Kapitel 1: Es war einmal eine Kritik.....
Es gibt viele Kritiken, die sich damit beschäftigen, ob ein Film das Nazi-Reich vernichten darf, und vielerorts wird argumentiert, dass wenn es einer dürfte, dann nur ein Mann solchen Kalibers wie Quentin Tarantino. Weil er es mit der Macht des Kinos tuen würde und es ja von vornherein als ein (wenn auch gewalttätiges) Märchen an den Mann gebracht wird. Dann wird immer auch wieder die tolle deutschsprachige Regie über aller Ehren gelobt und im gleichen Atemzug natürlich Christoph Waltz als eine Superentdeckung gefeiert (geradezu so als ob der gute Mann erst seit gestern schauspielern würde) und natürlich darf es nicht fehlen, Diane Kruger als Scheiss-Schauspielerin zu verunglimpfen (jemand der seine Ü-Tüpfelchen auf dem Nachnamen einer Hollywood-Karriere opfert, kann ja bekanntlich nicht schauspielern), dann wird natürlich selbst Til Schweiger als gar nicht mal so schlechter Schauspieler angepriesen und Tarantino darf natürlich alles, weil er das deutsche Frühkino so sehr verehrt alles machen, was er will.Das ist in Deutschland.
In den USA hingegen wird Christoph Waltz über den Klee gelobt (weil ihn dort tatsächlich keiner kennt), und der Film als eine herrlich schräge pulpige-trash-Weltkriegsaction-Klamotte angesehen, die zum Glück auch nicht mit Splatter-Effekten geizt. Dass der gute Film in drei verschiedenen Sprachen voranläuft, stört hier plötzlich niemanden mehr und es bleibt abzuwarten, ob der langfristige Erfolg dadurch trotzdem erhalten bleibt.
Und in Frankreich: Natürlich wird Christoph Waltz über den Klee gelobt und bekommt den Darstellerpreis in Cannes (völlig zu Recht muß man gestehen, wenn man seine famose Darbietung genießen durfte), der Film selbst wird etwas nüchterner aufgenommen, als etwas steriler und nicht ganz so gut angesehen, wie er hätte werden können.
Warum wird so ein Film ausgerechnet in diesen drei Ländern so unterschiedlich angesehen? Wieso wird er am überschwänglichsten in Deutschland gefeiert und am nüchterndsten in Frankreich, wo man ja bekanntlich auf die hohe Kunst so viel Wert legt?
Dass der Film in den USA so ankommt wie er das tut liegt auf der Hand: Hier wird auf Action und kernige Sprüche wert gelegt und natürlich den Coolneß- bzw. Zynismusfaktor. Dies muß also nicht begründet werden.
Kapitel 2: Die deutsche Seite
Dass er in Deutschland so gut weg kommt, liegt einzig und allein an der Tatsache, dass Deutschland sein Nachkriegstrauma einfach nicht ablegen kann, egal wie sehr es sich das wünscht. Schindlers Liste war ein weg, damit umzugehen, doch jetzt möchte Deutschland auch weg davon kommen und auch mal „normal" (wenn das denn überhaupt möglich sein sollte) damit umgehen können, sprich richtige Action-Filme dazu machen dürfen, die nicht Hitler mystifizieren oder irgendwelche Verunglückten Möchtegernattentäter stylisiert sehen. Denn so gut jene Filme auch sein mögen, irgendwann ist der Ernst einfach zu viel des Guten. Und so ist man dankbar für so einen Film, der sich selbst nicht allzu ernst nimmt, und das dritte Reich erst recht nicht. Statt dessen wird auf eine Itchy und Scratchy (Simpsons, für die die es nicht wissen) zurückgegriffen und Hitler einfach hinweggefegt so als würde es sich direkt um einen Propagandafilm der Alliierten direkt aus dem zweiten Weltkrieg handeln. Hinzu kommt natürlich, dass das deutsche Vorkriegskino dermaßen über den Klee gelobt wird, alles zwischen 20er und 40er Jahren vergöttert wird seitens Tarantino, der daraus natürlich auch keinen Hehl macht, irgendwann stellt er Emil Jannings sogar als den größten Schauspieler seiner Zeit vor (wer zumindest den Blauen Engel kennt, wird das irgendwie fast unterschreiben wollen), macht ihn aber gleichzeitig als Kollabeurateur mit den Nazis aus, was ihn letztlich aber auch im Finale verdammt. Man merkt also aus deutscher Sicht, die Hochachtung des Regisseurs für das deutsche Film-Sujet und ist dankbar für all dies.Dies sieht man vor allem bei den famos aufgelegten Schauspielern, die allesamt sensationell spielen, fast so als ginge es um ihr Leben, dabei geht es nur um ihre Vergangenheit. Zu den schauspielerischen Leistungen etwas später mehr. Auch zu Frankreich etwas später mehr.
