Review

Nach den schrecklichen Ereignissen des ersten Teils gelingt Sarah schwer traumatisiert und ohne Erinnerungen an die vergangenen Tage die Flucht aus dem unterirdischen Höhlenlabyrinth. Während von ihren Freundinnen in den folgenden Tagen trotz groß angelegter Suchaktionen nach wie vor jede Spur fehlt, erntet Sarah das offene Misstrauen des örtlichen Sheriffs Vaines, der sie aufgrund ihres labilen Geisteszustandes als Täterin nicht ausschließen kann. Aus diesem Grund wird die junge Frau von dem skeptischen Gesetzeshüter unter Druck gesetzt, ihn bei einer eigens zusammengestellten Rettungsaktion zu begleiten, da sich ihre möglicherweise zurückkehrenden Erinnerungen als entscheidende Hinweise auf den Verbleib ihrer Freundinnen erweisen könnten. Von Vaines, Deputy Rios sowie den drei Kletterspezialisten Cath, Dan und Greg begleitet, steigt Sarah somit abermals in die dunklen Tiefen und damit direkts ins Verderben hinab. Als sie sich nach und nach wieder an die grauenvollen Ereignisse ihrer ersten Expedition erinnern kann, ist es jedoch längst zu spät. Durch eine herabstürzende Steinlawine voneinander getrennt, macht die Gruppe alsbald die unfreiwillige Bekanntschaft mit den fleischfressenden Monstern, denen sie in der Dunkelheit hilflos ausgeliefert zu sein scheint...


Mit dem klaustrophobischen Horrorthriller The Descent sorgte ein gewisser Neil Marshall (Doomsday) im Jahr 2005 für reichlich Furore, indem er aus dem zugkräftigen Setting eines unterirdischen, von abstoßenden Monstrositäten bevölkerten Höhlenkomplexes eine ganze Reihe nervenaufreibender Ideen herauskitzelte. Der hochspannende, beklemmende und auch blutige Schocker mauserte sich vom eifrig herumgesprochenen Geheimtipp schnell zum Horror-Überflieger des Jahres, der von vielen Kritikern auch heute noch wie selbstverständlich zu den sehenswertesten Genrebeiträge des vergangenen Jahrzehnts gezählt wird. Bei derartigen Voraussetzungen stand den Gesetzmäßigkeiten des Marktes zufolge demnach nicht die Frage ob, sondern wann die Fortsetzung zu The Descent an den Start gehen würde, im Raum. 4 Jahre sollte es letztendlich dauern, bis die schlicht und einfach The Descent 2 titulierte Fortsetzung nach einigen Umbesetzungen hinter den Kulissen schließlich vollendet war. So räumte Neil Marshall den Regiestuhl für den zweiten Abstieg in dunkle Tiefen dem Newcomer Jon Harris, welcher sich beim ersten Teil für das Editing verantwortlich zeichnete, und übernahm derweil selbst die Rolle des Produzenten. Während die Fans des schweißtreibenden Originals in dieser Hinsicht also noch beruhigt sein durften, so sorgte spätestens die Ankündigung, dass es The Descent 2 trotz eines aufgestockten Budgets nicht in die Kinos schaffen würde, für einen ersten Dämpfer. Vermutlich hätte man bereits diesen Umstand als intuitives Warnsignal deuten sollen, denn letztendlich bleibt die langerwartete Fortsetzung leider in allen Belangen hinter ihren Möglichkeiten zurück und geht als halbgarer Aufguss des Originals lieber auf Nummer sicher, statt dem Zuschauer nennenswert Neues zu bieten.

Dass es eine Fortsetzung zu Marshall's ebenso düsterer wie intelligenter Monsterhatz schwer haben würde, das wurde spätestens an dem kompromisslosen Ende ersichtlich, welches von The Descent 2 gleich zu Beginn erwartungsgemäß ad absurdum geführt wird. Sarah ist die Flucht aus dem Höhlenlabyrinth nun allem Anschein nach doch gelungen, doch damit ist der Albtraum für sie noch lange nicht vorbei. Entgegen jeder Logik wird die vollkommen traumatisierte und kaum zu einem klaren Gedanken mehr fähige Überlebende des ersten Massakers von einem ignoranten und übereifrigen Sheriff selbst des Mordes an ihren Freundinnen verdächtigt, weshalb sie einem kurzerhand zusammengestellten Rettungstrupp als Zeichen des guten Willens erneut in die unterirdische Hölle folgen muss. Dies klingt dabei nicht nur in der Theorie äußerst abwegig und blödsinnig, sondern ist letzten Endes auch nicht mehr als ein Mittel zum Zweck, um die notdürftig zusammengeschusterte Story des Films ins Rollen zu bringen, die, wie sich bald herausstellen soll, im weiteren Verlauf onehin auf das Notwendigste reduziert wird. Zugegeben, bereits der Vorgänger wartete seinerzeit nicht mit der vielschichtigsten Handlung auf, doch während Marshall diese Tatsache damals mit durchweg sympathischen Charakteren noch bestens auszugleichen wusste, ist diesbezüglich im Sequel von Anfang an Hopfen und Malz verloren. Die Charaktere entpuppen sich als völlig belanglose Abziehbilder, die ihre platte Eindimensionalit darüber hinaus noch mit einer durchgehenden Rekordsumme an stumpfsinnigen Dialogen oder hirnrissigen Aktionen wieder wettzumachen suchen. Eine direkte Beleidigung des Zuschauers ist dabei beispielsweise die Figur des debilen Redneck-Sheriffs, dessen einzige Daseinsberechtigung im Film die Funktion zu sein scheint, Sarah und ihre Mitstreiter unablässig in Schwierigkeiten zu bringen.

