Review

Der Film ist schon ein Leckerbisen, bevor er angefangen hat. Man sieht ja gar nicht richtig, wie es losgeht, weil man beinahe Tränen vor Rührung in den Augen hat.
Die Paarung Jet Li / Stephen Chow noch vor ihrem jeweiligen Durchbruch ist einfach schon auf dem Blatt viel zu gut um wahr zu sein; eine weitere Zusammenarbeit wartet nicht nur bis heute auf seine Wiederholung, sondern ist geradezu ausgeschlossen. Zu enorm beider Starruhm, wohl auch zu gross das Ego, neben dem anderen Superstar konkurrieren zu müssen und auch einfach das Nichtfinden eines weiteren geeigneten Projektes. Die Stärken der Akteure liegen ja auf komplett gegensätzlichem Terrain; während Li mit Coolness und Stoismus seine Gegner per Kampfkunst plattmacht, so agiert Chow mit losen Mundwerk, viel Zotigkeit und Slapstick.
Doch hierbei passt es trotzdem; man ergänzt sich geradezu, tauscht sich dabei auch aus und wirkt vor allem auch in der Chemie der Beziehung. Man passt zueinander wie die Faust aufs Auge, ohne angestrengt von irgendwelchen Kompromissen gequält zu sein. Dadurch bringen beide Akteure eine Menge Charisma und Sympathie mit ein; das Gleiche überträgt sich und gilt dann für den gesamten Film auch.
Wer jetzt allerdings ganz grosses Kino erwartet: Das ist es dann doch beileibe nicht.

Gedreht nach einem Skript des später durchaus prominenteren Regisseurs James Yuen [ Crazy 'n The City, My Wife Is Eighteen, Every Dog Has His Date, Clean My Name, Mr Coroner !, Red Rain ] versetzt sich die Handlung wie so oft in den späten 80ern in die Vereinigten Staaten. Das gelobte Land war im spürbar näherkommenden 1997 so etwas wie das zukünftige Paradies für die verängstigten HK Chinesen. Die Übergabe von britischer Herrschaft ans Festland stand als Schreckgespenst vor der Tür, das Absetzen in das geographische Synonym für Freiheit versprach nicht nur ein neues, sondern gar ein besseres Leben.
Rein filmisch bot es jungfräuliche Schauplätze für die sich in HK gegenseitig auf den Füssen stehenden Regisseure, und vor allem auch erweiterte Möglichkeiten der Geschichtenerzählung. Ausserdem konnt man Produktionen mit internationalem Flair besser ins Ausland verkaufen und einen weitaus grösseren Markt antesten; den Weg gingen dann u.a. John Woo mit A Better Tomorrow 2, Kirk Wong mit Taking Manhattan, Tony Leung Siu Lung mit Guns of Dragon und Tsui Hark mit The Master.
Letzterer ist nicht nur wegen der gleichen Besetzung mit Li in der Titelrolle am Ähnlichsten zu Dragon Fight [ OT ], sondern auch an Besten als Art Messlatte heranzuziehen. Was hier nämlich funktioniert, klappt dort trotz gleicher Ausgangslage nicht oder nur schlechter.

Wieder ist Li fremd am Ort; nicht nur in der Stadt, sondern direkt im Lande. Sein Jimmy Lee Kwok - lap ist auch nur auf Durchreise in San Francisco; zusammen mit seiner Trainingsgruppe und seinem besten Freund Tiger Wong Wai [ Dick Wei ] gastiert er als Chinese Martial Arts Team und führt vor staunenden Amerikanern die Wushu – Künste vor. Die Reporter umschwärmen ihn, er steht im Mittelpunkt, ist der Held des Tages und das reicht ihm dann auch. Tiger Wong – der sowieso im Schatten verbleibt und kaum beachtet wird – will allerdings mehr. Er hat andere Ansprüche. Hat auch schnell den kapitalistischen Grundgedanken von Geld und seiner Vermehrung aufgeschnappt und wünscht sich sogar, in den Staaten geboren zu sein. Er will nicht zurück; kurz vorm Abflug setzt er sich ab. Jimmy Lee will ihn erst aufhalten, hilft ihm dann aber und muss seinem Flieger ebenfalls hinterher sehen; zudem bekommt er wegen einer Verwechslung die Anklage Mord an einem Polizisten aufgedrückt.

