Ja holla, was ist das denn? Da stolpert man in der Videothek über einen Streifen, von dem man noch nie gehört hat, erblickt verblüfft das Produktionsjahr (1972!) und liest dann auch noch die Empfehlung für Giallo-Freunde.
Na, da nehmen wir doch mal nen Happen, denkt man und wirft den Streifen ein.
Und siehe da, das Ding geht ab wie'n Zäpfchen. Zwar hat das alles mit Giallo nur das Produktionsland zu tun, aber dafür hat der Herr Autor bei "Rosemaries Baby" wohl gut aufgepaßt, denn hier wird nicht recycelt, sondern geschickt verbraten.
Rein ins Gefecht: Die Vortitel gibt's noch mit Landschaftsstilleben und dann ab in die Vollen. Erst mal richtig Horror-Show mit einer Traumvision der surrealen Art, auf einer Bühne aufgenommen mit verfremdeter Optik. Da freut sich eine Gewitterhexe mit schlecht getricksten schlechten Zähnen in die Kamera und im Bette liegt die Jungversion der Mutter aus "Gilbert Grape" und wartet sichtlich auf die Niederkunft ihrer Neunlinge. Zwischendurch blitzen stahlblaue Augen und irgendjemand fährt immer mit einem Stilett auf die Kamera zu.
Brr, davon würde ich auch aufwachen. Unsere Heldin Jane hat derlei Träume des öfteren, seit ihr Schatzi Richard den Wagen gegen einen Baum gefahren hat und sie ihr Kindelein verlor. Da kann man jetzt so oder so verfahren -verdächtig ist alles. Richard läßt sie ständig kombinierte Vitamine einwerfen, die gar bläulich schimmern und von denen sie reichlich göbeln muß, ihr Schwesterherz Barbara, deren Augen wie alle hier so aufdringlich aufgerissen geschminkt und in Szene gesetzt wurden, daß alle etwas abwesend wirken, will sie zum Psychiater schleifen. Der erklärt sie schon für beinahe gesund, was sie jedoch kaum beruhigt, denn der stahlblaue Fremdling stiefelt auch in der Realität andauernd durch die Gegend und setzt in der U-Bahn zum Sprung an.
Als sei das noch nicht genug, wird sie jetzt auch noch von der neuen Nachbarin Mary abgefangen, der die blanken Möpse beinahe aus ihrem transparenten Hauskleid rutschen. Die hat auch die Lösung: eine schwarze Messe tut gut!
Wir als geistig noch lebendige Menschen würden uns bei der Wahl zwischen Chemie, Psychiatrie und Satanismus zwar sofort in die Drogen flüchten, aber Jane probierts mal mit Onkel Beelzebub, der zufällig gleich nachtmittags um fünf Zeit hat. Vorher versucht sie noch einen barschen Anwalt aufzusuchen, doch Stahlauge wirft mit Tierschädeln nach ihr und geht im Treppenhaus mit Stiletto auf sie los. Nix wie los zum Hexensabbat.
Klar, daß der in schön rötlich ausgeleuchteten Kellerräumen stattfindet, mit reichlich Trümmerlotten in ebensolchen Kaftanen. Der Top-Ober-Max sticht munter erst mal ein Hundebaby ab und reicht Jane den vollen Becher. Dann doch lieber Kieselerde mit Calcium. Anschließend muß natürlich der Sektenführer, der Transenfingernägel trägt und mit seiner Extrem-Parodontose nicht gerade zum Zungenkuß einläd. natürlich erst mal lutschen und dann noch über das Mädel rüber, während die anderen nur mal grabbeln wollen. Hysterie, blanke Brüste, Panik, Pizza an die Decke.
Die Träume sind weg, Jane fühlt sich unwirklich, der Verfolger ist noch da und murmelt seniles Zeug. Wieder Panik, Flucht, zweite schwarze Messe, wobei diesmal Jane auch noch Mary über die Klinge springen läßt. Wieder Flucht. Ja, wie denn auch sonst, denn Richard hat inzwischen den Hang zum Okkulten und macht sich auch sonst verdächtig. Er hat allmählich die Schnauze voll, weil seine Holde ihn nie zu seinem Vertreterjob kommen läßt und er ständig nach Hause reisen muß, obwohl sie dann immer gerade nicht da ist.
Ergo huscht sie erst mal zum Psychiater, der sie aufs Land verfrachtet, wo sie, logo, auch nicht sicher ist. Dann ist aber auch langsam Achterbahn, denn Schwesterherz und Richard-Schatz blasen mit Kanone und Heugabel ebenso zur Attacke wie die Teufelssekte mit ihren Stiletten, Realität und Traum vermischen sich, bis die Polizei endlich Klarheit in das Getaumel bringt. Kaum zu glauben, daß die noch nicht vorher eingeschaltet wurde. Wers war, verrate ich jetzt mal nicht, weil ich gemein bin, gebt es euch selbst.
Natürlich ist das zum Kreischen albern, aber mit derart todernstem Gesicht gespielt, daß ich einfach meinen Hut ziehen muß. Vor allem ist das mit einem Bilderreichtum in Szene gesetzt, der seinesgleichen sucht. Ständig ist was los, ständig ist Druck, der Rausch ist da. Hier weiß wirklich keiner mehr, was denn nun eigentlich abgeht und das liegt an der finster wimmernden Musik, die so ziemlich jede Verstopfung beseitigen und jede Psychose auslösen kann. Noch mehr Meisterschaft hat der Kameramann, der die Straßen, Schlösser, Landhäuser und Aufnahmeorte unnachahmlich in wunderbar unheimliches Licht taucht, obwohl volle Pulle Sonnenschein herrscht. Ein Anblick, in dem man schwelgen kann, unwirklich und real zugleich.
Die schauspielerischen Leistungen sind natürlich naja, woran das Drehbuch einen Teil der Schuld mitträgt, aber ganz im Sinne der 70er. Blut gibt's auch, wenn auch nicht allzu doll, dafür hagelts aber Tote, teilweise so surreal eingefangen wie bei "Mit Schirm, Charme und Melone".
Wer das anno dunnemal mit eingeworfener Pille genossen hat, knabbert heute wohl noch die Gummifassung von der Zellenwand.
Alle übrigen sollte schnell zugreifen, bevor die Leihausgabe wieder zurückgeschickt wird und mit Trailer, Galerie und Lebensläufen von Regisseur und Hauptdarsteller ist das Ding ein wahres Video-Schmuckstück. Wie haben meine Eltern das früher genannt? Heißer Scheiß! Trifft voll ins Schwarze - staunen, gröhlen, noch'ne Pille (6,5/10)