Dies wäre hingegen zweifellos zu verzeihen, wenn sich The Descent 2 immerhin in punkto Spannung und Atmosphäre seinem Vorgänger ebenbürtig zeigen würde, doch auch hier hält Jon Harris die eine oder andere böse Überraschung für sein geprelltes Publikum parat. Während die Paranoia der Charaktere in The Descent durch allgegenwärtige Dunkelheit und ein Gefühl klaustrophobischer Orientierungslosigkeit noch perfide herausgearbeitet wurde, sucht man eine solche Stimmung im Sequel vergeblich. Die auffallend künstlich anmutende Höhlenszenerie des Films ist entgegen jeder Logik durchgehend viel zu hell ausgeleuchtet, was die Möglichkeit einer unheilvollen Stimmung oftmals schon im Keim erstickt und im Vergleich zum Erstling beinahe schon wie ein schlechter Scherz eines übereifrigen Beleuchtungsassistenten anmutet. In der Höhle, die darüber hinaus keinerlei Ähnlichkeit mit der Szenerie des ersten Teils aufweist, scheint eine Art natürliche Sonneneinstrahlung zu herrschen, welche auch die dezent an Gollum erinnernden, fleischfressenden Monster oftmals bis ins letzte Detail ausleuchtet. Damit verkommen die einstmals furchterregenden Monster nach kürzester Zeit zu unfreiwillig komischen Schießbudenfiguren, die in dieser Form lediglich bei Latexfetischisten noch zu Begeisterungsstürmen führen dürften.

Düster sieht es hingegen bei den Spannungselementen aus. Diesbezüglich wurden gleich komplette Szenen des ersten Teils plump variiert oder gar 1:1 übernommen, während sich die eigenen Ideen des Sequels problemlos an einer Hand abzählen lassen. Ein direkt in die Kamera springendes Monster ist dabei das höchste der Schock-Gefühle, das den Zuschauer innerhalb der 90-minütigen Laufzeit ereilen wird, alles andere wurde brav und fleißig aus dem Original abgekupfert, selbst der Score des ersten Teils findet sich hier beinahe durchgehend unverändert wieder. Sicherlich war eine hohe Erwartungshaltung des Publikums von vorneweg etabliert, doch mit einem bloßen Ripoff von Ideen, die bereits beim ersten Mal funktionierten, tut sich The Descent 2 letztendlich keinen Gefallen. Diese Schwächen waren den Verantwortlichen allem Anschein nach jedoch vollends bewusst, weshalb ein Mangel an eigenen Ideen und einem durchgehenden Spannungsbogen, der hier nur auf einzelne Szenen beschränkt entsteht, mit einer möglichst ausschweifenden Anzahl an blutigen Splattergelagen ausgeglichen werden soll. Zugegeben, wenn das Kunstblut dabei aus allen nur erdenklichen Wunden schießt und munter Köpfe zerdrückt oder Gliedmaße abgeschlagen werden, dann weiß dies beim geneigten Klientel durchaus für Stimmung zu sorgen, doch einen gewissen Hang zur Überzeichnung weiß die Brutalität dabei nicht zu verbergen und steht damit einmal mehr im direkten Gegensatz zum Vorgänger, in dem der Gewalt stets eine brachiale Rohheit innewohnte.

Gemessen an seiner Aufgabe als Sequel enttäuscht The Descent 2 somit auf ganzer Ebene. Lässt man die Vergleiche mit dem Vorgänger aber einmal beiseite und nimmt all die Defizite seiner Fortsetzung für bare Münze, dann wird einem hier zumindest noch ein recht kurzweiliges und technisch versiertes Splatterszenario geboten, das im Gesamten zwar keine Akzente zu setzen weiß und mit einem recht vorhersehbaren Drehbuch auch nicht über die Maßen fesselt, alles in allem aber recht gut unterhält. Womöglich lässt sich dann bei einer entsprechend gemäßigten Erwartungshaltung sogar über das hanebüchene Ende des Films hinwegsehen, das ansonsten ebenso wie der völlig überzogene Auftritt einer weiteren Überlebenden des Vorgängers für bloße Verzweiflung gesorgt hätte. Mit etwas Nachsicht lässt sich für The Descent 2 aber immerhin der Status als annehmbarer Edeltrash konstatieren, der zudem mit einer ordentlichen Besetzung aufwartet, die das Möglichste aus ihren oberflächlich gehaltenen Charakteren herausholt.

The Descent 2 ist weniger eine erhofft gute und konsequente Fortsetzung des ersten Teils, als vielmehr ein einfalls- und anspruchsloses Rip-Off ohne eigenen Charme, das seine durchgehende Ideenarmut mit einem fast schon übers Ziel hinausschießenden Gewalt- und Ekelfaktor wieder zu kompensieren versucht. Von Neil Marshall's klaustrophobischem und aussichtslosem Albtraum bleibt im zweiten Anlauf jedenfalls nicht mehr als gut gemeinter und schlecht gekonnter Edeltrash, der im Kern noch mit annehmbarer Unterhaltung aufwartet, einen Vergleich mit seinem viel zitierten Vorgänger aber in jeder Hinsicht verliert.


The Descent: Part 2
Großbritannien 2009, 90 Min.
Freigabe: Keine Jugendfreigabe
Regie: Jon Harris

Darsteller: Shauna Macdonald, Natalie Jackson Mendoza, Krysten Cummings, Gavan O'Herlihy, Joshua Dallas, Anna Skellern, Douglas Hodge, Doug Ballard, Robin Berry, MyAnna Buring, Axelle Carolyn, Josh Cole

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