Wahrscheinlich hat man niemals zuvor Joseph Goebbels auf der Leinwand poppen sehen, auch wenn die Mini-Szene nur einen winzigen Bruchteil von Tarantinos Nazi-Western ausmacht.
Mal wieder untergräbt der Regisseur sämtliche Erwartungen des Publikums und wer „Pulp Fiction“ kennt, ahnt bereits, wie da am Ende alle Fäden zusammenlaufen und doch in der einen oder anderen Konsequenz überraschen dürften.
Die größte Überraschung bietet jedoch der Österreicher Christoph Waltz, der in der eigentlichen Hauptrolle eines Obersturmbannführers sämtliche Szenen für sich einnimmt.
Tarantino hat seine Geschichte in fünf Kapitel aufgeteilt, in deren Fokus drei wesentliche Instanzen rücken: Die titelgebenden Basterds unter der Führung von Aldo Raine (Brad Pitt), die als jüdische Soldaten Jagd auf Nazis machen, die Jüdin Shosanna (Melanie Laurent), der die Flucht vor den Nazis gelingt und ein paar Jahre später ein Kino in Paris leitet und Nazi-Oberst Hans Landa (Waltz), der als „Judenjäger“ verschrien ist und Shosannas Familie ermordete. Im letzten Kapitel kommt es zum Showdown in einem Kino…
…von dem man fast behaupten könnte, er setze genau dort alle Konventionen außer Kraft, wo eben jenes Publikum sitzt, welches das Geschehen auf der Leinwand feiert, weil es den vorbestimmten Abläufen frönt, wie eben die Nazis den Propagandastreifen „Stolz der Nation“.
Vielleicht erwartet das Publikum von „Inglourious Basterds“ aber genau das nicht, denn bei Tarantino werden grundlegend Gesetze außer Kraft gesetzt und das gelingt dem Regisseur erneut mit viel erzählerischer Boshaftigkeit.
Dabei setzt er in diesem Fall weniger auf Action mit dem Dampfhammer, sondern konzentriert sich auf die Spitzfindigkeit der Dialoge, die durch den jeweiligen Originalton nicht nur mehr Glaubwürdigkeit erhalten, sondern auch einige Pointen zutage fördern.
Zwar wälzt man sich besonders im Mittelteil etwas zu ausladend in Referenzen und schweift zuweilen auch ein wenig ab, doch wann immer Nazi-Oberst Landa in seiner akribischen und haifischartig zurückhaltenden Art zum Verhör schreitet, gehört ihm das volle Interesse und die Spannung steigt kontinuierlich.
Tarantino begegnet der Geschichte des Zweiten Weltkriegs mit blankem Zynismus und wendet sich strikt von vielen historischen Fakten ab, in der die Juden eben nicht nur die Opferrolle bekleiden und die Nazis zwar dieses auffällig lang gezogene, künstlich wirkende Lachen beherrschen, aber dadurch auch oft der Lächerlichkeit preis gegeben werden, was abseits einiger Klischees absolut wohltuend wirkt.
Im Grunde präsentiert Tarantino die Nazis wie Rednecks in Uniformen, die außer hohlen Phrasen nie wirklich wussten, was sie da eigentlich von sich geben und das mag der Realität schon verdammt nahe kommen.
So war es auch die einzig richtige Entscheidung, jene Figuren mit deutschsprachigen Darstellern zu besetzen und da ist es schon erstaunlich, wie brauchbare Mimen wie Daniel Brühl, Diane Krüger, Til Schweiger und August Diehl unerwartet zu Höchstformen auflaufen.
Das trifft natürlich besonders auf Christoph Waltz zu, der vor Jahren als „König der letzten Tage“ bereits beweisen konnte, mit wie viel Inbrunst man einen kompletten Film tragen kann, was ihm im Vergleich zum eher blassen Brad Pitt durchgehend gelingt.
Böse Zungen könnten behaupten, der Streifen sei arg geschwätzig und Tarantinos markanter Erzählstil fast schon zu typisch, um im Endeffekt noch überraschen zu können. Doch am Ende darf man auch als verwöhnter Zuschauer mit hohen Erwartungen zufrieden sein, obgleich die Anlaufzeit für den starken Showdown phasenweise ein wenig überladen wirkt.
Toll ausgestattet, grandios gespielt und musikalisch durchgehend treffend untermalt, bietet „Inglourious Basterds“ eine ausgewogene Mischung in Sachen Kriegsfilm, die endlich einmal nicht von dem berichtet, was möglichst nah an historischer Genauigkeit angesetzt ist…
8 von 10