Gegenwart und wehende Stars & Stripes, womit der Kreis geschlossen wäre und sich jeder Europäer, insbesondere Deutsche, schnellstmöglich eine Spielberg-Voodoo-Puppe zulegen möchte.
Um es auf den Punkt zu bringen: Spielberg hat einen Kriegsfilm gedreht, der durch seine Anfangsschlacht in die Filmgeschichte eingehen wird, aber der aufgrund seiner verlogenen Moral niemals zu den ganz großen Meisterwerken zählen kann. Dennoch unterhält "Der Soldat James Ryan" über fast drei Stunden hervorragend, auch dank einer super Regie. Das kann Herr Spielberg halt immer noch wie kaum ein anderer, zudem gefällt mir die Optik sehr gut, die Kulissen erzeugen eine tolle Atmosphäre. Wer wissen will, wie der Kampf im Krieg wirklich war, der kommt um diesen Film sicher nicht herum, aber wer eher auf anspruchsvolle Kost ohne jegliche Pathos besteht, sollte "Der Soldat James Ryan" lieber meiden.