Bereits bei der Eröffnung kristallisiert sich heraus, was diesen Film auch abseits der glorreichen Besetzung den Rückhalt stärkt. Das Drehbuch erweist sich als für das Setting durchaus geschickt; webt zusammenhängende Themen abwechselnd in unterschiedlicher Stärke ein und achtet dabei auch auf Wiederholung und Steigerung seiner Aussagen. Die angesprochenen Punkte bezüglich der Immigration fliessen kontinuierlich ins Geschehen ein, ohne das Tempo zu verschleppen; dabei bringt man auch diverse konkurrierende Beispiele anhand seiner Figuren ein, die aufgrund der nicht zu lebensfremden Gestaltung Farbe ins Geschehen bringen. Die nicht von der Hand zu weisenen aktuellen Bezüge zur Realität – Li als fünfmaliger Gewinner chinesischer Meisterschaften machte die Touren im wahren Leben durch und schielte ebenfalls sehr früh nach Übersee. Er lernte bei den Dreharbeiten seine jetzige Frau Nina Li Chi kennen und lieben. – fördern automatisch einen zweiten, interessanteren Kontext. Auch ohne dessen wird sich in der Narration um Vielfalt bemüht; von allen Seiten kommen flink nacheinander etliche Gefahren auf. Letztlich steigert sich die versuchte Anpassung an die geänderten Umstände zu einem Kampf um Leben und Tode. Und die einstmals gehegten Träume und phantasierten Wünsche zur bitteren Einsicht, dass sich vormalige Freunde trotz gleichem Hintergrundes allein wegen unterschiedlicher Mentalitäten ganz weit voneinander entfernen können.

Nach einem gemeinsamen Einstieg werden in Parallelhandlungen die weiteren Schritte von Lee und Wong verfolgt. Während Lee nach der Flucht aus dem Polizeigewahrsam ziellos auf den Strassen umherirrt und dann Unterschlupf beim flippigen Gemüsehändler Andy Yau [ Stephen Chow ] findet, wird für Tiger der rote Teppich ausgerollt. Er hatte bereits Verbindungen zu einem Einheimischen, der ihn auch schnell bei dem lokalen Gangsterboss Marco [ Henry Fong Ping ] unterbringt.
Tiger lernt die nötigen Fähigkeiten fürs Überleben schnell; eigentlich wurde er in seinem Trainingsteam bezüglich der Technik schon jahrelang darauf vorbereitet, jetzt muss er sein kampftechnisches Können nur noch anwenden. Er wird als Bodyguard engagiert und steigt in kurzer Zeit zum tödlichen Handlanger auf.
Diverse Attentate unterschneiden dann den Blickwinkel und heizen die Ereignisse an; der Subplot mit den Gangstern ist zwar nur der Rahmen für spätere Aktionen mit Lee, aber wird unabhängig davon stabil errichtet. Man beschränkt sich bei der Regie auf das Nötigste, aber schafft es dennoch, alles Wichtige zu erwirtschaften. Man fraktioniert die Prozesse, aber zerfasert nicht. Vereinfachende Oberflächlichkeit charakterisiert die Figuren ebenso wie sämtliche Vorgänge; vermeintliche Dünne wird dadurch umgangen, dass man genreunüblich relativ viel Dichtungsmittel aufwirft. Irgendetwas passiert eben immer; es entstehen keine Durchhänger oder gar eine Auszeit. Sicherlich ist das Gezeigte nach anderen Maßstäben weniger wert; aber hierbei sieht es eben durchgängig so aus, ohne gleich Mißstimmung zu erzeugen. Man hat in den 80er Filme anders gedreht und auch die HK Chinesen waren damals um Einiges kursorischer als Heute. Es wurde zwar nicht immer der erste Take genommen, aber es sah genau danach aus.

