Nach einem schweren Unfall, bei dem sie ihr ungeborenes Kind verlor, wird eine junge Frau von grausigen Alpträumen geplagt. Ihre Schwester rät ihr, die Hilfe eines Psychiaters in Anspruch zu nehmen, doch auch das hilft nichts. Schließlich gerät die junge Frau in die Fänge einer seltsamen Okkultismus-Gruppe, in der Hoffnung, dort den Ursprung ihrer quälenden Visionen zu finden. Doch plötzlich kommt es zu den merkwürdigsten Todesfällen in ihrer Umgebung und hinter allem scheint die mysteriöse Sekte zu stehen. Es scheint, als würden ihre schlimmsten Alpträume wahr werden.
Nachdem Sergio Martino 1971 schon mit seinem sehr guten "Der Schwanz des Skorpions" und dem herausragenden "Der Killer von Wien" zwei erstklassige Gialli ablieferte, erschien nun lediglich ein Jahr später das eher unbekannte Werk "Die Farben der Nacht". Gleich zu Beginn sollte man darauf aufmerksam machen, das sich dieser Film doch ein wenig vom ansonsten üblichen Strickmuster abhebt und die Geschichte mit einigen Mystery-Elementen sowie surreal erscheinenden Bildfolgen angereichert wurde. Davon kann sich der Zuschauer dann auch sogleich ein Bild machen, wird er doch schon in den ersten Minuten mit einem fieberartigen Alptraum der Hauptfigur Jane konfrontiert und es präsentiert sich ein eher ungewohnter Einstieg in diesen Film des Sub-Genres. Auch in der Folge wiederholen sich solche Einstellungen mehrmals, weshalb man auch in einigen Phasen des Geschehens schwerlich zwischen Realität und Fiktion unterscheiden kann. Auch die gesamte Erzähl-Struktur der Story ist nicht unbedingt geradlinig und so muss man schon die eigene Konzentration aufrecht erhalten, damit man den roten Leitfaden nicht aus den Augen verliert. Martino geht hier etwas andere Wege und lässt dabei einen sehr gelungenen Mix aus Thriller, Krimi-und Mystery Film auf den Betrachter los, zu dem man allerdings erst mit zunehmender Laufzeit den endgültigen Zugang findet. Ist dies aber erst einmal geschehen, dann wird man mit einer wirklich sehenswerten Inszenierung belohnt, die ihre ganz große Stärke sicherlich in visueller Hinsicht beinhaltet, denn die kräftigen Farben und die teils surreal erscheinenden Visionen sorgen dafür, das es phasenweise zu einem wahren Bilderrausch kommt, der einen in echte Verzückung geraten lässt.
Gleiches trifft auch einmal mehr auf Hauptdarstellerin Edwige Fenech zu, die allein schon durch ihr optisches Erscheinungsbild ein Fest für die Augen ist. Ihr zur Seite stehen mit George Hilton und Ivan Rassimov zwei weitere Größen des Gialli, so das man fast schon von einer wirklichen Starbesetzung sprechen kann. Die ansonsten üblichen Morde treten hier zunächst erst einmal gar nicht in Erscheinung, worin schon der größte Unterschied zu den meisten Genre-Kollegen genannt ist. Martino rückt vielmehr seine weibliche Hauptfigur in den Fokus und versucht dabei, dem Zuschauer einen möglichst tiefen Einblick in deren seelischen Zustand zu gewähren. Größtenteils gelingt das auch ausgezeichnet und so vermisst man auch kaum die obligatorische Mordserie, die einen Film dieser Gattung doch ansonsten auszeichnet. Es entpuppt sich eher ein Szenario in dem man dem Betrachter etliche kleine Hinweise liefert, die letztendlich dazu führen könnten, die phasenweise mysteriösen Abläufe zu erklären. Irgenwer möchte nämlich ganz offensichtlich die hübsche Jane in den Wahnsinn treiben oder ihr gar nach dem Leben trachten, wobei die Motivlage dafür wie auch die Identität des Übeltäters lange im Dunkeln bleiben. Bis sich das Rätsel am Ende aufklären lässt, wird man von Martino auf etliche falsche Fährten angesetzt und hat dabei seine helle Freude an einem wunderbaren Rätselspaß.
Auch wenn in vorliegendem Fall kaum visuelle Härte zu sehen ist, erlangt der Plot doch größtenteils ein Höchstmaß an Intensität und streckenweise leidet man regelrecht mit der bezaubernden Edwige mit, die immer mehr zu der Erkenntnis gelangt, das sie nicht mehr weit vom absoluten Wahnsinn entfernt ist. Dieser Aspekt wird immer wieder in regelmäßigen Abständen eingeführt und macht einen noch neugieriger auf die Zusammenhänge einer Geschichte, die auf den ersten Blick gar nicht so leicht zu entschlüsseln ist. Für manch einen mag das eher negativ erscheinen, doch meiner persönlichen Meinung nach zeigt sich an dieser Stelle vielmehr ein absolutes Qualitäts-Merkmal dieses außergewöhnlichen Gialli, den man eventuell auch mehrmals sichten muss, um seine ganze Klasse zu erkennen. Ein toller Cast, sehr viel Spannung und ein visuell ansprechender Bilderrausch machen "Die Farben der Nacht" in meinen Augen sogar zu einem kleinen Juwel, dem viel zu wenig Beachtung geschenkt wird, die das Werk von Martino aber definitiv verdient hätte.
Wie dem aber auch sei, im Prinzip führt für eingefleischte Gialli-Liebhaber kein Weg an diesem Film vorbei, in dem eine wie immer betörende-und verführerische Edwige Fenech das Herz eines jeden Mannes höher schlagen lässt, so das man den guten George Hilton wahrlich darum beneidet, in der Rolle ihres Lebensgefährten an ihrer Seite agieren zu dürfen. Zwar kommt "Die Farben der Nacht" ganz sicher nicht an die herausragende Klasse eines "Der Killer von Wien" heran, bietet aber dennoch einen weiteren-und mehr als gelungenen Genre-Beitrag von Sergio Martino.
Fazit:
Fieberhafte Impressionen, surreale Momente und der Einfluss von diversen Mystery-Elementen heben diesen Film von der sonst üblichen Gialli-Kost ab. Gerade dadurch erlangt das Werk aber eine kleine Ausnahme-Position und ist umso höher einzuschätzen, denn der hier gewählte Weg hebt sich doch eher wohlwollend vom sonst Üblichen ab. Ich kann es aber auch durchaus nachvollziehen das dieser Film nicht jedem gefällt, jedoch sollte man ihm auf jeden Fall eine faire Chance geben, um eventuell eine sehr positive Überraschung zu erleben.
8/10