Review

In den USA wurde "Wir waren Helden" zu einem cineastischen Ereignis, an dem sich die Geister schieden wie kaum einmal zuvor: Der Film wurde von der einen Hälfte des Publikums gepriesen, von der anderen gnadenlos verdammt. Auch die Kritik spaltete sich in zwei Lager, was deutlich seinen Eingang in die Schlagzeilen großer Tageszeitungen fand: "Der schlechteste Kriegsfilm aller Zeiten", urteilte die Washington Post, "Der beste Kriegsfilm der letzten 20 Jahre", hieß es im San Francisco Chronicle. Wie auch immer, ob ein Film gut oder schlecht ist, entscheidet letztendlich der persönliche - und damit subjektive - Geschmack des Betrachters. Anders hingegen ist jedoch die Frage nach Anspruch und Tiefgang eines Filmes zu bewerten. Die Faktoren hierfür liegen klar zu Tage und sind für jedermann objektiv erkennbar. Betrachtet man "Wir waren Helden" unter dem Gesichtspunkt 'Anspruch', so gibt es dafür leider nur eine Wertung: TOTALAUSFALL!

Die Handlung:
Schauplatz: Ia Drang Tal, Nordvietnam, November 1965. Eine Einheit der 7. US-(Luft)Kavallerie unter dem Kommando von Lt. Colonel Hal Moore (Mel Gibson) bezieht Position am Fuße einer Anhöhe und leitet damit die erste Bodenschlacht des Vietnamkrieges ein. Die knapp 400 US-Boys sehen sich einer erdrückenden Vietcong-Übermacht gegenüber und geraten im Verlaufe der heftigen Kämpfe einige Male an den Abgrund des überrannt- und aufgeriebenwerdens. Achja, viele tausend Kilometer entfernt, in der Heimat der GI's, sitzen ein paar Ehefrauen (u. a. Madelaine Stowe) und sorgen sich nach Leibeskräften um ihre Liebsten an der fernen Front...

Für einen Film dieses Genres nicht untypische Story der auf Detailfülle und Handlungsverästelungen weitgehend verzichtet. Die zahlreichen Kampfhandlungen bieten genug 'Zündstoff ' für reichlich Action, ein paar Sequenzen zu Beginn des Filmes befassen sich mit der Ausbildung unerfahrener Offiziere, ein paar Szenen in der Filmmitte zeigen die Sorgen der Soldatenfrauen in der Heimat. Gestorben wird reichlich - aber sauber und in der Halbtotalen, auf brutale Schockeffekte nach dem Strickmuster eines "James Ryan" wird verzichtet. ACHTUNG: Dies bezieht sich ausschließlich auf die deutsche Kinoversion des Filmes. Die Originalfassung ist um einige Minuten länger und geht wesentlich rüder (und realistischer?) zur Sache.

Wenn man sich durch die aktuelle Online-Presse arbeitet und die zahlreichen Rezensionen liest, die sich mit "Wir waren Helden" auseinandersetzen, so wird man vielfach auf immer wieder gleichlautende Sätze stoßen: "Man merkt deutlich, daß die Filmemacher sich bemüht haben, die Schrecken des Krieges darzustellen!" oder "Hier wurde ein Meisterwerk geschaffen, daß ohne Patriotismus auskommt und nur darauf bedacht ist, die Grausamkeit des Krieges zu verurteilen." Auch wenn es überheblich klingt: Den Autoren solcher Bewertungen muß man - zumindest in diesem speziellen Falle - die Urteilsfähigkeit absprechen, denn "Wir waren Helden" ist eine einzige Orgie patriotischer Peinlichkeiten und pathosbeladener Tränendrüseneffekte.

