"Der Soldat James Ryan" ist kein einfach zu bewertender Film, dazu hat er zu viele positive und negative Punkte. Teilweise sind diese auch einfach Ansichtssache. Ich geh jetzt einfach mal ganz systematisch vor und fange mit der Story/dem Drehbuch an:
Wenn man mal vom Grundgerüst ausgeht, erscheint sie eigentlich halbwegs glaubwürdig. Erst die Invasion in die Normandie und dann eine Rettungsmission. Obwohl es viele unrealistisch und heuchlerisch finden, dass 8 Männer einen einzigen suchen sollen, sind solche Aktionen durchaus vorgekommen. Das aber nicht aus Menschenliebe, sondern hauptsächlich zu Propagandazwecken ("Schaut was euer Vaterland alles für seine Soldaten tut!"). Trotzdem gab es diese Handlung so ähnlich schon in dutzenden anderen Kriegsfilmen, weswegen sie ziemlich verbraucht wirkt. Außerdem wirkt sie aufgesetzt und unlogisch, da man den Soldaten schließlich auch hätte anfunken können (oder andere Gruppen, die ihn vielleicht kennen).
Ansonsten ist auch noch die Auflösung des Endkampfes in der Stadt noch ziemlich schlecht und billig. Als ob die Drehbuchschreiber plötzlich keine Lust mehr hatten und deshalb ein paar amerikanische Flieger ins Drehbuch geschrieben haben.
Die Schauspieler spielen allesamt überzeugend, wenn auch nicht absolut herrausragend. Tom Hanks hebt sich dann doch etwas ab, obwohl er den Soldaten ruhig noch etwas gebrochener hätte spielen können (da reicht das Hände zittern allein nicht). Matt Damon ist dagegen eine ziemliche Katastrophe (was nicht zuletzt an seiner Rolle liegt). Er verkörpert den stolzen, starken und patriotischen amerikanischen Helden, der jede Situation meistert und alles für sein geliebtes Vaterland tut. Bitte! Sowas muss doch nicht sein!
Nun noch ein paar Worte zur Musik: Ja, was soll man da sagen, John Williams eben. Sehr episch, pompös und auch etwas kitschig. Eben ziemlich amerikanisch. Sie setzt Gott sei Dank immer erst nach den Kämpfen ein, wodurch diese noch realistischer wirken und die Stimmung danach sehr gedämpft wird.
Die Atmosphäre des Filmes kann man grob in zwei Teile einteilen: Die ersten 20 Minuten und der Rest. In den ersten Minuten findet nämlich die (etwas unrealistisch dargestellte) Landung in der Normandie statt, und man wird als Zuschauer förmlich in das Ergebnis hineingeworfen. Gerade sah man noch den alten James Ryan vor einem Grab in der jetzigen Zeit knien, und plötzlich befindet man sich auch schon in den Landungsboten. Dadurch fühlt man sich ein bisschen wie die Soldaten, da man keine Ahnung hat, was einen erwartet. Die Atmosphäre wird durch das ständige Surren der Botsmotoren und die versteinerten Gesichter der Männer noch gesteigert. Als sich dann die Luken öffnen und die Soldaten auf den Strand stürmen wollen, bricht die Hölle los. Von nun an ist der Zuschauer praktisch in der Rolle eines normalen Soldaten und hat die nächsten 20 Minuten keine Ruhe. Andauernd schlagen MG-Schüsse ein, werden irgendwo Menschen zerfetzt, schreien Leute um Hilfe, hört man die Einschläge von Kugeln in Fleisch und explodieren Granaten. Besonders im Kino (oder wenigstens mit einer anständigen 5.1 Anlage) ist das eine wahre Totur für die Nerven und man bekommt das Gefühl, live dabei zu sein, wodurch man den Blick manchmal fast schon abwenden möchte.
Leider hat man durch eine fehlende Einleitung noch keine Beziehung zu den Soldaten aufgebaut, weshalb man auch noch keine Angst um bestimmte Personen hat (außer um Tom Hanks, was aber wohl an seinem Bekanntheitsstatus liegt).
