Das New Hollywood hat einige Regisseure hervorgebracht, von deren Kunst wir noch heute zehren, nicht zuletzt Martin Scorsese, Steven Spielberg und Terrence Malick. Andere sind über ihren Zenit längst hinaus, doch an ihren Namen haftet noch immer der "Hier verbirgt sich ein wahrhaft Großer"-Hall, so verhält es sich etwa mit Francis Ford Coppola, aber auch Peter Bogdanovich. Kaum jemand würde behaupten, ihre Filme, wie auch sie selbst seien vergessen, underrated oder Geheimtips. "Die Revolution frisst ihre eigenen Kinder"- selten trifft dieser Spruch aber auf eine Filmbewegung dermaßen zu, wie auf das New Hollywood. Wo sind sie die Ciminos und Rafelsons? Die Schwäche des Systems war ihre Chance, doch als Hollywood den Blockbuster erfand, da war das Verständnis für extravagante Flops verschwunden. Die einen kamen nicht über ein, zwei große Werke hinaus, denn Hollywood erinnert sich vor allem an den Erfolg. Andere hatten jahrelange Krisen zu bewältigen, bis sie zu alter Stärke zurückfanden. Die berühmtesten bereiteten den Untergang ihrer eigenen Bewegung mit vor, in dem sie neue Vermarktungskonzepte für ihre Filme schufen, welche die Filmindustrie freudig aufgriff und Experimente überflüssig machten.
Es gibt aber auch die seltene Spezies des vergessenen Großen, des Regisseurs, der eine Reihe erfolgreicher, von Kritikern hoch gelobter Werke abliefert, zwanzig Jahre später jedoch sowohl beim Publikum, wie auch in der Forschung konsequent "übersehen" wird.
Unter all den Regisseuren des New Hollywood, die im Verlauf der Achtziger vergessen wurden, war Hal Ashby wohl der mit dem beständigsten Oevre, welches auch heute noch durch seine hohe Qualität beeindruckt. Beginnend als Cutter von Norman Jewison drückte er In the Heat of the Night und The Thomas Crown Affair seinen Stempel auf, gab 1970 sein Regiedebut mit dem ebenso leichtfüßigen wie beissenden The Landlord. Heute ist er, wenn überhaupt, durch die Außenseiterballade Harold and Maude in Erinnerung geblieben, diesen Prototyp von einem Kultfilm.
Ashby war ein durch und durch amerikanischer Regisseur, der die Ursprünge des Folk mit Bound For Glory untersuchte, wie auch die Auswirkungen des Vietnamkriegs auf die "Heimatfront". Man mag das Grauen des Krieges auf verschiedene, mehr oder minder brutale Arten und Weisen darstellen können, doch Coming Home führte einer Nation die emotionale Verstümmelung ihrer Jugend vor.
Being There nun war Ashby's letztes Meisterwerk vor seinem Drogenabsturz in den Achtzigern und der Krebserkrankung, die ihm den Rest gab. Man könnte den Film als Abschluss der New Hollywood-Dekade bezeichnen. Ashby nimmt sich, für ihn, wie auch für die Bewegung typisch, der gesellschaftlichen Realität seiner Zeit an und konzentriert sich auf die Mediengesellschaft, ihre Oberflächlichkeit, ihre Hypes.
Chance the Gardener (Peter Sellers) ist ihr Messias. Ein Mann mit dem Verstand eines Kindes, der nie sein Haus verlassen hat, wird nach dem Tode seines alten Herrns in die Welt hinaus geworfen, wie Adam aus dem Paradies. Das Fernsehen hatte ihm bis dahin die Welt erklärt und bildet auch in der Außenwelt sein einziges Referenzsystem. Ein Zufall bringt ihn in Kontakt mit dem im Sterben liegenden Geschäftsmann Benjamin Rand (Melvyn Douglas) und dessen um einiges jüngerer Ehefrau Eve (Shirley MacLaine). Chance's einziges "Fachwissen" stammt aus der Gartenarbeit und so werden seine Floskeln ("As long as the roots are not severed, all is well. And all will be well in the garden.") für weise Wirtschaftsvoraussagen gehalten und er wird zum Liebling der Presse. Selbst der Präsident fühlt sich bedroht von diesem Mann aus dem Nichts und setzt FBI und CIA auf seine Herkunft an.