Deswegen sollte sich auch niemand daran stören, dass sich gerade hier wirklich sehr viele Zufälle auf einmal zutragen, jeder jeden kennt und auch jeder jeden alle paar Minuten über dem Weg läuft. Auch nicht, dass Tiger Wong heimlich einen tödlichen Anschlag in der Strassenbahn verübt und dabei die wirklich allergrösste Handfeuerwaffe der Filmgeschichte unter der Jacke trägt. Auch nicht, dass sich die gecasteten Langnasen wieder durch die Bank als miese Laienschauspieler entpuppen, die Mobiltelefone noch als Totschläger verwendet werden können und sämtliche Klamotten vom örtlichen Sozialhilfeverein geleast wurde. Die Synchronisation ist auf deutsch schlecht, auf englisch sogar noch mehr und selbst das Kantonesisch hört sich wie nach einer durchzechten Nacht eingesprochen an. Es irrittiert nicht, weil es im Gesamtzusammenhang passt, durchgängig so gehalten ist und auch keine Abweichung zu anderen gängigen B - Produktionen einlegt.
Man präsentiert einen ruppigen, optisch oft schäbigen und - besonders rückblickend - kleinen Reisser; bewegt sich immer wieder in Hinterhof und Nebengassen und peilt nur die räudige Unterhaltung an. Gut ist. Mehr wollte man nicht; es scheint nie so, als ob man eigentlich was Besseres darstellen möchte und es nur nicht hinkriegt hat.
Bei The Master dagegen war es etwas Anderes. Jet Li wollte damit gross herauskommen. Die moderne Neuauflage von der Legende des Wong Fei Hung war angesagt. Tsui Hark hatte schon fast ein Angebot von Coppolas Zoetrope auf dem Tisch, als er den Film machte. Danach natürlich nicht mehr.

Auch als Actionfilm klappt es hier besser. Zum einen ist öfters was los, und zum anderen ist es nicht nur facettenreich, sondern auch tauglich umgesetzt. Man bekommt keine Blickfänge für unfreiwilligen Trash geboten und man muss auch nicht unzweckmässigen Wirework – Attacken, sondern darf bodenständig - knappen Aktionen beiwohnen. Jet Li hier mal als Strassenkämpfer; sicherlich immer noch etwas graziös, aber mehr auf Effekt statt Anmut bedacht. Hinzu kommen der Kugelhagel der Bloodshedfilme; nur auf breite Strassenkreuzungen verlegt. Regisseur Billy Tang, der später als “Bloody Billy” diverse grummelige Cat 3 Klassiker schuf und überhaupt kein Actionexperte ist, vergisst auch Härte und Blutpäckchen nicht; hält sich aber ansonsten in punkto Inszenierung angenehm zurück und übertreibt es nirgends. Lässt die Bilder so wie sie sind für sich sprechen, anstatt erst über den Umweg der Nachbearbeitung seinen Stempel aufzudrücken.
Das geringe, aber gut genutzte Budget ergibt zusätzlich zu dem zeitgenössischen Umfeld einen leicht ungehobelten Eindruck; das Ansprechen von Fernweh fügt noch eine Prise Wehmut und Melancholie mit ein.

Die hat man beim Betrachten auch; solche Filme werden heute nicht mehr gemacht und dieses spezielle Exemplar ist im Nachhinein eh ein seltener Glücksfall. Selbstredend wird noch nicht das Meisterwerk an sich abgeliefert und hat man besonders damals schon Besseres zustande gebracht, aber gerade die Unfertigkeit kommt noch stimulierend hinzu.

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