Kapitel 3: Die Handlung und der Film selbst
Inglorious Basterds ist ein Sammelsurium an Filmzitaten, die kreuz und quer wild in aus der gesamten Filmwelt geklaut sind und irgendwie zu einem groben Ganzen zusammengeschustert wurden. Dass es keine organische Einheit ergibt, dass es keinen stringenten Spannungsbogen gibt, dass eigentlich alles nur von Christoph Waltz's Charakter zusammengehlaten wird, wird meisterlich von einem Tarantino in Bestform wie beiläufig beiseite gewischt.Dass das Töten eigentlich keine schöne Sache ist, das Sterben erst nicht, es nur eine dünne Linie zwischen Fanatismus, Tapferkeit, Opportunismus, Schuld und vager Schuldzuweisung, wird dermaßen lapidar in Szene gesetzt, dass der Subkontext fast übersehen werden kann. Wer tapfer ist, stirbt, wer feige ist, wird gebranntmarkt, wer Amerikaner ist, kann als Held zurückkehren. Sympathisch ist eigentlich keiner der Beteiligten, man lacht mit ihnen, weil es Karikaturen sind, wenn einem Sympathien widerfährt, weiß man: Diese Person wird sterben.Und doch: Ähnlich Park Chan Wook ist auch Tarantino in gewisser Weise ein hoch moralischer Regisseur: Daniel Brühl beispielsweise wird ausgesprochen sympathisch dargestellt, auch scheint er eigentlich an einem Kriegstrauma zu leiden, so dass man ihn schon irgendwie sympathisch finden kann, bestraft wird er erst, als er sein wahres (in seiner Männlichkeit verletztes) Gesicht zeigt. Im gleichen Atemzug kann man auch Shoshanna nennen. Erst als sie eine gewisse (fast schon abscheuliche) tat begeht, wird sie bestraft.
So ergeht es auch Verrätern.
