Bevor der deutsche Regisseur Ralf Huettner mit Helge Schneider für „Texas – Doc Snyder hält die Welt in Atem“ und Tom Gerhardt für „Voll Normaaal“ zusammenarbeitete und sich damit als Komödienmacher empfahl, drehte er 1992 mit „Babylon – Im Bett mit dem Teufel“ einen der wenigen deutschen (S)Exploitation-Filme des Jahrzehnts, genauer: einen verstörenden, intelligenten Horrorfilm.
Krankenschwester Maria (Natja Brunckhorst, „Christiane F. – Wir Kinder vom Bahnhof Zoo“) lernt den schmierigen Vertreter und Betrüger Lothar (Dominic Raacke, „Der Papagei“) kennen und lässt sich auf ein Schäferstündchen mit ihm ein. Da das Kondom reißt, wird sie schwanger. Lothar indes vögelt sich weiter durch die Stadt und macht auch vor Marias Bekanntenkreis nicht halt. Als Maria starke Unterleibsschmerzen bekommt und das Kind schließlich abtreibt, verdichten sich die Anzeichen, dass Lothars Samen nicht ganz normal ist...
„Babylon – Im Bett mit dem Teufel“ geizt nicht mit nackter Haut attraktiver Damen, ist dabei jedoch ein richtiggehender Anti-Sex-Film. Erotische Stimmung kommt kaum auf, wenn man zusieht, wie naive Frauen dem hochgradig unsympathischen Lothar gleich reihenweise verfallen und damit am Beginn eines bitteren Leidensweges stehen. Huettners Film visualisiert auf bisweilen fast surreale Weise tief sitzende feminine Ängste vor sexuell übertragbaren Krankheiten und vor allem ungewollten, schmerzhaften Schwangerschaften, davor, dass es etwas ganz und gar Unerwünschtes parasitär in ihnen heranwächst. Für diese Metaphern bedient man sich der exploitativen Zurschaustellung zwischenmenschlicher Balzrituale, schneller Sexnummern und blutiger Splatter/Gore-Einlagen, eingebettet in eine alp- und fiebertraumhafte Atmosphäre, eine unwirtliche Stimmung von Benutzen und Benutztwerden, die Sexualität als perverse Entartung bzw. Ventil gestörter Egos darstellt und stattfinden lässt zwischen unheilbar kranken Tumorpatienten, menschlichen Tragödien, der Ausweglosigkeit des von unerfüllter Hoffnung und Begierde, Krankheit, Verlust und Tod gezeichneten Daseins.
Verlassen kann sich Huettner dafür auf seinen männlichen Hauptdarsteller Dominic Raacke, der seinen Lothar voller Inbrunst und in aller Konsequenz spielt. Zwar erfüllt dieser locker sämtliche Klischees eines in Chamäleonmanier wandlungsfähigen, aalglatten Arschlochs, was ihm jedoch zu einer starken, bösartigen Aura verhilft, die einen das Publikum emotional ansprechenden Kontrastpunkt innerhalb der Handlung setzt. Ihm gegenüber steht die gutmütige, aber etwas vereinsamte Maria, grazil und fragil gespielt von Natja Brunckhorst, die einen wesentlich ambivalenteren Charakter glaubwürdig darstellt und mit ihren Fehlern und ihrem Leichtsinn glücklicherweise nicht zur ebenfalls aalglatten Heldin taugt, sondern mit ihrer natürlichen Ausstrahlung und eigenwilligen Schönheit zur Identifikationsfigur des Zuschauers wird, der gern seine schützende Hand über sie halten würde. Wie es sich für einen zünftigen Film der eingangs beschriebenen Gattung gehört, ist das vermittelte Frauenbild wenig politisch korrekt aus feministischer Sicht, jedoch sicherlich nicht allzu weit entfernt von der Realität zumindest der gezeigten Charaktertypen innerhalb ihres Umfelds, dabei natürlich zu Veranschaulichungs- und Aufmerksamkeitserhaschungszwecken kräftig überzeichnet worden. Letztlich ist es Anklage des männlichen Chauvinismus in seiner ekelerregenden Form und der weiblichen Herausforderung desselben zugleich und überraschend sensibel in der Auseinandersetzung mit Marias Seelenleben, die stellvertretend für zumindest zu einem gewissen Teil selbstverschuldete Opfer steht, die nach einem unüberlegten Fehltritt anatomisch bedingt lange Zeit mit den Folgen zu kämpfen haben.
Obgleich sich „Babylon – Im Bett mit dem Teufel“ als deftiger Genrefilm präsentiert, ist er doch eigenständig und originell genug, um keinesfalls als Versuch eines Abklatsches ausländischer Vorbilder durchzugehen oder nur aufgrund seiner Schauwerte wie die einer freizügigen Veronica Ferres, bevor sie zur TV-Film-Spießerin wurde, in Erinnerung zu bleiben. Huettner erzählt seine Geschichte spannend, aufwühlend, überraschend und erschreckend, nicht immer ganz pointiert, aber stets handwerklich sauber, zeitweise künstlerisch bestrebt und immer neugierig auf die nächste Szene machend. Das halboffene Ende macht es leicht, die Intention des Autors zu erahnen und bringt den Film zu einem soliden*, den Zuschauer kurz aufatmen lassenden Abschluss, jedoch nicht, ohne ihm Gedankenspiele mit auf den Weg zu geben. Dieses schöne Beispiel einer ambitionierten, mutigen deutschen Genreproduktion, in der Larry Cohen auf David Cronenberg auf Lars von Trier zu treffen scheint, wiederzuentdecken, lohnt sich in jedem Falle. Nur Lust auf Sex wird man danach vermutlich erst einmal nicht mehr haben. Oder etwa doch, und sei es nur zum Trotz?
*) Achtung, Spoiler! Die eigenartige „Wiedergeburt per Besteigung einer Müllhalde“ habe ich als Ausweg aus Marias Alptraum interpretiert; "solide" deshalb weil es eine nicht sonderlich spektakuläre, aber in Ordnung gehende Möglichkeit ist, das Vorausgegangene halbwegs "logisch" zu erklären und damit eben zu verdeutlichen, dass es sich um Marias visualisierte, tiefe Ängste handelte und dabei dennoch offen lässt, wie sich ihr weiteres Leben entwickeln wird.