Außerdem sollte man sich an dieser Stelle einmal folgendes bewußt machen: Das letzte, was Hollywood und seine Filmindustrie wollen, ist Botschaften vermitteln, moralische Werte festigen oder gar zum Bildungsniveau des Publikums beitragen; die Filmemacher - und dazu zählen mit Sicherheit auch die Schöpfer von "Wir waren Helden" - wollen in erster Linie eines: den Zuschauer unterhalten... und damit Geld verdienen (was sicherlich nicht verwerflich ist)! Und um dieses Ziel zu erreichen, sind Pathos und Patriotismus hundert mal besser geeignet als Moral und Anspruch. Denn eines ist sicher: Hollywood ist keine Horde von Experimentalfilmern die, ausgerüstet mit einer 8-mm-Kamera und einem riesigen Haufen Enthusiasmus, in den Dschungel zieht um das Sterben der Berggorillas zu filmen und damit die Menschen wachrütteln und auf Mißstände aufmerksam machen will. Nur solche Leute - und ausschließlich solche (!) - produzieren Filme, bei denen es in erster Linie um 'Anspruch' geht. Oder glaubt jemand ernsthaft daran, ein Star von der Größe eines Mel Gibson wacht eines Morgens auf und ist plötzlich beseelt von dem Gedanken: "Heute muß ich der Welt etwas mitteilen. Ich muß ihr kundtun, wie schrecklich der Krieg ist. Also werde auf meine Gage verzichten und in einem Film mitwirken, der den Krieg verdammt!" Aufwachen!

Das heißt natürlich nicht, daß es keine anspruchsvollen Hollywoodproduktionen gibt, "Der schmale Grat" zum Beispiel ist sicherlich ein Vertreter dieser Kategorie, doch sollte man das vorgenannte stets im Hinterkopf behalten. Vor allem dann, wenn man im Begriff ist, sich in Lobeshymnen zu ergehen.

Was macht "Wir waren Helden" zu einem schlechten Film?

Der Hauptdarsteller:
Mel Gibson entwickelt sich langsam aber sicher zu einem echten Ärgernis. Wandelbar ist er kein bißchen und seine einzige Rolle ist die des Helden mit überragenden Führungsqualitäten. Natürlich ist dieser Held so ganz nebenbei ein echter Herzensbrecher, der aber trotzdem ausschließlich seine eigene Frau liebt. Und seine Kinderlein. Passenderweise werden diese dann irgendwann hinweggemetzelt (oder zumindest böse bedroht) und schon hat der sympathische Mel einen trefflichen Grund für seinen privaten Rachefeldzug. Gott wird ihm helfen und das Vaterland wird's ihm danken.
Diese Figur hat Mel Gibson - mit der ein oder anderen geringfügigen Abwandlung - schon in "Mad Max", "Leathel Wapon", "Braveheart", "Der Patriot", und "Fletchers Visionen" verkörpert. Was lag also näher, als es in "Wir waren Helden" noch einmal mit (fast) demselben Strickmuster zu versuchen? Schnell den Schottenrock gegen die Tarnhose ausgetauscht und schon kann's losgehen. Neues Drehbuch überflüssig. Praktisch. Doch irgendwie wirkt der sternenbannerschwingende Verteidiger von Ehre, Familie, Stolz und Vaterland nur auf Amerikaner wirklich heldenhaft. Die meisten anderen sind eher peinlich berührt von Filmen, die wie eine einzige Nationalhymne anmuten.

Der Patriotismus-Familie-Ehre-Vaterlands-Plot:
Beispiele gefällig? Ein Soldat, der gerade sein Leben aushaucht und an einer schweren Schußverletzung stirbt, röchelt mit schmerzverzerrter Miene in die Kamera: "Ich bin froh, für mein Vaterland sterben zu dürfen!" Oder ein anderer Sterbender: "Sagt meiner Frau, daß ich sie liebe!" Diesen Spruch fanden die Filmemacher gar so toll, daß der Zuschauer ihn öfters als ein mal genießen darf. Und dann erst die Rede des heldenhaften Colonels an seine grünschnäbligen jungen Offiziere zu Beginn des Filmes... Hier ist die Rede von Zusammenhalt innerhalb der Truppe, von Kameradschaft und einer großen Familie (=der Truppe), die immer füreinander da ist. Am Schluß des Filmes gibt's die Aussage noch einmal als Monolog; es wird in den Raum gestellt, daß die Soldaten nicht mehr für ihr Land oder ihre Fahne kämpfen, sondern nur noch für einander. Was für eine tolle Familie! Hallelujah!

