Der Antichrist
Gesehene Version: Kino, 3001 Hamburg
Inhalt:
Er (Willem Dafoe) und Sie (Charlotte Gainsbourg) haben in Ihrer Wohnung Sex. In der gleichen Zeit fällt das Kind der beiden aus dem Fenster und stirbt. Infolge dessen verfällt Sie in Depressionen. Da Er Psychotherapeut ist, beginnt er Sie selbst zu behandeln und beginnt eine Desensibilisierungstherapie. Er findet heraus, dass Sie die größte Angst vor dem Ort Eden hat. Deshalb wird hier die Therapie fortgesetzt. Die Patientin gerät, in 4 Kapiteln erzählt, in 4 Phasen der Krankheit. Er schafft es nicht das Therapeuten - Klienten-Verhältnis aufrechtzuerhalten. So entwickelt es sich, dass es um das überleben der eigenen Person geht.
Charakteristik:
In Slowmotion erlebt man den Akt der beiden Hauptdarsteller, sieht wie der Penis kraftvoll in die Vagina eintritt und die Eier mitschwingen. Zugleich schwebt ein Teddybär durch das Kinderzimmer, an einem Ballon gebunden. Der Lautstärkeregler des Babyphons schlägt bis zum Anschlag aus und das Kind springt aus dem Fenster, es schneite. Bis hierhin hört der Zuschauer keinen Text, nur "Händel", wunderschön, traurig. Der Anspruch an Kunst wird hier deutlich in den Bildern demonstriert. Die Frau verkommt vor Kummer, muss Medikamente schlucken. Doch Er, der Psychotherapeut ist, glaubt nicht an die Wissenschaft, fühlt sich aber allwissend und beantragt Sie zu entlassen. Er möchte Sie selbst therapieren. Zunächst einmal wählt der Regisseur Lars von Trier hier keine Namen für seine Hauptrollen, im Vergleich zum toten Kind "Nick". Dies könnte auf Adam und Eva und der Sündenfall zurückzuführen sein, da schließlich auch das Buch von Nietzsche eine Kritik am Christentum ist, in dem er behauptet, dass die Menschen von der katholischen Religion als Sünder bezeichnet werden und zudem der Liebesakt einzig der Zeugung der Kinder vorbehalten bleiben soll.
Er fragt "wovor hast Du am meisten Angst, sie antwortet ich weiß nicht, ich habe noch nicht darüber nachgedacht, Eden". Eden, eine von Wald umringte Hütte in die sie sich zurückzog um ein Buch "Genocide"[1] zu schreiben. Eden ist hier ein weiterer Hinweis für die Metapher des Paradieses mit der späteren Vertreibung aus dem Paradies. Dort wo Sie sich zuerst sehr wohl gefühlt hat, genau vor diesem Ort hat sie jetzt am meisten Angst. Er glaubt Sie müsse mit Ihrer Angst konfrontiert werden. Auf dem Weg zur Hütte: " Ich möchte, dass Du Dich ins Gras legst, Vertrau mir. Lege Dich ins Gras und schließe die Augen. Du musst die Angst aushalten um festzustellen, dass es keine Angst auslöst. Werde eins mit dem Gras." Bildlich verschwimmt Sie mit dem Garten Eden. Der Therapeut scheint ein Behavioristisches Weltbild zu haben. Er glaubt nicht an Handlungshintergründe, die von einem freien Willen selbstgesteuert werden. Er glaubt dass das Angstverhalten (äußere Umweltreize) von Ihr erlernt ist und Reflexartig emotionale Störungen auslöst. Mit Hilfe einer Desensibilisierungstherapie, also durch die Aufstellung einer Angstpyramide, dass er durch aushalten und Konfrontation mit der Angst, er diese Reflexartigen Reaktionen extinktieren könne. Der Gegensätzliche Part der Frau wird deutlich untermauert als sie sagt „die Psychoanalyse ist in der modernen Therapie Tod“. Ein Hinweis auf Sigmund Freud, der glaubte, dass