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Ein idyllisches Bild eines Bauernhofes. Ein Bauer hackt Holz während seine Frau die Wäsche aufhängt. Vom Naziterror, der Frankreich plagt, scheint man hier nicht viel mitzubekommen. Bis plötzlich die Stimmung umschlägt und sich zu Morricones „Once Upon a Time in the West" eine Eskorte von Wagen nähert, die mit Hakenkreuzfahnen besteckt sind. Unter diesem Banner tritt Hans Landa in Aktion. Er stattet dem ahnungslosen Bauern einen Besuch ab und befragt ihn über die jüdischen Familien, die in der Gegend wohnten. Schon hier zeigt sich Tarantino-typisch, wie viel Acht auf lange Dialoge gelegt wurde. Denn während der „Judenjäger", wie man Landa in Frankreich nennt noch auf den Bauern einredet und ihn zermürben will, steht vor der Tür schon ein Trupp von Soldaten, die nur auf ihren Befehl warten, die unscheinbare Hütte zu stürmen.

Wer jetzt meint, dass das in jedem zweitklassigen Nazifilm vorkommt, dass ein SS-General seine Überlegenheit demonstriert, der mag zwar Recht haben, aber noch nie hat ein Film so dreist gezeigt, wie gewissenlos und gleichzeitig auch verführerisch die Nazis waren. Denn Tarantino hat hier nicht genreübliche Billigkost abgeliefert im Stile eines „auf die Tränendrüse drückenden" „Der Soldat James Ryan", sondern hat mit der Geschichte und den Nazis regelrecht gespielt. Wo sich der Spielberg-Blockbuster um Korrektheit bemüht und die Deutschen als gewissenlose Mörder gezeigt hat, so ist „Inglourious Basterds" ein Kapitel für sich. Die Nazis werden nicht nur als Soldaten und große Krieger gezeigt, sondern auch als
Menschen, als Familienmenschen, als Saufkumpanen und als vernarrte Liebhaber. Diese Tatsache  wird den ‚Basterds‘, einer US-amerikanischen Armeeeinheit aus Juden und Regimegegnern entgegengestellt. Die ermorden nämlich ohne einen Anflug von Mitleid im Stile eines makabren und überaus bizarren Spiels, dem ‚Skalpsammeln‘ hunderte von Deutschen. Tarantino schafft es, diese banalen Grundsätze gegenüberzustellen, sodass man einerseits den deutschen Soldaten, andererseits aber auch die ‚Basterds‘ verstehen kann.

Wie in jedem Quentin Tarantino-Film liegt auch hier einer der Schwerpunkte an der Auswahl der Musik. Denn wie im Film selber, kümmert es Tarantino wenig, ob die verwendete Musik damals auch wirklich schon existiert hat. Er verbindet schamlos den Terror der NS-Herrschaft mit Jazzmusik aus den 60ern. Dass diese Mischung in der Realität prächtig funktioniert, zeigt die Anzahl der begeisterten Kinobesucher. Wer sich daran stören mag, dem sei gesagt, „Hey, es ist Tarantino! Der Typ lässt sogar mit einem Stuntman und einem Muscle Car junge Mädchen abschlachten!"

Für einen Film, der zu großen Teilen in Deutschland gedreht wurde, liegt es natürlich nahe, dass Landsleute auch drin vorkommen. Auch hier hat sich Tarantino nicht von Hollywood-Attitüden leiten lassen und die Rollen mit überbezahlten Schönlingen besetzt. Stattdessen versammelt sich die Creme dellá Creme der deutschen Filmindustrie in den Reihen der Darsteller. Besonders zu erwähnen ist die Darstellung von Christoph Waltz, der vollkommen zu Recht mit dem Oscar belohnt wurde. Die Mimik, die Gestik, die gesamte Ausstrahlung, die Wortgewandtheit, das alles und in diesem Ausmaß sucht man im Land der unbegrenzten Möglichkeiten vergeblich. Doch auch die anderen Akteure wie Daniel Brühl, August Diehl oder Martin Wuttke (als herrlich exzentrischer und überdrehter Hitler) machen ihre Arbeit perfekt und zeigen, dass auch das europäische Kino etwas zu bieten hat. Hier geht Brad Pitts Darstellung als Lieutnant Aldo Rain fast schon unter. Denn während französische und deutsche Schauspieler im Film dominieren, gehen er und seine amerikanischen Landsmänner fast unter. Hier hätte Tarantino einen Ausgleich schaffen müssen und die ‚Basterds‘ weiter ins Licht rücken müssen.

Dass von diesem Film nicht alle begeistert sein werden, war schon vorher klar. „Was soll schon draus werden, wenn Tarantino einen Kriegsfilm macht?!" hörte man im Vorfeld. Doch was Tarantino hier abgeliefert hat, mit dem hat wohl keiner, weder seine hartnäckigen Gegner, noch seine treusten Anhänger. ‚Sein‘ Ausgang des 2. Weltkrieges ließ jedem Kinobesucher einen kalten Schauer über den Rücken laufen. Abseits vom Realismus, vom Holocaust, von 6 000 000 getöteten Juden, von all den Verbrechen, in die das Nazi-Regime involviert war, hat er seine Sicht geschildert und dafür sogar einen Oscar gewonnen. Wer ihm den wieder aberkennen will, dem sei gesagt: „Hey, es ist Tarantino!"

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