Die Szene, die den Vogel abschießt und ein unsichtbares Sternenbanner in den Kinosaal projiziert findet der Zuschauer ziemlich zu Beginn des Filmes:
Colonel Moore erklärt seinem kleinen Töchterchen, was Krieg ist. "Manchmal gibt es böse Menschen auf der Welt, die anderen Menschen das Leben nehmen wollen. Dann müssen Männer wie Dein Daddy dort hin, und diese Leute aufhalten." Na dann kann ja nichts mehr passieren, Mr. Gibson. Vielleicht wäre an dieser Stelle ein Dialog mit dokumentarischem Charakter (die Gründe des Vietnamkrieges etc.) angebrachter gewesen?! Doch so etwas sucht man während des ganzen Filmes vergeblich.

Der Pseudo-"Der-Feind-ist-auch-ein-Mensch"-Plot:
Ganz zu Beginn des Filmes wird eine Widmung ausgesprochen die sinngemäß lautet: Dieser Film entstand im Gedenken an die US-Soldaten, die "Im Tal des Todes" (so die spätere Bezeichnung für den Kampfschauplatz) ihr Leben ließen. Und an die Angehörigen der nordvietnamesichen Volksarmee, die an gleicher Stelle starben. Ein netter - doch leider verlogener -Tribut. Denn bereits in der nächsten Szene sieht man, wie eben jener Feind, dem man noch unmittelbar zuvor seinen Respekt aussprach, eine abscheuliche Greueltat begeht; aus dem Hinterhalt überfällt der Vietcong eine französische Truppe und metzelt diese, obwohl sie sich bereits ergeben hat, bis auf den letzten Mann nieder.

Ja, der Zuschauer bekommt in einigen Szenen des Filmes sogar ein paar Vietcong zu sehen. Auch wenn diese ausschließlich Demonstrationszwecken dienen. Aussage: Vietnamesen (oder stellvertretend: Nichtamerikaner) sind zwar auch Menschen - aber leider nicht so gute wie Amerikaner. Man sieht sie nämlich fast ausschließlich in schmucklosen Uniformen durch unterirdische Bunker laufen oder im Hagel der US-Salven fallen. Ernste Dialoge führen sie nicht, und folglich sind sie nicht mehr als eine Masse gesichtsloser Kreaturen. Da nützt es auch nichts, daß einer (!) von ihnen eine Brille trägt, ein Tagebuch mit sich führt und irgendwo eine Frau auf ihn wartet. Hal Moore beschreibt sie in einem Gebet: "Oh Herr, höhre nicht auf die heidnischen Bitten unserer Feinde!" Oh ja, Gott ist ein Amerikaner.

Fazit:
Die guten Seiten von "Wir waren Helden" sind eine solide Kameraarbeit und eine ganze Menge routiniert in Szene gesetzter Action. Doch darüber hinaus ist der Film nicht mehr als propagandistischer, hurra-patriotischer Schund der übelsten Sorte. Auch wenn er sich anspruchsvoll gibt: Er ist es nicht (... oder nur in amerikanischen Augen, was sicherlich auf ein gänzlich anderes, kulturelles Umfeld zurückzuführen ist). Was als Film mit dokumentarischen Zügen verkauft wird, ist nichts als Plattitüde: Eindimensionale Figuren, die man unter ihren Stahlhelmen noch nicht einmal auseinanderhalten kann, patriotische Sprüche, Klishees ohne Ende. Und auch wenn Mel Gibson noch so oft die Sinnlosigkeit des Krieges verfluchend auf Leichenberge starrt, auch wenn in jeder Filmminute mindestens zehn Menschen sterben und Feuerbälle und Explosionen sich abwechseln: Der Film vermittelt nichts!

Schade nur, daß viele Zuschauer darauf hereinfallen.

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