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Angesichts der vielen Filme, in denen Heinz Rühmann und Hans Albers ab den 30er Jahren bis zu Albers' Tod 1960 mitwirkten, überrascht es vordergründig, dass sie in dieser Zeit nur dreimal gemeinsam auftraten - früh in "Bomben auf Monte Carlo" (1931) und noch einmal 1954 in "Auf der Reeperbahn nachts um halb eins". Von diesen drei Filmen verfügt nur "Der Mann, der Sherlock Holmes war" über einen spannungsreichen Hintergrund, der sich sowohl auf die Qualität des Films positiv auswirkte, als auch begründete, warum es zu kaum einer weiteren Zusammenarbeit kam. Zum Entstehungszeitpunkt von "Bomben auf Monte Carlo" war die Rollenverteilung noch eindeutig - Hans Albers war schon ein großer Filmstar, während Heinz Rühmann noch am Beginn seiner Karriere stand - und der Dreh zu "Auf der Reeperbahn nachts um halb eins" basierte Mitte der 50er Jahre auf dem Konsens beider Mimen, wieder an alte Erfolge anknüpfen zu wollen, womit ein Patt zwischen ihren Rollen entstand.

"Der Mann, der Sherlock Holmes war" wurde dagegen zu beider Hochphase als große Filmstars gedreht, weshalb die nachvollziehbare Besetzung - Hans Albers als selbstbewusst auftretender, jede Situation beherrschender Sherlock Holmes, Heinz Rühmann als vorsichtiger, den Meister loyal unterstützender Dr. Watson - automatisch Konfliktpotential beinhaltete. Ein ähnliches Gleichgewicht bestand auch hinter der Kamera, denn Regisseur und Autor Karl Hartl war ein Spezialist für dramatische und fantastische Filme, in denen Hans Albers schon zweimal die Hauptrolle gespielt hatte ("F.P.1 antwortet nicht" (1932) und "Gold" (1934)), während Co-Autor Robert A. Stemmle komödiantische Stoffe bevorzugte und unter anderen für die Rühmann-Filme "So ein Flegel" (1934) und "Heinz im Mond" (1936) verantwortlich war. Im Nachhinein lässt sich diese Konstellation - so schwierig sie in der Praxis gewesen sein mag - nur als Glücksfall betrachten, denn sie verband nicht nur geschickt Kriminalfilm mit Komödie, sondern nahm den jeweiligen Charakter-Typen der beiden Stars, dank deren gegensätzlichen Spiels, ihre sonst übliche Einseitigkeit.

Zudem entzogen sich Hartl und Stemmle vollständig dem nationalsozialistischen Gedankengut, indem sie schon bei der ersten Einblendung deutlich werden ließen, welche Vorbilder sie für ihren Film nahmen - die fantasievollen, reich bebilderten Romanhefte über die Abenteuer von Sherlock Holmes und Dr. Watson. Zwar ist die Handlung zur Zeit der Weltausstellung in Paris 1937 angesiedelt, aber darüber hinaus hält sich der Film nicht lange mit Realitäten auf. Munter mischt er die Nationalitäten, ohne auf Sprachbarrieren oder Stereotypen zu achten. Im Gegenteil agieren Albers und Rühmann auch als britische Bürger wie gewohnt und die Pariser Behörde wirkt in ihrer Unfähigkeit und ihrem Hierarchiedenken wie eine Parodie auf das deutsche Beamtentum. Besonders mit der einzig eindeutig deutschen Figur Erwin Wutzke (Lothar Geist), ein naseweiser Junge aus Berlin, der zu Fuß zur Pariser Weltausstellung gegangen ist und natürlich sofort als Einziger sieht, dass es sich bei den seltenen Mauritius-Marken um Fälschungen handelt - schließlich besitzt er eine eigene Briefmarkensammlung - gelang eine äußerst witzige Persiflage auf nervige Besserwisser.

Entsprechend ungebremst entfaltet sich ein Geschehen, dass quasi ohne Vorgeschichte auskommt. Gleich zu Beginn stoppen Albers und Rühmann auf den Gleisen stehend den Zug Richtung Paris, um als Sherlock Holmes und Dr. Watson die Verbrecher in Angst und Schrecken zu versetzen. Tatsächlich handelt es sich bei ihnen um die beiden englischen Detektive Morris Flint (Hans Albers) und Macky McPherson (Heinz Rühmann), die sich nur rollengerecht verkleidet haben, aber das Spiel mit der doppelten Identität besitzt hier noch mehr Ebenen. Einerseits agieren Albers und Rühmann als Hochstapler in gewohnter Form - der Eine ohne Rücksicht auf Verluste, der Andere schüchtern und schuldbewusst, was sich wunderbar in dem stimmig integrierten Badezimmer-Duett "Jawoll, meine Herr'n!" verbindet - andererseits nehmen sie ihre Rollen als Holmes und Watson ernst, woraus sich ein klassischer Kriminalfall entwickelt, um am Ende in einer absurden Gerichtsszene zu enden, in der auch Sherlock Holmes-Erfinder Arthur Conan Doyle (Paul Bildt) eine wichtige Rolle spielt.

Bei "Der Mann, der Sherlock Holmes war" gelang das seltene Kunststück, die Qualitäten zweier unterschiedlicher Hauptdarsteller und Filmstars kongenial zu einem Geschehen zu verbinden, dass dank seines Tempos, seiner Einfälle und witzigen Dialoge, sowie der lässigen filmischen Umsetzung bis heute nichts von seinem unterhaltenden Charakter verloren hat. Selbst die beiden braven Schwestern Mary (Marieluise Claudius) und Jane Berry (Hansi Knoteck), die als gleichwertig besetztes Love-Interest für die beiden Protagonisten eher blass blieben - im Gegensatz zur mondänen Madame Ganymare (Hilde Weissner), die als selbstbewusst auftretende Frau nur zur Verbrecherbande gehören konnte - können den guten Gesamteindruck eines Films nicht schwächen, der für seine Entstehungszeit, aber auch im Gesamtwerk der beiden Filmstars Heinz Rühmann und Hans Albers einen hohen Stellenwert einnimmt. (8/10)

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