Nach dieser Schlacht geht der Film in seine zweite Hälfte über. Die Männer bekommen den Auftrag und machen sich auf die Suche nach Ryan, alles wird ziemlich konventionell. Es wirkt schon fast wie ein alter Kriegsfilm ("Das dreckige Dutzend", "Die Wildgänse kommen", etc.), blos das alles eine Spur härter, realistischer und eindringlicher ist. Von jetzt an machen den Gesamteindruck die vielen kleinen Szenen, wie z.B. als die Männer Hundemarken durchsuchen und mit ihnen wie mit Karten spielen oder als ein Familie ihnen in einem französischen Dorf ihre Tochter übergeben will, aus. Das ist alles sehr eindringlich und zeigt den Wahnsinn des Krieges (wenn auch nicht so stark, wie das einige andere, weit weniger brutale Kriegsfilme tun).
Das alles spricht eigentlich für einen Spitzenfilm, aber Spielberg machte einen (jedenfalls für mich) gewaltigen Fehler: Er machte den Film patriotisch. Schon am Anfang weht einem ein, wenn auch verblasster, Sternenbanner entgegen und so geht es dann den ganzen Film weiter. Andauernd hält Hanks Monologe über seine ach-so-wichtige Mission und dass sie Amerika schützen müssten etc. Das ist wirklich extrem nervig und vermindert die Atmosphäre ziemlich stark. Wenn dann auch noch der alte James Ryan vor Millers Grab salutiert, möchte man am liebsten gehen, obwohl man es ihm nichtmal übelnehmen kann, da er schließlich auch ein Opfer der amerikanischen Propaganda ist.
Außer dem glühenden Patriotismus wird auch auf den Feind, die Deutschen, nicht näher eingegangen, sie bleiben, bis auf eine (misslungene) Ausnahme, gesichtslos. Das könnte man ja noch verstehen, wenn der Film die Schlacht eben nur aus der Sicht der kleinen Truppe zeigen wöllte (und den Zuschauer so selbst zu einem Soldaten machen würde). Dem ist aber nicht so, und so hat man bald das Gefühl, dass diese Schwarzweißmalerei einfach nur noch mehr zum heuchlerisch erscheinenden Patriotismus beitragen soll.
So verließ ich das Kino mit gemischten Gefühlen. Auf der einen Seite war ich überwältigt, auf der anderen etwas verärgert.
Wenn man den Anfang weglässt, bleibt nur ein typischer, übertrieben amerikanisch-patriotischer Kriegsfilm übrig, für den ich keine Empfehlung geben würde. Aber es sind eben die ersten 20 Minuten, die ihm zu etwas besonderen machen.
Sieht man den Film als Film, der die Härte und Sinnlosigkeit des Krieges realistisch den Zuschauer übermitteln will, hat er eigentlich 9/10 Punkten verdient, denn nach dem Anschauen dieses Streifens wird sich keiner freiwillig für den Krieg melden.
Aber, wenn man den Film historisch und ideologisch betrachtet, ist er ein absolutes Desaster, und hätte nicht einmal 3/10 Punkten verdient. Wie kann man nur so einseitig Schwarz/Weiß malen und die Deutschen zu brutalen und unmenschlichen Schießbudenfiguren degradieren, während die Amerikaner die unfehlbaren, strahlenden Helden sind? Genau das selbe hatten wir in Starship Troopers, und das war eine SATIRE!
Da sich der Soldat James Ryan aber wirklich ernst nimmt, sehe ich in ihm eine ernstliche Gefahr als Mittel zur Manipulation der Massen, da die meisten Menschen nicht tiefgründiger über das Dargestellte nachdenken, sondern es als richtig erachten werden (die Leute von Hollywood würden ja nieeee lügen!). Und wenn das passiert, hat man im Grunde nichts anderes als einen Propagandafilm für die amerikanische Armee, die immer gewinnt, immer richtig handelt und wo es noch echtes Pflichtgefühl, echte Ehre und echte Kameradschaft gibt.
Trotz all dieser negativen Punkte gebe ich ihm noch 6/10, da er von technischer aus perfekt ist und 3 Stunden durchaus zu unterhalten weiß.