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Der Quentin schießt den Hitler ab…

Es war einmal im von Nazis besetzten Frankreich: Eine Sonderspezialeinheit von jüdischen Alliierten bestehend aus kaum zehn Männern ist fleißig und mit voller Inbrunst damit beschäftigt, möglichst viele antisemitische Scheißkerle wie nur möglich abzuschlachten. Unter ihnen der von den deutschen Soldaten als „Bärenjude“ gefürchtete Donowitz (Eli Roth, „Hostel“), ein abtrünniger, wortkarger deutscher Offizier und Überläufer namens Stiglitz (Til Schweiger), die Führung hat Lt. Aldo Raine (Brad Pitt) inne und sein Befehl an seine Mannen ist deutlich: er möchte am Ende der Mission von jedem 100 Nazi-Skalps vorgelegt bekommen. Und Aldo will seine Skalps!
Zeitgleich plant Reichspropagandaminister Joseph Goebbels in einem kleinen Pariser Kino die Uraufführung seines neuesten filmischen Streiches: ein Film zu Ehren von Fredrick Zoller (Daniel Brühl, „Das weiße Rauschen“, „Die fetten Jahre sind vorbei“) – eines Kriegshelden, der als einsamer Schütze ganz allein über hundert der Alliierten Streitkräfte ausgeschaltet hat.
Da dem Ereignis – zwar heimlich, aber eben nicht so heimlich, dass es unsere „Bastards“ nicht mitbekommen hätten – die gesamte Führungsebene des NS-Regimes beiwohnen wird, bietet der Premierenabend des Films Aldo & Co. die ideale Möglichkeit, den Nationalsozialismus ein für alle mal den Garaus zu machen.
Was sie nicht wissen: In der Kinobesitzerin haben sie ein Verbündete. Die Französin sinnt nämlich schon seit langem auf Rache für ihre getötete Familie…

Der neue Tarantino ist da – H U R R A ! ! ! Und keine Angst: er ist richtig, richtig gut! Ausgesprochen gut sogar. Wie weggeblasen der dürftige „Kill Bill Vol. 2“ und der unwürdige „Death Proof“. Der Meister hat zu seiner alten Form gefunden. Was uns mit INGLORIOUS BASTERDS nun vorliegt, ist so etwas wie „Pulp Fiction“ im Dritten Reich. Zwar ohne die verschachtelten Handlungsstränge, die Killerafros und den Koffer mit dem goldenen Licht, aber die Grundelemente, sprich: das typische Tarantino-Feeling, die von der Hand gehende Coolness, die lässigen Dialoge etc…, sind definitiv enthalten. Aber der Reihe nach.

Die Story: Fällt äußerst dialoglastig aus. Wer jetzt bemühtes, aber langweiliges und zutiefst aufgesetztes Sinnlos-Gewäsch á la „Death Proof“ befürchtet, kann den Hammer stecken lassen. Was hier so gebrabbelt wird, ist wirklich cool, die Gespräche fließen ineinander über, eines führt zum anderen, nichts wirkt erzwungen oder zu sehr geplant… - gehobenes „Jackie Brown“-Niveau würd’ ich jetzt mal sagen.
Der Streifen beginnt mit einer riesigen, fast schon epischen Dialogszene, einem Nazi-Verhör: Nazi-Oberst Hans Landa (übrigens: Christoph Waltz – einfach überragend, aber dazu später mehr) wringt einen französischen Bauern aus, um jenen dazu zu bringen, jüdische Flüchtlinge zu verraten. Dererlei Dialoge finden sich in diesem Film mehrere. Alle sind sie wahnsinnig lang, krass intensiv, sehr oft mit ordentlich Wortwitz angereichert und es begleitet sie nur selten Hintergrundmusik, so dass man in den Gesprächspausen meint, eine Stecknadel fallen hören zu können. Sie alle lassen sich wahnsinnig viel Zeit, streben aber einem gewaltigen Paukenschlag entgegen. Man merkt richtig, wie die Zündschnur Funken wirft und verglimmt.
Gipfeln tun die Dialoge nicht selten in einer Explosion brachialer Gewalt. Von dieser gibt es zwar nicht viel, wenn aber mal gekielholt wird, dann richtig derb, so dass der Streifen dem Prädikat „gehoben brutal“ schon gerecht wird. Trotzdem: das Verhältnis Story – Gewalt beträgt ungefähr 85:15 – eine Fun-Splatter-Granate im Stile von „Kill Bill Vol. 1“ ist INGLORIOUS BASTARDS also nicht.

Dass es sich hierbei um ein überaus gelungenes Stück Film handelt, geht zu einem Großteil auf die vielen tollen schauspielerischen Leistungen und die fein herausgearbeiteten Charaktere zurück. Brad Pitt als Skalp hungriger, dick-kinniger Nazi-Killer – genial! Til Schweiger als stummer Gefolgsmann – auch sehr cool! Christoph Waltz – jemand der mir bislang nur durch mittelmäßige TV-Produktionen aufgefallen war („Die Roy Black Story“, „Tatort“) – als abgeklärte Superspürnase der SS, „Judenjäger“ und durchtriebenes Genie – sagenhaft! Wahrlich Oscar-reif! Vollkommen jenseits und jedem Zweifel erhaben! Jetzt ohne Übertreibung: Er und seine schauspielerische Darbietung sind so mit d i e Highlights des Films. Man kann es kaum in Worte packen, was für eine grandios geile Darbietung der Österreicher hier abliefert. Die Rolle des gewieft-gewitzten, eloquenten Nazi-Superbösewichts steht ihm nicht nur ausgezeichnet, sein Auftritt stellt auch so ziemlich alle James-Bond-Bösewichte mitsamt deren fiesen Gehilfen in den Schatten.
Auch „Hostel“-Regisseur Eli Roth – hier als Baseballschläger schwingender „Bärenjude“ unterwegs – weiß zu überzeugen. Dann gibt es freilich wieder eine ganze Ladung voll Prominenz in kleineren Rollen untergebracht bzw. versteckt: die nennenswertesten wären da wohl Mike Myers („Wayne’s World“, „Austin Powers“) als Alliierten-Befehlshaber und – und jetzt haltet euch fest – Bela B., der sage und schreibe zwei Sekunden lang von der Leinwand glotzen darf (*Oh Gott, die Torfnase hat es echt in einen Tarantino-Film geschafft - man fasst es nicht…).

