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Oscar ist ein kleiner Dealer und Drogenabhängiger, irgendwo im großen Tokio. Seine Schwester Linda arbeitet als Go-Go-Tänzerin und hat ein Verhältnis mit ihrem Chef. Die beiden verbindet ein schicksalhaftes Band: Als Kinder haben sie bei einem schrecklichen Verkehrsunfall ihre Eltern verloren. Sie schworen sich gegenseitig, sich niemals alleine zu lassen. Doch jetzt wird Oscar bei einer Razzia von der Polizei erschossen, sein Geist allerdings weigert sich die Erde zu verlassen und schwebt durch Tokio. Er besucht seinen Freund Alex, der Angst hat vor der Polizei, und Wohnung und Halt verloren hat. Victor, der ihn verraten hat, mit dessen Mutter Oscar ein Verhältnis hatte, und dessen Familie an den Geschehnissen zerbricht. Seine Schwester, die ihren Job verliert und Gefahr läuft im Nachtleben von Tokio aufgerieben zu werden. Er sieht die Bilder seiner Kindheit, sieht die Ereignisse die zu seinem Tod führten, und irgendwann sucht er sich ein neues Leben aus. Ganz nah bei seiner geliebten Schwester.

Ein Drogenrausch aus Bildern und Tönen. Ein Trip aus Farben und Geräuschen. Eine Reise in die Welten der Toten und der Lebenden. An die Stelle, an der sich die beiden Welten treffen, so wie es im Tibetanischen Totenbuch beschrieben wird. Aber auch eine Reise durch einen urbanen Moloch, wie man ihn sich in Mitteleuropa kaum vorstellen kann. Ein Moloch der Menschen frisst und ausspuckt wie unsereins Kernobst.

Schauspielerische Leistungen treffen auf technische Raffinessen, und eigentlich ist ENTER THE VOID ein Film zum Zurücklehnen, Chillen und zum sich Berauschen lassen. Wenn da nicht der klitzekleine Umstand wäre, dass der Film ganz einfach eine Stunde zu lang geraten ist. Das Stilmittel des astralen Fluges über Tokio und durch Wände und Dächer hindurch läuft sich irgendwann tot, und gerade die letzte Stunde lässt auch narrativ eine offensichtliche Richtung vermissen. Wir wissen nicht was Oscar eigentlich noch sucht, und bis wir es erfahren (nämlich in der letzten Viertelstunde) vergeht einfach zu viel Zeit in der nichts passiert. Zeit, in welcher der Zuschauer Muße hat über das Nachzudenken, was er bisher gesehen hat. Was er morgen tun möchte. Was mit dem Job/der Verlobten/der Geliebten/oder allem gleichzeitig passieren soll. Zwar hat es immer wieder eingestreute Schockeffekte: Oscars Tod, vor allem aber der Unfall der Eltern, setzen deutliche Marken im Film und fesseln, wenn das eigene Bewusstsein mal wieder auf Reisen geht. Aber letzten Endes lässt sich der Zuschauer genauso treiben  wie Oscar beim Rauchen des DMT. Man sieht bunte Fraktale und man kann sie zusammensetzen. Oder auch nicht. Oscar fliegt, und der Zuschauer fliegt mit ihm. Ob das reicht, das muss jeder für sich beurteilen. Mir persönlich war es etwas zu wenig, aber das bezieht sich wie gesagt nur auf die letzte Stunde.

ENTER THE VOID ist eine sinnliche Erfahrung, die via Film eher etwas Seltenes und Kostbares ist. Die ersten anderthalb Stunden haben mich gebannt und entspannt gleichzeitig. Aber Sitzfleisch und Aufgeschlossenheit gegenüber anderen Darstellungsformen müssen halt mitgebracht werden. Im Vorspann(?) werden irgendwann Coil und Throbbing Gristle erwähnt, und das sind eigentlich passende Vergleiche: Musik die weiter reicht als die nächsten 5 Minuten. Die aber auch grundlegend anders ist in ihrer Struktur. Betrete die Leere, und staune was sie alles enthält …

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