Moralisch ist natürlich auch, was mit den Attentätern passieren wird... Und moralisch ist auch die letzte Szene. Amoralisch hingegen, dass manche Unsympathen einfach so davon kommen, aber hierfür ist der Film dann doch erstens zu sehr in seinem Genre gefangen (Trash-Propaganda-Pulp-Hommage, also haben die Amis zu siegen) ist und zweitens dies natürlich für den Erfolg in seinem Heimatmarkt dringend erforderlich ist. Und Tarantino ist vor allem was zweitens betrifft, natürlich kein Dummkopf.Diese Moral geht jedoch fast unter in Tarantinos Spiel mit all den Zitaten und Genres, Melodien und Sprachen. Tarantino nimmt sich viel vor und noch mehr Zeit, seine parallelen Geschichten zu erzählen. Hierbei greift er immer wieder auf Sounds von Morricone und weitere seiner Lieblingsscores zurück, was dem Film zwar den gewollten Anstrich des Trash-Movies gibt, aber gleichzeitig auch ein bisschen redundant wirkt, weil er vieles davon auch schon in seinem Film mit der Braut (auch hierzu später mehr) benutzt hatte.So superb man das finden, dass auch die eigenen Lieblingsscores (wieder) benutzt werden, so hätte man sich von Tarantino hier lieber neueres gewünscht. Dies ist dann doch nur ein zeichen dafür, dass dieser Mann zwar viele Filme kennt, aber beispielsweise relativ wenig 70's und 80's Türkploitation Filme gesehen haben dürfte, denn hier wird ihm in Sachen Soundtrack-Klau mehr als nur ein bisschen was vorgemacht. Hier kann er also noch ein bisschen nachsitzen J Zur Handlung selbst: Ähnlich wie bei seinem bisherigen Meisterwerk kann man nicht unbedingt verhehlen, dass Tarantino zwar ein Meister des geschliffenen Dialogs ist, aber was eine durchgängige Dramaturgie betrifft, so fehlt es nach wie vor ein bisschen, denn gewisse Längen zur Mitte lassen sich einfach nicht leugnen, so dass einem der Film auch tatsächlich so lang vorkommt, wie er tatsächlich ist.Aber das ist kein so großes Manko, denn in dieser Phase holt er sich vor dem Publikum selbst einen runter, indem er uns zeigt, was er alles über das deutsche Kino weiß. Jemanden, der nicht so filmophil ist, wie der Leser oder der vorliegende Autor, könnte diese relative „Durststrecke" dennoch etwas langweilen.Die Höhepunkte sind ohnehin der Anfang, Shosannas Treffen mit Landa in Paris, die Tavernensequenz und das Finale natürlich. Wozu das Kino in diesem Kontext alles fähig ist, kann sich der geneigte Leser erstens woanders durchlesen (weil im Vorfeld oft genug diskutiert) oder zweitens (und das ist der bessere Ansatz) im Kino selbst anschauen.
Ausgerechnet die namensgebenden Basterds sind dramaturgisch gesehen eigentlich der Schwachpunkt des gesamten Konzepts auf dramaturgischer Linie. Rein auf komödiantischer und coole One-Liner-raushauender Ebene ist deren Existenz wirklich begründet, selten wurde nämlich in so einem rasanten Feuerwerk ein Kracher nach dem anderen rausgehauen, wie von Brad Pitts Charakter, der dem ganzen dann auch glücklicherweise eine angenehm abstrus-grotesk leichte Note verleiht.Die restlichen Darsteller: Erfüllen allesamt ihre Anforderungen mit Auszeichnung oder spielerischer Leichtigkeit.
Brad Pitt: Schon über die Grenze des Lächerlichen hinweg, die absolute Karikatur eines Hillbillie-Amerikaners, aber auch hier lässt es sich Tarantino nicht nehmen, ihn zu „entamerikanisieren" im Sinne des Prototyps des guten Amerikaners im zweiten Weltkrieg: Indianische Wurzeln!! Dennoch, Pitt spielt diese Witzfigur mit einer Lässigkeit, die seine ganze Klasse als Darsteller unter Beweis stellt, und er wäre fast der Star des Films, wenn da nicht.... Christoph Waltz wäre: Wenn es im Kinojahr eine großartige One-man-Show gab, dann war es ja eigentlich Johnny Depp in Public Enemies gewesen. Doch was Christoph Waltz hier abliefert, kann sich mit jeder Performance in jedem bisher gedrehten Film messen. Johnny Depp ist vergessen. Das ist ein Meilenstein der nuancierten Darstellung, nicht zuletzt auch dank des grandiosen Drehbuchs und der dankabren Dialoge, die man ihm auf die Zunge legt, aber Christoph Waltz bewältigt das alles mit so einem je-ne-sais-cois, dass man sich sprichwörtlich nur noch auf die nächsten Szenen mit ihm freut. Sensationell. Und das von einem der auszog, Roy Black zu verkörpern. Superlativ!Wenn man das so sehen könnte in Frankreich, vielleicht würde dem Film dann auch die Wertschätzung widerfahren, die er verdienen könnte?