Review

Aus der eigentlich damals vornehmlich auf Actionware abonnierten Carolco-Schmiede von Mario Kassar und Andrew G. Vajna ragt dieser feine, intelligente Horrorthriller von „Midnight Express“ – Regisseur Alan Parker heraus. Basierend auf dem Roman „Falling Angel“ von William Hjortsberg erweist der sich einst so begnadete Filmemacher gleichermaßen als kompetenter Schreiberling wie auch versierter Regisseur.

Den damals nach „Year of the Dragon” und natürlich „Nine 1/2 Weeks“ auf Wolke 7 schwebenden Mickey Rourke versetzt er hier als abgewrackten Privatdetektiv Harry Angel, eher ein Mann für Kleinaufträge, in das heruntergekommene New York des Jahres 1955, wo ein neuer unheimlicher Klient mit Namen Louis Cyphre (Robert De Niro, „Raging Bull“, „Heat“) ihm den Auftrag erteilt, nach dem Schnulzensänger Johnny Favorite zu suchen. Die gesuchte Person ging einst mit Cyphre einen Vertrag ein, ist seinen Verpflichtungen aber nie nachgekommen. Angel ahnt nicht, auf was er sich einlassen soll und begutachtet bald mehr Leichen als ihm lieb sind.

Parker erweist sich hier einmal mehr als ein Meister der Atmosphäre, dem selbst der spätere Wechsel vom urbanen, schmuddeligen New York ins schwüle, beklemmende Louisiana ganz problemlos ohne Stimmungsbruch gelingt. Die triste Winteroptik schmiegt sich derweil auch ganz atmosphärisch ans Geschehen, indem Angel alsbald an zu schnüffeln fängt.
Das Interieur verbleibt ständig in einem schmutzigen, abgegriffenen, ungepflegten Zustand und die sich darin bewegenden Figuren aus einer anderen Welt: Verschlossen, aggressiv und unaufrichtig.

Rourke legt seine Figur irgendwo zwischen Bruce Willis und Michael Madsen an, ist ein sinnierender Berufszyniker und Verlierer, der sich von Beginn an überfordert fühlt und bereits nach der Befragung seines ersten Anhaltspunkts lieber wieder die Finger von der Sache lassen möchte, weil die erste übel zugerichtete Leiche nicht die letzte sein soll. Doch Cyphres aufgestockte Gage ermuntert ihn zum Weitermachen. Irgendwo im ihm steckt noch Funken von Moral, auch wenn er die, wie sein eigennütziges Verhältnis zur bei der New York Times angestellten Freundin beweist, gut versteckt. Er hat den Job angefangen, also bringt er ihn auch gewissenhaft und verbissen zuende.
Rourke als abgefuckter, pragmatischer und abgebrühter Detektiv macht auf seiner selbstzerstörerischen Mission übrigens richtig Spaß wie schon lange nicht mehr und nähert sich nach Verletzungen und schmerzhaften Begegnungen kontinuierlich dem Paradebeispiel eines schmuddeligen Schnüfflers ohne Fortune (die Hühner-Phobie sorgt immer wieder für Schmunzler), der von seinem Fall aber in seiner Obsession nicht mehr lassen kann.

Die Suche nach Johnny Favourite, unter anderem auch in Harlem, fördert mehr Fragen als Antworten an den Tag, Visionen drangsalieren ihn und alsbald bekommt er es auch noch mit Verfolgern und Okkult-Anhängern zu tun, die ihm ans Leder wollen, weil er zu neugierig ist. Für Angel, der sich quer durch die skurrilsten Figuren bohren muss, um überhaupt neue Anhaltspunkte zu finden, erfordert diese Mission körperlicher und geistiger Verschleiß, zumal dieser verzwickte Irrgarten, durch den er sich manövriert, noch Konfrontationen mit schwarzer Magie, okkulten Ritualen und einer Wahrsagerin bereit hält.

Der sich dahinter verbergende, im wahrsten Sinne des Wortes diabolische Spaß, den der einigermaßen aufmerksame Zuschauer recht flott auszumachen vermag, hat allerdings Robert De Niro, der bis Al Pacino in „The Devil’s Advocate“ einen der prickelndsten, genüsslichsten Höllenfürsten seiner Art gab. Die doppeldeutigen Dialoge zwischen ihm und Angel, die soviel mehr Bedeutung erkennen lassen, wenn man zwischen den Zeilen zu lesen beginnt und die Worte in einem ganz anderen Kontext (der Eier-Dialog) setzt, machen nicht nur ihm, sondern auch dem wissenden, grinsenden Zuschauer richtig Spaß.

Angels Nachforschungen verlaufen derweil zwar leicht repetiv, sind allerdings in nahezu jeder Situation mit Symbolik beladen, so das man als Zuschauer gar nicht der Versuchung wiederstehen kann, selbst einmal den Grips anzustrengen und sich Gedanken zu machen, wo Johnny Favorite sich denn nun eigentlich aufhält.
Angel tappt in dieser Beziehung jedenfalls unwissend und verstört bis in die letzten Minuten des Films. Seine Ermittlungen führten letztlich dazu, dass er in einigen blutigen Mordfällen als Hauptverdächtiger gilt, da hinter ihm scheinbar jemand rigoros aufräumt und er sich mit einer undurchschaubaren Voodoo-Priesterin (Lisa Bonet abseits der „The Cosby Show“ per Brechstange mit einem Imagewechsel, worauf ihr Bill Cosby ihr den Ausstieg nahe legte) einlässt.

Über allem kreist ständig Alan Parker, der mit unendlich viel Auge fürs Detail sein Publikum anschmiert und es gleichzeitig auf eine spannende, verwirrende Filmtour mitschickt, in der selbst zum Schluss nicht alles erklärt wird, die aber zu den besten seiner Art gehört, zumal die Achtziger für intelligente Horrorthriller eher weniger berühmt waren.
Parkers Bilderstil (erneut mit „Midnight Express“ – Kameramann Michael Seresin) bleibt in jeder Einstellung dreckig, unwirklich und wenig einladend fernab einer gesunden Welt. Ein leichte, nihilistisch-apokalyptische Grundierung ist „Angel Heart“ ab der ersten Einstellung nie abzusprechen.
Bis zum Schluss hat er seinen diebischen Spaß daran, mit dem Zuschauer zu spielen, ihm die Lösung vor der Nase herumbaumeln zu lassen, mal aufdringlich und dann subtiler mit Symbolen zu hantieren, wieder mit effektiven Schocks für Aufmerksamkeit zu sorgen und ihm dann mit aller Konsequenz die Antwort vor den Latz zu knallen.


Fazit:
Faszinierend-kribbeliger, religiöser Horrortrip von einem besonnen erzählenden Regisseur, der einst Filmgeschichte schrieb und erneut ein kleines Meisterwerk ablieferte, das von seiner beklemmenden, unheimlichen Atmosphäre und der cleveren Geschichte lebt. Hier ist man am besten bedient, wenn man von vorn herein so wenig wie möglich über den Film weiß. „Angel Heart“ glänzt darüber hinaus mit zwei tollen Hauptdarstellern, der eindrucksvollen, düsteren Bildsprache, amüsanten Kommentaren und vielen skurrilen Nebenfiguren. Mit Leib und Seele umgesetztes Prachtstück auf hohem Niveau.

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