“Oh, man, I can’t fuckin’ believe this! Another basement, another elevator... How can the same shit happen to the same guy twice?”
John McClane, Die Hard 2
Laut Oxford Dictionary ist ein Sequel “a book, film/movie, play etc. that continues the story of an earlier one”, also die Fortführung der Story des Vorgängerfilms. Die Betonung liegt auf “Fortführung der Story”, denn darin liegt der Gag: Wenn Hollywood-Studios ein Sequel anordnen, liegt ihnen nur wenig daran, die Story auszubauen; im Sinne des Kommerz gilt es, das Erfolgsgeheimnis des Vorgängerfilms zu wiederholen. Wiederholung statt Kontinuität, har har har, welch Ironie. Eine Ironie, welche die lexikalische Semantik des Titels “Sequel” vollkommen verdreht.
Filmfans haben nun aus genau diesem Grund die schlechte Angewohnheit, dem Sequel an sich mit Vorurteilen zu entgegnen. Gerade heutzutage ist das der Fall, und - wie man einlenkend sagen muss - oft nicht einmal ganz zu Unrecht. Die Fortsetzung eines erfolgreichen Filmes aber kategorisch abzulehnen, ist eine Unsitte. Warum? Nun, fragen Sie zum Beispiel mal Renny Harlin. Der bärige Finne hat es - auch wenn sein Können oftmals total unterschätzt wird - mehr oder weniger einer einzigen Auftragsarbeit zu verdanken, dass er die Kritiker mit Filmen wie “Die Piratenbraut”, “Deep Blue Sea”, “Driven” oder “Exorzist: Der Anfang” immer wieder aufs Neue zur Weißglut bringen darf. Und dieser Film - tadaaa - war ein Sequel. Genau genommen das zum ultimativen Actioner der Achtziger, zu John McTiernans brillantem “Stirb Langsam”.
Und auch John McClanes (Bruce Willis) zweite Auseinandersetzung mit einer Terroristengang tritt mal so richtig in den Arsch - actionmäßig, atmosphärisch und humoristisch. So viel vorweg. Hätte ein John McTiernan sein Rezept derart kongenial wiederholen können, ohne sich des Eigenplagiats schuldig zu machen oder in feingeistiger Kreativität unterzugehen? Ich denke nicht, was ja auch mit etwas Verspätung der zumindest noch gute dritte Teil bewies. Vermutlich bedurfte es eines Auftragsarbeiters, der kaum über einen eigenen Stil verfügt, aber über eine exotische Herkunft, die zum Flair des Films passt.
Yip, that’s Renny Harlin: Finne (Wie exotisch ist das denn bitte?), Bär mit langen, blonden Zottelhaaren (ob die Amis sowas oft zu sehen bekommen?), Inszenator des vierten “Nightmare”. Und, das Wichtigste: Ganz klar ein Handwerker, der gerannt kommt, wenn der Ausfluss verstopft ist, so wie der Calgon-Mann. Gerne wird er ja auch mal als “Studio-Hure” verhöhnt, aber grundsolide Arbeit brachte er bislang immer, sogar beim grottigen “Driven”... Formel 1-Fans dreht sich zwar der Magen um, aber die Rennszenen rocken - jedenfalls aus Sicht des Actionfans.
Mit diesem Yeti an Bord, konnte rückblickend nichts mehr schiefgehen. “Stirb Langsam 2" ist einer der wenigen Fälle geworden, in denen wirklich einfach nur schamlos kopiert wird aus der Vorlage, und trotzdem sind die Fans glücklich. Das Original ist heilig, aber das Sequel ist würdig, an seiner Rechten Platz zu nehmen. Fast schon symbolisch die Farbgebung der Special Edition-DVD-Covers: “Stirb Langsam 2" silbern, sein Vorgänger golden.
Was hat sich geändert? Eigentlich nur der Schauplatz; und dass es diesmal wirklich schneit und nicht nur die Weihnachtsmusik ertönt. Ansonsten, was das Konzept, die Darsteller und die Filmstruktur betrifft, haben Harlin und seine Wikinger einen Teufel getan, sich auch nur einen Millimeter von der Spur zu bewegen. Und wovon “Stirb Langsam 2" nun wirklich zehrt, das ist die Summe des Ganzen: Ein Konzept, das einstmals mit dem Nakatomi-Gebäude auf ein stark begrenztes Areal ausgerichtet war und nun auf einen riesigen Flughafen mit Tower und diversen kreisenden Flugzeugen angewendet wird. Kurz: Gleiches Konzept, aber viiiiel mehr Platz. Tja, und was soll man sagen? It works!