die Sexualorgane (Libido) eine Triebfeder für unser Handeln sind. Dies untermalt Lars von Trier mit etlichen Akten, auch Versuchen der Frau, den Mann zu verführen, der jedoch sein Klienten-Verhältnis nicht aufgeben möchte und sie abweist. Es weißt aber auch auf den Antichristen hin, der nicht glaubt, dass Sie eine Sünderin ist. Wohingegen sie sich als „schuldig“ bekennt für den Tod des Sohnes. Schließlich hat er sich der Avancen und der Lust nicht mehr erwehren können und „hat einen sehr großen Fehler begangen“. Mit diesem Bruch des Verhältnisses ändert sich auch die Beziehung der beiden zueinander, sowie die Erkenntnis, dass Sie eventuell nicht geheilt werden kann. So wie die Schlange die Verführung für Adam und Eva war, so war es die Lust, die die beiden in eine neue Phase treiben. Denn nach der Trauerphase und Schmerzphase folgt die Verzweiflungsphase. Kenntlich wird dies darin, dass Sie glaubt er wolle Sie verlassen. Dies schließt immer mehr auf einen geistigen Verstand hin, der verwirrt, beirrt ist. Er findet das Buch und die Recherchen, in denen die Qual von Frauen festgehalten ist. Zudem entdeckt er Fotos seines Sohnes, die eindeutig die Misshandlung des Kindes beweisen. Sie hat ihm absichtlich die Schuhe Seitenverkehrt angezogen.
Kritik:
Lars von Trier hat hier, keine Frage einen Film geschaffen, der das Publikum spaltet. Zum einen der provokante Titel, der schon auf Konfrontation hinweist. Zum anderen verwendet er schwarz – weiß Bilder, als auch kalte Farbkameraeinstellungen. Hat er im Film Dogville noch durch wilde Kamerabewegungen der Handkamer Chaos verbreitet, so agieren jetzt die Protagonisten wild vor einer ruhigen Kamera. Überhaupt ist die Stimmung und Atmosphäre des Films sehr ruhig und traurig, depressiv, manisch. Lars von Trier gab zu, dass er auch unter Depression leidet und so ist es kein Wunder ihn auch als Drehbuchautoren für dieses Werk vorzufinden. Ja der Film provoziert durch seine Bilder, die Eicheln, die im Herbst auf das Dach fallen, die Zecken, die die Hand von Ihm befallen. Die Farbkombination als auch das Namenlose der Darsteller. Dies alles ist fein gemacht und meines Erachtens sehr gute Kinoarbeit. Doch der Film spaltet auch, so nimmt der Film eine Wendung in den letzten beiden Kapiteln. Die Frau zerstört die Hoden des Mannes, der Blut ejakuliert, sie durchbohrt seine Wade und befestigt einen Schleifstein, schneidet sich die Klitoris ab. All dies ist in Großaufnahme deutlich zu sehen. Weit weniger brutal für Splatter – Fans, doch schockierend und empörend für den Cineasten, der sich anspruchsvolle Unterhaltung wünscht. Die seelische Grausamkeit wird hier auf die Spitze der Pyramide getrieben und spaltet somit. Noch zu erwähnen wäre, dass meines Erachtens der Filmtitel nicht unbedingt passend ist. Auch wenn er sich etwas an Strindberg[2] hielt, der die Religion verspottete. Doch ich würde den Kern der Geschichte nicht in der Auseinandersetzung mit dem Christentum, sondern in der Auseinandersetzung mit dem Krankheitsbild der Depression sehen. Alles in allem ist hier ein Film entstanden, der das Krankheitsbild der Depression und seine Auswüchse, nach Erfahrungen und Glauben des Regisseurs verarbeitet. Dies tut er kompromisslos und in einer durchweg gelungen Trauerstimmung.
Fazit:
Interessant