Dass die Deutschen hier nicht so doll wegkommen ist klar. Sind ja auch hauptsächlich Nazis. Ob der wehrte Herr Tarantino einen heimlichen Groll gegen die Deutschen hegt, dürfte die Tatsache beantworten, dass noch nie mehr deutschsprachige Darsteller in einem seiner Filme zu bewundern waren.
Ob Klein-Tarantino damals im Geschichtsunterricht aber auch wirklich gut aufgepasst und alles richtig mitgekriegt hat, ist aber mehr als fraglich, wirft man einen Blick auf den Showdown, in dem ein gewisser gelernter Landschaftsmaler und Hobbystratege auf überaus blutrünstige Weise im Kugelhagel der Alliierten den Löffel abgibt. Politisch korrekt ist das freilich nicht. Historisch korrekt gleich noch viel weniger. Nichtsdestoweniger drängt sich einem natürlich die Frage auf, ob man als Deutscher über so etwas denn überhaupt lachen darf. – Die Antwort, wie ich meine: Na klar! Muss man. Sollte man. Kann man zumindest. Und so kuriert uns der Herr Tarantino doch gleich nebenbei von unserem ollen Kriegstrauma und alles ist gut.

Der Streifen hat aber natürlich auch seine Knackpunkte: Oftmals lassen sich die Dialoge schon arg viel Zeit um zum Klimax zu kommen. Hier und da bricht dann mal die Spannung leicht ein. Und an manchen Ecken hätte man noch etwas genauer… - Als Fan vergleicht man INGLORIOUS BASTERDS selbstverständlich mit den großen Klassikern von Tarantino, das ist klar. An die kommen die „Basterds“ aber leider nicht ran – ist auch klar, so ziemlich zumindest. Wichtig ist aber, dass der Streifen auch so einiges richtig macht, ja sogar ordentlich frischen Wind in die Stube bläst. Im Kino war’s jedenfalls eine Mordsgaudi, die zweieinhalb Stunden sind flott vergangen und bis auf den Schluss, den man schon irgendwie hätte besser machen können, war es ein Heidenspaß. Bleibt abzuwarten, ob der Streifen auch in den trauten vier Wänden ohne Monsterleinwand für ausreichend Stimmung sorgen kann.

So, genug der Schelte. Bleibt nur noch zu erwähnen, dass die einzige Gemeinsamkeit mit dem „Original“ – „Ein Haufen verwegener Hunde“ von 1978 – ein Mann namens Bo Svenson (hier in einer winzigkleinen Nebenrolle untergebracht) darstellt und Hugo Stiglitz eigentlich ein mexikanischer Schauspieler ist, u.a. bekannt aus „Großangriff der Zombies“.
Es dürfte sich hierbei ferner um den ersten Tarantino-Film handeln, dem nicht gleich noch ein kultiger Ohrwurm-Soundtrack beiliegt. Musik kommt hier allgemein recht spärlich zum Einsatz und wenn es was auf die Lauscher gibt, dann eher „Ambient Stuff“, sprich Hintergrund-Geplänkel mit „Little Green Bag“ und „Girl, You Be A Woman Soon“ in weiter, weiter Ferne.

Ich fasse zusammen:
INGLORIOUS BASTARDS ist Tarantino-typisches Erzählkino mit viel Wortwitz und Coolness, angesiedelt im Dritten Reich – schon ein wahrlich irrer Mix. Der Streifen legt einen perfekten Spagat zwischen anspruchsvollem Storyteller-Kino und Trash-Unterhaltung hin. Auf der einen Seite fesselnde Dialoge, gewichtige Charaktere, die hohe Schule der filmischen Künste – auf der anderen Seite hyperbrutale Gewaltexzesse und Namenseinblendungen im Pop-Up-/Disco-Style. Einerseits den Anschein eines seriösen Films machend, andererseits ein „Servus“ in Richtung Sleaze- und Exploitation-Kino. Antisemitismus, Nationalsozialismus, eines der größten Dramen der Menschheitsgeschichte – Tarantino scheißt einfach drauf, ebenso wie auf historische Fakten und Genauigkeiten.
Wer Tarantino erwartet, wird also auch Tarantino bekommen: ein „High Noon“ im Nazi-Wunderland. Würde Rambo einen Abstecher ins Deutschland Anfang der 1940er machen, das Ergebnis würde ungefähr so aussehen.
Fazit also:
Geiler Streifen, keine Frage. Ein „Werewolf Women Of The SS“ ist es zwar noch nicht ganz, aber es fehlt nicht mehr viel.
Auf dass der Director’s Cut noch etwas brutaler ausfallen möge. Heil Quentin!

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