Review

„,Bitte‘ muss ich nachschlagen… Ah, hier! Abgelehnt!“ (Richter Ray hat gesprochen)

Das Regie-Debüt des US-Amerikaners Gary Winick („30 über Nacht“), der seine Karriere mit Thrillern begann und später ins Komödienfach wechselte, stammt aus dem Jahre 1989 und ist ein fieser, kleiner Lowest-Budget-Thriller, der auf den Namen „Curfew“ hört.

Das wegen Mordes verurteilte Brüderpaar Ray (Wendell Wellman) und Bobby (John Putch) entkommt nach fünf Jahren aus dem Gefängnis. Bobby ist geistig zurückgeblieben, doch Ray ausgesprochen sadistisch veranlagt und so begeben sich die beiden auf eine Terrortour sondergleichen, um sich an denjenigen zu rächen, die sie hinter Gitter brachten…

„Curfew“ ist ein dreckiger, rauer Film in Grindhouse-Manier. Zwar sind die meisten Grausamkeiten nicht direkt zu sehen bzw. geschehen im Off, doch bezieht der Film seine Härte aus seiner unerbittlichen Stimmung, der Unberechenbarkeit zweier kaltblütiger Sozio- bzw. Psychopathen. Zugegeben, der Billig-Synthie-Soundtrack und die nicht sonderlich gut getricksten, arg durchschaubaren Spezialeffekte/Stunts tragen nicht gerade zur Entfaltung einer realistischen Atmosphäre bei, dafür hält die undurchsichtige Hintergrundgeschichte über weite Strecken das Interesse aufrecht. Der Prolog entpuppt sich als Traum Rays, während dieser noch in der Zelle schmort, und gibt dem Zuschauer letztlich nur wenige Informationen an die Hand. Wie sich die beiden aus dem Gefängnis befreit haben, wird auch nicht ganz deutlich. Erst nach etwas über der Hälfte erfährt man, was seinerzeit wirklich passiert ist, verdichten sich die Profile der Straftäter und bekommt die Handlung ihren Rahmen.

Im Laufe der Zeit wird auch die Musik besser, lässt sie passendere, spannungsgeladene Klänge ertönen. Nachdem sich das Duo von der Polizei völlig unbehelligt durch einige Adressen gemordet hat, beginnt im Hause des Staatsanwalts und seiner Familie eine Art Psycho-Kammerspiel, das dem Film gut tut, da es ihn erdet und gleichzeitig die Spannungsschraube kräftig andreht. Man fühlt sich erinnert an den einen oder anderen „Rape & Revenge“-Klassiker à la „Last House on the Left“ oder aus heutiger Sicht auch an Michael Hanekes „Funny Games“, wenn auch weit weniger intensiv. Gelegenheitsfilmschauspieler Wendell Wellman („Dirty Harry kommt zurück“) und der erfahrenere John Putch („Der Voltreffer“, auch selbst als Regisseur tätig) spielen die kreuzgefährlichen Brüder mit ausreichender Hingabe, andere darstellerische Leistungen sind leider stärkeren qualitativen Schwankungen ausgesetzt. Wie der Film ausgehen und wer in welchem Zustand überleben wird, ist nicht unbedingt vorauszuahnen, Empathie mit den Opfern bricht sich ebenso Bahn wie Abscheu für Ray und eine Art Mitleid für Bobby. Der Psycho-Terror regiert, Tochter Stephanie (Kyle Richards, „Halloween I+II“) versucht Einfühlungsvermögen und Intelligenz dagegenzusetzen.

Fraglich bleibt für mich, was „Curfew“ – falls überhaupt – über seinen reinen Thrill-Unterhaltungswert hinaus aussagen möchte. Sieht es anfänglich noch zeitweise nach der blutigen Rache eventuell einem Justizirrtum zum Opfer Gefallener aus, wird später deutlich, dass man es keinesfalls mit Unschuldigen zu tun hat. Zunächst unsympathische Rollen wie die der Eltern Stephanies und deren Umfeld, die in ihrer Kleinstadt-Vorgarten-Spießer-Mentalität die jugendliche Tochter drangsalieren, werden später zu Sympathieträgern, Spielte man hier vorsätzlich mit der Erwartungshaltung des Zuschauers bzw. mit den Mechanismen solcher Filme? Bisweilen wirkt „Curfew“ dann doch so handwerklich unzureichend, dass man schnell geneigt ist, ihm jeglichen tiefergreifenden Anspruch abzusprechen. Mir jedoch drängt sich der Eindruck eines die Gewalt- und Terrorspirale aufzeigenden, desillusorischen „Rape & Revenge“-Rip-Offs auf, der lange Zeit bewusst mit so wenig eindeutigen Sympathieträgern wie möglich arbeitet, dabei unbeabsichtigt mal plumper und mal wirrer als seine Vorbilder vorgeht, letztlich jedoch sehr ähnlich an archaische Überlebens- und Racheinstinkte appelliert und die Justiz aus den Gerichtssälen in den geschändeten, entweihten Privatbereich der ehemaligen heilen Welt verlagert – beginnend mit den fingierten Gerichtsverhandlungen, zu denen Ray und Bobby ihre Opfer zwingen und endend mit... Nein, das verrate ich natürlich nicht.

Wer auch heute noch derartigen Thrillern aus der B-Reihe etwas abgewinnen kann, kann bei „Curfew“ gern einen Blick riskieren. Ähnlich gut gealtert wie die Klassiker des Genres ist er aber nicht, wirkt bisweilen recht befremdlich und dürfte durch das Heraufbeschwören lebensbedrohlicher, eiskalter Stimmung bei gleichzeitigem „Verstecken“ vieler seiner körperlichen Gewaltspitzen gerade für eine jüngere Generation, die durch ganz anderen Schock-Filme sozialisiert wurde, inkonsequent und damit uninteressant wirken. Ich persönlich empfand diesen Endachtziger-Ausflug als sehenswert und packend und habe dem Film all seine Schwächen größtenteils verziehen – wenn es auch nicht immer leicht fiel.

Details
Ähnliche Filme