Danny Parker ist Tom Van Allen und Tom Van Allen ist Danny Parker und wer er wirklich ist, das lässt er den Zuschauer entscheiden. Schon die Anfangsszene von D.J. Carusos The Salton Sea, die den Protagonisten Trompete spielend in einem brennenden Raum und aus dem Off kommentierend zeigt, gibt einen Teil des verworrenen und diskontinuierlichen Weges vor, den der Film in der Folge geht. Das Spielfilmdebüt von Regisseur Caruso verliert sich dabei manchmal ein wenig selbst aus den Augen, kann aber mit schrägen Charakteren, ausgezeichneter Besetzung und seiner geschickt-cleveren Konstruktion gefallen.
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Besonders bei Hauptfigur Danny/Tom begnügt sich Tony Gaytons Drehbuch nicht mit einem doppelten, nein, es darf ein dreifacher Boden sein, um die Geschichte des Jazz-Musikers Tom zu erzählen, der nach der Ermordung seiner Frau in die Junkie-Szene L.A.‘s abrutscht und sich fortan Danny nennt. Danny und seine Clique spritzt und schnieft sich durch eine Drogenparty nach der nächsten; feiern, bis sie jedes Zeitgefühl vergessen und von gleißendem Sonnenlicht unangenehm überrascht werden, wenn sie nach Tagen mal wieder die Haustür öffnen. Nebenbei ist Danny aber auch Polizeispitzel und liefert Dealer an die Cops Garcetti und Morgan. Gefährlich wird es, als es ein paar Kolumbianer auf ihn abgesehen haben, die Polizisten ihn fallen lassen und er sich auf einen gefährlichen Handeln mit dem durchgeknallten Dealer ‚Pooh, der Bär‘ einlässt, um mit dem Erlös untertauchen zu können. Oder hat Danny eigentlich etwas ganz anderes vor?...
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Der Einstieg in The Salton Sea erfolgt in rasendem Tempo, die Szenen werden wild aneinandergekettet. Sie wechseln von Doku-Aufnahmen über den Werdegang des synthetischen Stimulans Methamphetamin hin zu Zeitraffern, Verlangsamungen und Farbfiltern, die die Trips der Junkies und ihren Dauerfeierzustand visualisieren und springen im Sekundentakt von schwerem Trompetenspiel rüber zu Dean Martins Swing-Klassiker ‚Ain't that a kick in the Head‘ und ebenso nahtlos zu Blink 182‘s Pop-Punk-Bombe ‚Man Overboard‘. Die erste ¼-Stunde verweigert sich der Film jedweder Form von Storytelling, vermittelt stattdessen nur Eindrücke und als einzigen wirklichen Akt einer Handlung das Zusammentreffen von Danny und seinem Kumpel Jimmy mit einem zugedröhnten Dealer, den Danny kurze Zeit später an die Cops verpfeift. Mit diesem ersten Twist, bei dem Danny als Spitzel geoutet wird, biegt The Salton Sea jedoch auf eine geradere Spur ab, geht mit Informationen aber weiter sparsam und teils beiläufig, teils deutlich eingebaut um. Von den Umständen des Mordes an Dannys Frau Nancy erfährt der Zuschauer häppchenweise, wodurch man Stück für Stück hinter die Motivation des Protagonisten kommt.
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Interessant gehalten wird dies vornehmlich durch Val Kilmers schauspielerische Leistung. Wirkt er zu Anfang zwischen Partystimmung und Verrat noch etwas teilnahmslos, entfaltet er mit dem anwachsenden Hintergrund des Charakters (und der Verknüpfung einiger gezeigter Szenen mit Nancys Tod) auch sein Spiel minütlich weiter. Kilmer gibt den Facetten seiner quasi-Doppelrolle viel Ausdruck, macht Tom Van Allens Tragik ebenso deutlich, wie Danny Parkers Abgewracktheit. Dabei bleibt allerdings während der gesamten Laufzeit der Eindruck, dass sein Konflikt zwischen Loyalität seinen Kumpels, seiner Szene gegenüber und der Notwendigkeit des Verrats, um sein wahres Ziel als Tom zu erreichen, zu sehr unterbetont bleibt. Hier wäre noch weit mehr Intensität aus Kilmer und dem Film insgesamt herauszuholen gewesen.
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Dies begründet sich auch durch die überdrehte Zeichnung der Nebenfiguren. Eine zwar amüsante, aber den Plot katalytisch-verpanschende Sequenz, die den bekloppten Einbruchsplan des Junkies Kujo (und in Flashforwards auch gleich dessen Scheitern) zeigt, trägt absolut nichts zur Handlung bei und ist in ihrer Abgedrehtheit vehement unproduktiv. Dannys Clique ist ein spitzwinklig schräger Haufen, der die Drogenproblematik nicht zur solchen macht, was in seiner Undifferenziertheit dem Film nicht schlecht steht, da es ihn nicht zur Moraloper verschiebt, dennoch ist das Ganze einen Tick zu albern geraten. Dannys Zwiespalt geht darunter verloren und auch die Bindung zu seinem besten Freund Jimmy, den Peter Sarsgaard nach realem Vorbild darstellt, trägt dazu nichts bei, da der gutmütig-ergebene Jimmy so unbedingt von Danny gemocht werden will, dass er ihm sogar Verrat und Scheinidentität nicht verübelt.
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Obwohl The Salton Sea an manchen Ecken Potenzial verschenkt, ist Caruso dennoch ein bemerkenswerter Film gelungen. Der Plot bleibt bis zum Schluss verwinkelt und überraschend, die Schauspieler sind (trotz einiger erwähnter Misstöne) glänzend. Neben Kilmer und Sarsgaard, sowie Doug Hutchison und Anthony LaPaglia als Cops, ist es vor allem Vincent D'Onofrio, der mit einer denkwürdigen Performance als ‚Pooh, der Bär‘ das Geschehen an sich reißt. Mit künstlicher Bräune, blondiertem Schopf, Plastiknase (seine echte hat ‚Puuh‘ nach zu exzessivem Drogenkonsum verloren) und mit ein paar Tauben das Kennedy-Attentat nachstellend gelingt D'Onofrio die Gratwanderung zwischen durchgedreht und ernstzunehmend-gefährlich. Nebenbei fährt The Salton Sea ein tolles Aufgebot an stets gern gesehenen Charakterköpfen wie Danny Trejo, Meat Loaf und Luis Guzmán auf. Kürzer und weniger prägnant geraten die weiblichen Rollen, sowohl Deborah Kara Unger als Dannys Nachbarin Colette, als auch das kanadische Modell Shalom Harlow als Nancy bekommen wenig Charakter und besonders in Ungers Fall viel Klischee.
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The Salton Sea bietet, trotz deutlicher Vorbilder und Anleihen (etwa bei Christoper Nolans Paradebeispiel eines vertrackt erzählten Thrillers Memento, oder David Lynchs ausschließlich interpretativ-erfahrbarem Meta-Puzzle Lost Highway) genügend Eigenständigkeit, um als gutes Thriller-Drama wahrgenommen zu werden, welches mit seinem visuellen Stil, einem erstrangigen Showdown und in Gestalt von Val Kilmer, für seine Rolle 2003 mit dem Prism Award ausgezeichnet, eine starke Verkörperung findet.