Nach „Jill Rips“ stand für Anthony Hickox wieder Gutmachung an, hatte er seinen guten Ruf mit diesem missglückten Lundgren-Vehikel doch erst einmal gründlich ramponiert.
Bevor er mit „Blast!“ und „Submerged“ unter B-Action-Fans wieder abgefeiert wurde, musste er sich mit soliden B-Produktionen wieder mühselig nach oben arbeiten und kooperierte gleich dreimal mit Armand Assante („1492: Conquest of Paradise“, „Judge Dredd“), für den es zum Durchbruch in Hollywood nie gereicht hat und der sich auch deswegen regelmäßig in B-Gefilden wiederfindet.
Schuldig bleibt Hickox, rein von seiner Inszenierung her, auch seinen Anhängern dieses mal nichts. Schade, dass dies wohl Major-Studios anders sehen, denn eine Chance für ein größeres Projekt hätte er allemal verdient. Seine Filme trotz beschränkter Mittel nach was aussehen zu lassen, gelingt den wenigsten Regisseuren in diesem Metier.
„Last Run“ liefert dann auch gleich zum Auftakt was der Fan sehen will und verpackt das sonst so unattraktive, ungeliebte Ostblock-Szenario gleich in eine sehenswerte Rettungsmission während des Kalten Kriegs mit stylishen Shootouts, Zeitlupenästhetik und coolem Posing, als U.S. – Agent Frank Banner (Assante), verkleidet als Obdachloser, mit seiner Einheit erst die unübersichtliche Lage sondiert und dann den verängstigten Überläufer aus seiner Wohnung holt, worauf sogleich einige Gegner auf den Plan treten, die fix das Zeitliche segnen. Nur den feigen Sniper übersieht man, die Mission scheitert und Frank quittiert den Dienst.
Erst Jahre nach dem Fall des Eisernen Vorhangs will ein alter Freund und Kollege ihn wieder anwerben, wird bei ihrem Zusammentreffen aber aus dem Hinterhalt erschossen, weswegen Frank die Sache persönlich nimmt und einen Auftrag annimmt, den er erst einmal mit seinem Gewissen in Einklang bringen muss. Ausgerechnet Andrus Bukarin (Jürgen Prochnow, „Das Boot“, „Beverly Hills Cop II“), ehemals sein ärgster Widersacher beim KGB, soll er in Sicherheit und außer Landes bringen. Also rekrutiert er eine Crew (u.a. Ornella Muti) alter Bekannter und nimmt den Auftrag an.
Die Geschichte, die entfernt an klassische Agentenstorys erinnert, die bis zu „Ronin“ reichen und die Hickox auch selbst schrieb, ist rein vom Ausgangsszenario wirklich nicht schlecht und sehr zweckmäßig angelegt. Die Flucht bis nach Westeuropa bietet viel Lokalkolorit und die regelmäßigen Actionszenen, mit einigen wirklichen famosen Stunts (u.a. der Sprung auf ein fahrendes Motorboot) stellen den Genrefan bedingungslos zufrieden, aber mit zunehmender Laufzeit verkompliziert sich die Angelegenheit überflüssigerweise nach genreüblichen Strukturen (u.a. das Aufsuchen und die Zusammenstellung des Teams) und verstrickt sich zusehends in Vermutungen, wer sich ihnen nun an die Fersen heftet, was für Motivationen sich dahinter verbergen und was Bukarin alles weiß.
Frank siniert derweil über überholte Feindbilder und der im Hintergrund operierende amerikanische Geheimdienst schaltet sich dank Jon Neely (Corey Johnson, „Do Not Disturb“, „Hellboy“) unnötig regelmäßig dazwischen, was den Film leider ein ums andere Mal ausbremst. B-Movies, das sollte Hickox eigentlich besser wissen, sollte man mit Bedacht kompliziert erzählen und lieber eine Spur simpler ablaufen lassen, weil das Zuschauerinteresse sonst merklich schwindet. Die brisanten Dimensionen, die der Film zum Schluss dann letztlich annimmt, hätte er eigentlich gar nicht nötig.
Nichtsdestotrotz gibt es ansonsten viel zu sehen, was den Genrefan begeistert wird. Ein paar Verfolgungsjagden sind allerliebst umgesetzt, die Attacke auf dem Flussdampfer gleich anfangs sorgt genauso für Begeisterung, wie Franks Kampf gegen den Sniper auf dem Friedhof, der im übrigen richtig schick umgesetzt wurde und über einen halsbrecherischen Motorradstunt verfügt. Später werden auf der Flucht auch Verluste in den eigenen Reihen hingenommen, greifen Froschmänner still und heimlich ein Hausfloß an oder setzt der geheimnisvolle Sniper zum Blattschuss an, bevor auf dem Dach in luftigen Höhen dann Frank mit Feuerschutz einer Bazooka (Etwas over the top, aber nett anzusehen...) denn Rest besorgt.
„Last Run“ ist aufgrund Hickox toller Inszenierung, die einmal mehr aufzeigt, was im Genre so alles geht, wenn man wen mit Talent auf den Regiestuhl lässt, wirklich sehenswert, verfügt über eine relativ virtuose Kameraarbeit (Immer gemessen an den Voraussetzungen!) von Michael G. Wojciechowski („Drive“, „Candyman: Day of the Dead“) und garantiert in den abwechslungsreichen Actionszenen stets für Qualität.
Aber was hilft es, wenn das schleppende Drehbuch da nicht mitspielt und es alles komplizierter erklärt, als es eigentlich ist, manchmal zu rigide im Umgang mit seinen Akteuren ist und einfach keine guten Ideen parat hat, die Flucht nach Deutschland zu einem kniffligen Ende zu führen. Diese ganzen Mutmaßungen, die involvierten Personen, die Rolle des U.S. – Geheimdienstes und das Rätseln um die im Dunkeln bleibenden Hintergrundfiguren kosten „Last Run“ leider viele Sympathien.
Die vielen bekannten Gesichter schlagen sich vor der Kamera währenddessen glanzlos, aber solide, wobei Namen wie Prochnow, Mutti und Assante ohnehin für eine gewisse Qualität bürgen, die man nicht immer in einem B-Movie antrifft. Nur Assante hätte ich mir in seinen kritischen, bisweilen intelligenten Monologen etwas ausgebrannter gewünscht.
Fazit:
Anthony Hickox Regie ist mal wieder vom Feinsten. Die Flucht durch Osteuropa bis nach Deutschland glänzt mit realen, authentischen Kulissen und die tolle Action, meist bestehend aus die Umgebung zerberstende Shootouts und Blechschaden fordernden Verfolgungsjagden, werden jeden Genrefan begeistern, doch die bekannten Darsteller werden leider etwas verschenkt und die leider nicht ständig thrillende, aber bisweilen immerhin spannende Geschichte will eigentlich mehr als nötig war. Ich wage mal zu behaupten, dass eine Straffung des Plots und damit die Streichung von Nebenfiguren dem Film zuträglich gewesen wäre. Schade, dass das Drehbuch den Film so oft aus dem Tritt kommen lässt, wo ringsherum die Klasse doch stets deutlich sichtbar ist. Na ja, er sollte ja in den Folgejahren wieder zu alter Stärke zurückfinden.