Review

Als ich nach den Filmfestspielen in Cannes auf Spiegel Online einen Verriss über den neusten Tarantinostreich las, lange bevor der Film seine eigentliche Premiere feiern sollte, hatte ich die vage Hoffnung, dass der Verfasser einer Regel der gewöhnlichen Kritik folgte: Lieber runtermachen, um sich ein Maß an Distinktion zu verschaffen!

Das war dann (Gott sei Dank!) auch so, denn "Inglourious Basterds" ist ein schier großartiger Film, der über seine gesamten 152 Minuten fesselt, unterhält - was auch immer.

Was der gute Tarantino hier erschaffen hat, ist ein Meisterwerk des modernen Kinos, das sich so vielschichtig sehen und verstehen lässt, wie dies nur selten der Fall ist. Mal sperrig und bedrückend, mal erwartet trashig und veraltet, aber immer auf den Punkt gebracht entwickeln sich die Handlungsstränge, um in einem fulminanten Finale alle geschürten Hoffnungen maßlos einzuhalten.

Dabei lebt der Film größtenteils von den Schauspielern, die in dieser Zusammenstellung ein wahrer Geniestreich sind. Beeindruckend, was aus deutschen Schauspielern in den richtigen Händen anzufangen ist. Einzig und allein Diane Krüger fällt negativ auf, als ihre Rolle eine zu affektierte Darstellung nicht mehr benötigt. Brad Pitt als Redneckroudie und seine "Basterds", zu denen auch Gedeon Burckard und Til Schweiger gehören, stellen den eher trashigen Tarantinostil in der Geschichte dar, wirken in diesem großen Werk aber beinahe nebensächlich.
Coole Dialoge nur um der Coolnis Willen bestreiten somit nicht allein, oder nur am Rande, dieses Mammutwerk. Und der Regisseur und Drehbuchautor tut gut daran, denn ansonsten wäre dieser Film eine viel zu erwartbare Farce geworden.

Erspart bleibt uns dies nicht zuletzt durch die Charakterdarsteller, allem voran natürlich Christoph Waltz, der ein gute Leistung zeigt, dessen Platzierung in dem Film aber der eigentliche Geniestreich ist. Zurecht wurde behauptet, er würde Pitt an die Wand spielen. Bei dieser Rolle auch kein Wunder, passt sie zu Waltz wie Arsch auf Eimer. Und er hat sichtlich Spaß an seiner Arbeit.
Aber auch Mélanie Laurent als jüdische Rachefee zeigt eine sehr gute Leistung, zu der, so behaupte ich einfach mal, amerikanische Schauspieler nur in den seltensten Fällen fähig sind.

Die Elite des Nationalsozialismus findet sich in bloßen und gänzlich überspitzten Karikaturen wieder. Goebbels, gespielt von Sylvester Groth, der diese Rolle auch schon in "Mein Führer" spielte, als notgeiler und nach des Führers Anerkennung heuchelnder Schmierlappen und Hitler selbst als durchgeknallter und cholerischer Zornikel. Hier ist offensichtlich niemandem Wert gelegen, eine historisch korrekte Aufarbeitung und vielseitige Charakterdarstellung zu liefern. Aber das hätte man von Tarantino auch nicht erwartet. Da ist böse böse und Nazis sind in der Popkultur als Ikonen der reinsten Bosheit angekommen. Und wer so böse ist, der kann auch nur entsprechend behandelt werden (Achtung: Gewaltszenen haben einen ziemlichen Härtegrad. Eli Roth?).

Wie gewohnt geht es auch nicht um eine zu erzählende Geschichte, sondern um eine Rezeption des Kinos. Das Kino selbst ist hier des Medium für finsterste Rachegelüste, auf der Leinwand als auch im Film selbst. Die Grenzen werden überschritten. Nochmal: großartig!

Somit bleibt zu sagen, dass der Herr Tarantino sich qualitativ deutlich weiterentwickelt hat, ohne dabei seine rotzige Art zu verlieren und schon jetzt kann man gespannt sein, was der gute Mann als nächstes plant. Für die kurze Produktionsdauer ist dies ein erstaunlich ausgefeilter Film, der wohl in seiner Originalfassung wohl noch besser sein wird, da sie Synchronisation besonders in diesem Film doch sehr schadhaft ist.

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