Zunächst erscheint das riesige Spielfeld für Cop-Rabauke McClane nämlich wie ein beabsichtigter Kontrast zum ersten Teil. Kopieren, schön und gut, aber ein erneutes Versteckspiel in einem Hochhaus wäre dann doch den berühmten Tick zu offensichtlich gewesen. Gehen wir also in die Vollen, machen Vollbremsung mit Kehrtwende und bemühen das andere Extrem: Agoraphobie anstatt Klaustrophobie. Der Effekt ist der Gleiche: Angst, Spannung, Nervenkitzel, Adrenalin. Nur sieht das Ganze inszenatorisch eben anders aus. Harlin zeigt riesige Areale, in deren schneeverwehter Mitte oft ein zwergengleicher McClane einsam und verlassen steht und den Bösewichten wie den Drehbuchautoren scheinbar gleichermaßen den Stinkefinger zeigt. Harlin, der Finnenmann, weiß, wie ein Schneegestöber aussehen muss, davon berichten Bild- und Tondokumente von den Dreharbeiten; Harlin, wie er felsenfest wie Schneewittchen in der Heide steht und die (Verzeihung) amerikanischen Pussys aus seiner Crew in Grund und Boden lacht. Ja, hier macht sich seine Herkunft bezahlt, denn Harlin schreckt auch nicht vor Detaillosigkeit zurück, um die Agoraphobie mit Hilfe eines riesigen, leeren Flugfeldes und Massen von Schnee, sonst nichts, zur Geltung zu bringen. Ich muss selbst zugeben, dass ich nach dem ersten Ansehen als vielleicht 12-jähriger Bub ziemlich enttäuscht war, weil die Bilder alle so dunkel, leer und nichtssagend waren. Zu schätzen wusste ich die Wirkung der Bilder erst mit der Zeit. “Stirb Langsam 2" ist kein visueller Overkill; er wächst erst mit der Zeit und braucht auch etwas Gewöhnung, was ihn wie schon den Vorgänger, im Gegensatz jedoch zum Nachfolger, zu einem Film werden lässt, den man wirklich immer und immer wieder sehen kann.
Und anstatt einen Teil der Ironie zu verlieren, die sich in “Stirb Langsam” noch durch das “Let it snow”-Intro im Kontrast mit den Orangetönen der Skyline von L.A. ergeben hatte, wird diese noch dadurch verstärkt, dass es jetzt tatsächlich beginnt, zu schneien. Der Effekt ist der wie bei einem Mann, dem vom Wind der Regenschirm weggeweht wird, bevor es dann tatsächlich anfängt zu regnen. Und das Männchen - wir reden hier natürlich von McClane - steht in der Suppe und beginnt, wie ein Irrer zu lachen - denn es kommt so viel Scheiße auf einen Haufen, dass man darauf einfach nicht anders reagieren kann als mit einem irren Lachen.
Auch gerade durch die Selbstironie kann man der Fortsetzung verzeihen, dass sie bei dem Original abkupfert. Das obige Zitat nimmt gekonnt die unwahrscheinliche Szenerie auf die Kippe, die im wahren Leben so überhaupt nicht zustandekommen würde, sondern einzig und allein durch den erzwungenen Sequel-Status für die Filmfigur zum Fakt wird. Des weiteren wird die Figur des John McClane, die in ihrer unwahrscheinlichen Einflussnahme auf die Neunziger zu einem Vorzeigekind der Achtziger geworden war, auf eben diesen Status hin analysiert: McClane erwähnt, dass seine Frau ihn immer wieder daran erinnern muss, dass sie nun in den Neunzigern leben.
Ansonsten spult Willis seine eingeschlagene Spur gekonnt wieder neu ab und lässt den Film alleine dadurch schon enorm an Substanz gewinnen. Willis ist als McClane einfach eine gnadenlos coole Megasau, daran konnte nicht einmal der dritte Teil etwas ändern, in dem er als versiffter Ex-Cop eingeführt wird. Seine meist sarkastischen oder zynischen Sprüche (“Eine Frage hätte ich noch: Worauf schlagen die Metalldetektoren bei Ihnen zuerst an? Auf die Scheiße im Hirn oder das Blei im Hintern?”) lassen ihn schlagfertig erscheinen, ohne dass er zwangsläufig zur sterilen One-Liner-Maschine wird. McClane ist wie im ersten Teil durchaus menschlich, er trägt diesmal einen dicken Wollpullover, um sich vor den äußeren Umständen zu schützen, anstatt übertriebenerweise nur des Kultfaktors wegen im Unterhemd mitten auf dem Frostfeld Flugbahn zu stehen.
Die aus dem ersten Teil liebgewonnenen Figuren sind größtenteils wieder dabei, bekleiden jedoch keine tragenden Funktionen mehr. Reginald Veljohnson kommt als Donut-futternder Cop nur mal kurz der Nostalgie wegen zum Einsatz, um ein Fax zu checken. Bonnie Bedelia, die wieder McClanes Frau spielt, sitzt des Spannungsfaktors wegen in einem der Flugzeuge, die über dem Feld kreisen und nicht landen können - für McClane eine persönliche Komponente und ein Grund, on the rampage zu gehen, aber Bedelias Charakter selbst hat nix richtiges zu tun, außer den bösen, bösen Reporter für sein unartiges Verhalten mit bösen Blicken und bösen Elektroschockern zu bestrafen - und die Stewardess applaudiert.
