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Die Lust am Leiden

Gibt es eine unattraktivere Werbezeile als „von den Machern von Saw IV-VI"? Mit roher Brutalität verschleppen Marcus Dunstan und Patrick Melton Dario Argento in den Fetisch-Untergrund. Die Sado-Maso-Maske des Antagonisten verrät bereits: Das hier wird weh tun.


Wer nach Anschauen von „The Collector" den Film in Gedanken rekapituliert, dem werden unweigerlich Bilder von übel zugerichteten Wunden, verschmiertem Blut und Fleischerhaken in den Sinn kommen. Einen Großteil seiner Spielzeit verbringt Marcus Dunstans Werk damit, diese unangenehmen Details in Szene zu setzen. Mit einer derartigen Lust labt sich „The Collector" an Fleischwunden, Verstümmelungen und nicht unbedingt steril anmutenden, scharfen Objekten, dass er in punkto Fetischisierung der Gewalt selbst das Saw-Franchise und das populäre jüngere Splatter-Kino französischer Bauart hinter sich lässt.

Mit Ausnahme von makaberen Szenen wie dem Herausreißen von Zähnen, Zunähen von Mündern oder die häufig verwendete Vorliebe Augäpfel zu durchbohren, mag „The Collector" grob betrachtet dabei weniger sadistisch wirken, doch der Teufel steckt hier im Detail. In der Mitte des Films und auch im Zuge der End Credits gönnt sich Dunstan noch einmal einen besinnlichen Moment, um die Kamera über alle Leichen schwenken zu lassen, die der Film bis dahin fabriziert hat, wenn hier ein spitzer Gegenstand in Fleisch gerammt wird, folgt daraufhin stets die Einstellung, in der das Objekt inklusive Blutfontäne wieder daraus entfernt wird und wenn hier jemand durch den Sturz in eine Reihe von Bärenfallen sein Leben aushaucht, dann lässt Dunstan genüsslich jede einzelne Falle zuschnappen bis die Letzte schließlich in Nahaufnahme das Gesicht zermalmt - jeder noch so kleine Kratzer wird blutgeil in die Zweit- und Drittverwertung geschickt, keine Möglichkeit verstreichen lassen, im Minutentakt noch ein paar mehr zeigefreudige Details bis zur Redundanz ins große Ganze zu integrieren. Eine Figur wird übrigens auf einer Leinwand aufgespießt - haben wir es hier mit einem zynischen und doch treffenden Kommentar der Macher zu tun?

Alles was Marcus Dunstan und sein Partner Patrick Melton - die bereits die Saw-Teile 4-6 mit Drehbüchern ausstatteten - brauchen, um die anatomische Beschaffenheit ihrer Opfer zu erforschen, ist der titelgebende Collector, ein wahrer Traummann des Horrors, ausgestattet mit einer bizarren Sado-Maso-Maskierung, irre leuchtenden Augen und einer Vorliebe für Insekten, der nichts geringeres als das ultimative Böse geben darf. Der Collector ist die vermutlich ehrlichste Figur, die das Torture-Porn-Genre jemals hervorgebracht hat. Weder macht sich der Film die Mühe seine Taten durch jigsawsche Moralpredigten zu sanktionieren und in irgendeinen inhaltlich sinnvollen Zusammenhang zu stellen, noch wird seine sinnbefreite Herkunft und Vorgehensweise auf irgendeine Weise erklärt. Er schleust sich in Häuser ein, nimmt die Insassen gefangen, foltert und tötet sie, legt überall im Haus Fallen aus, die auftauchen und verschwinden wie es dem Plot gerade passt, und schleppt eines seiner Opfer in einer großen Kiste mit sich umher. Warum? Damit das Blut spritzt und das auch lange genug, um auf Spielfilmlänge zu kommen. Er ist nichts weiter als der verlängerte Arm all jener Zuschauer, die es richtig schön splattern sehen wollen.

Weil man sich aber auch im Hause Dunstan und Melton nicht komplett sinnfrei geben möchte, wird mit Arkin (Josh Stewart) schließlich noch eine aktive Figur eingeführt, die das Geschehen letztlich doch noch unerwartet interessant gestaltet. Der ehemalige Kleinganove, der notgedrungen seinen neuen Arbeitgeber ausrauben möchte, stößt im Haus angekommen auf das Werk des Collectors und beschließt die gepeinigte Familie aus den Fängen des Schlächters zu befreien. Im sich daraus ergebenden, Suspense-reichen Katz- und Mausspiel kann „The Collector" seine überbordende Gewalt in halbwegs nutzvolle Bahnen kanalisieren. Die Brutalität und Monstrosität des Collectors geben dem Film eine angenehm alptraumhafte Note mit, die durch die klaustrophobische Inszenierung, die gekonnt die begrenzten räumlichen Verhältnisse ausnutzt, noch verstärkt wird. Visuell legt Dunstan eine überraschende Stilsicherheit an den Tag. Statt seinen Film im hektisch-sterilen Saw-Stil umzusetzen, lässt er die Farben surreal verschwimmen, hat sich dabei offensichtlich von Dario Argentos Schaffen inspirieren lassen, wie auch der hämmernde Industrial-Score von Ex-Nine Inch Nails-Drummer Jerome Dillon wie eine Neuauflage der legendären Goblin-Arbeiten anmutet.

Mit Dario Argento hat das Torture-Porn-Genre ohnehin seit jeher mehr gemein als es diesem lieb sein kann. Schon vor über 30 Jahren stilisierte der Italiener das Töten als fast sinnlichen Akt, an dessen kunstvoller Ästhetik sich der Zuschauer wahrhaft ergötzen konnte. Er tat das natürlich - soweit man das in diesem Zusammenhang so sagen kann - deutlich geschmackvoller. Wenn das Schaffen von Argento das Edel-Bordell unter der Gewaltpornographie ist, ist die Saw-Reihe die schmierige Absteige, in der man befürchten muss, sich eine Infektion einzufangen. Mit „The Collector" ist das Genre nun im S/M-Schuppen angelangt. Ein Film, der sinnlos physische Schmerzen verursacht, wobei der geneigte Zuschauer es auch gar nicht anders will.

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