Ein schlechterer Regisseur hätte wohl Chance, ebenso wie seine Umgebeung, zur Karikatur verkommen lassen, um billige Witze daraus zu ziehen. Doch Ashby vermochte es schon immer, seine Schauspieler in Szene zusetzen, er beherrscht die Kunst des Weglassens. Anstatt Eve und Ben lächerlich zu machen, verleiht er ihnen eine menschliche Tiefe. MacLaine und Douglas haben Zeit, sich vor Ashby's Kamera zu entfalten, denn eine große Stärke dieses Regisseurs war schon immer seine fehlende Selbstverliebtheit. Nie verliert er sich in Tricks, wenn sie der Erzählung nicht förderlich sind. So entpupt sich auch Doktor Allenby (Richard Dysart), der Mann der Wissenschaft, der von Anfang an Chance skeptisch gegenübersteht, entgegen der Erwartungen des klischeeerprobten Zuschauers als ein sympathischer Charakter. Die Menschlichkeit zieht sich durch Ashby's Oeuvre, sie zeichnet ihn aus und sie prägt auch die Figuren in Being There. Der Film geht deswegen über eine konventionelle Mediensatire hinaus, denn letztendlich dreht er sich um menschliche Beziehungen. Was sehen, oder besser, was wollen wir in anderen Menschen sehen? Welchen Nutzen ziehen wir daraus?
Chance fungiert in seiner kindlichen Unschuld als Spiegel einer Gesellschaft, die, geprägt von der schnellen Schlagzeile, immer auf der Suche nach einfachen Antworten, ihren Messias gefunden haben will. Doch Chance rettet Eve auch aus der Einsamkeit. Chance macht Ben das Sterben leichter, so dass wir in der letzten Szene quasi vorgeführt werden, denn der Zuschauer mag erkennen, dass er Chance gegenüber nicht unvoreingenommener ist, als die Charaktere im Film.
Dass dieser geradezu geniale Trick funktioniert liegt nicht zuletzt am grandiosen Peter Sellers in der Rolle seines Lebens. Chance ist die Personifikation des puren Daseins, mit einer inneren Ruhe und Ausgeglichenheit, die nicht nur in Sellers' Rollenrepertoire ihresgleichen sucht. Dieses unverfälschte "Being There" ermöglicht erst die Glaubwürdigkeit der Handlung, denn Chance ist zumeist eine Reflektionsfläche für die anderen Charaktere. Selten ergreift er selbst die Initiative. Wenn überhaupt, so weil er auf einen Fernseher in seiner Nähe reagiert.
Man mag diese Rolle mit Forrest Gump oder Rain Man vergleichen, die meisten Kritiker bemühen diesen Vergleich. Doch Sellers spielt weder einen Autisten, noch einen unterbelichteten, aber liebenswerten John Doe auf seinem Irrweg durch die amerikanische Popkultur.
Chance macht im Verlauf des Films eine Wandlung durch, die weder Tom Hanks, noch Dustin Hoffman darzustellen hatten: Er wird vom eigenschaftslosen Gefäß zum Menschen.
Was kann man von einem Schauspieler mehr verlangen?
Ashby kleidet all das, nicht zuletzt dank seines Kameramanns Caleb Deschanel, in eindrucksvolle, ruhige, aber niemals effektheischende, Bilder, die zu ihrer Hauptfigur passen und die Schauspieler in den Vordergrund stellen.
Bei sieben Filmen hat er in den 70ern Regie geführt, 10 Schauspieler haben unter seiner Regie in dieser Zeit Oscarnominierungen bekommen, vier gewannen den Academy Award. Ashby's Filme gilt es wiederzuentdecken und Being There ist ein hervorragendes Beispiel für seine Regiekunst, eine der besten Satiren der siebziger Jahre und eine nach wie vor aktuelle Inspektion unserer modernen Existenz.