Neu hinzugekommen sind einige sinnvolle und weniger sinnvolle Charaktere. Als Plus ist definitiv Dennis Franz als Captain Carmine Lorenzo zu verzeichnen, zumindest im direkten Vergleich mit dem unglaublich dämlichen Charakter, den Paul Gleason im ersten Teil verkörpert. Zwar ist auch Cpt. Lorenzo kein Ausbund an Intelligenz, doch macht es hier zumindest Spaß, wenn er McClane ein Bein nach dem anderen stellt. Was den Verbündeten im Heizungskeller betrifft, muss man sich fragen, welchen Sinn das hat. Auf der ironischen Schiene funktioniert die Figur nicht, und ansonsten war es spannender und sogar witziger, McClane alleine durch die tiefsten Winkel robben zu sehen. Ganz dünn ist der Fernkampf zwischen den beiden Reportern. Während William Atherton als Richard Thornburg im Flugzeug zumindest Bonnie Bedelia auf ganz lustige Weise auf den Keks gehen darf und in seinem dummen Verhalten das ganze Flugzeug in Gefahr bringt, ist die Reporterin, die McClane auf der Spur ist, total verschenkt, genau wie ihre blöde Bemerkung am Ende von wegen “Nicht aufnehmen. Das ist Privatsache.”
Deutlich abfallend im Vergleich mit dem grandiosen Alan Rickman ist der als neuer Bad Guy abgeordnete William Sadler, der als sehniger Ersatz-Van Damme anfangs einen auf Martial Arts mit Arschzeigen macht, um später im Ultimate Final Battle mit McClane besonders bedrohlich zu wirken. Zwischendurch verpatzt Harlin es ein wenig, die mysteriöse Komponente des Anführers weiterzustricken, indem er ihm zu viel Screentime in vergleichsweise belanglosen Instruktions-Szenen zukommen lässt. Seine bösen Buben sind teilweise dann doch wieder ganz kultig und haben in ihren weißen Schneeanzügen fast schon was von Bond-Widersachern; vor allem Robert Patrick sieht man in seiner Prä-T2-Phase ganz gerne zu, wenn sich sein blütenweißes Arbeiterhemdchen durch ein Lüftungsgitter hindurch in blutigen Matsch verwandelt.
Apropos Matsch - da wird natürlich dem Genre entsprechend ordentlich draufgehauen. Auch der zweite Teil geizt nicht mit Brutalität, ohne wirklich in den Selbstzweck zu verfallen. Da werden mal Eiszapfen ins Auge gerammt, Kehlen durchgeschnitten, Körper durch Turbinen und Walzen gezogen und die angesprochenen weißen Westen beschmutzt. Ansonsten gibt es einige brontal geniale Actionsequenzen zu verzeichnen; sei es nun die Verfolgungsjagd auf den Snowmobiles, der Woo-ähnliche Schusswechsel mit den Weißmännern oder die Flugzeugexplosionen. Die Sache mit dem Schleudersitz ist dabei schon sehr hart an der Grenze zur Überzeichnung, da musste Harlin aufpassen, sich nicht zu weit aus dem Fenster zu lehnen. Zu meckern gibt’s da ansonsten aber nicht viel.
Und das Beste für den Schluss: Der Showdown. Meine Fresse, so eine übergeile Kombination von Bestrafung der Bösen mit Rettung der Guten in einer einzigen Aktion hatte ich bis dato noch nicht gesehen. Logik mal beiseite geschoben, das ist wirklich der absolute Brecher, der in seiner Inszenierung zwar nicht an das Finale im Nakatomi Plaza herankommt, von der Idee her aber so dermaßen Asskicker-Mentalität hat, dass man nach Gelingen des Coups auf seinem Fernsehsessel Party macht und in McClanes irres Gelächter mit einstimmt.
Fazit: Renny räumt den Magen auf. “Stirb Langsam 2" ist das Paradebeispiel dafür, wie man mit wenig Originalität eine sehr gute und immer wieder ansehbare Fortsetzung drehen kann. Mit ein bisschen Selbstironie war die Sache durch und der finnische Handwerker konnte seinen Plan abarbeiten, ohne dabei gegen die Genrefans zu werkeln. Der zweite McClane ist wieder ein gnadenloses Actionfeuerwerk geworden, dass sich diesmal weiten Plätzen und kalter Luft bedient, um Nervenkitzel zu erzeugen, anstatt von engen Plätzen und Mangel an Luft. Willis etabliert sich mit seinem augenzwinkernden Bad-Ass-Spiel über den Jahrzehntwechsel als ikonisches Action-Idol der Neuzeit und trägt seinen Teil bei zu einem Film, der jedem Gegner von Sequels den Mittelfinger zeigt - und ihn auslacht wie ein Irrer.