Eigentlich ansonsten im TV-Geschäft tätig, gelang Regisseur D. J. Caruso mit „The Salton Sea“ der Einstieg ins Kinogeschäft. Obwohl nur sehr limitiert in den amerikanischen Kinos gestartet und deswegen auch kein kommerzieller Erfolg, eilt sein guter Ruf dem Film voraus. Wirklich schade, dass Caruso infolge mit „Taking Lives“ seine hier gezeigten Qualitäten wieder einbüßte, denn er schafft es nicht nur den damals zwischenzeitlich wieder schlanken Val Kilmer („Top Gun“, „Willow“) zu einer seiner besten Leistungen zu peitschen, sondern eine tragische Geschichte doppelbödig zu erzählen.
Denn zunächst herrscht hier der Eindruck eines gleichermaßen melancholischen wie frechen „Trainspotting“ – Verschnitts vor, in dem Danny Parker (Kilmer) über die Historie der Drogen und heimlich süchtige Bekannte überzeugend in witzigem Kontext resümiert, während er in einer brennenden Wohnung sitzend Trompete spielt und ahnt, dass es mit ihm zu Ende gehen wird. Deswegen erzählt Danny dem Zuschauer ein letztes Mal seine tragische Geschichte an deren Ende der Zuschauer erst sein Urteil über in fällen soll.
Augenscheinlich ein Wrack, das sich nach der brutalen Ermordung seiner Frau selbst nicht verzeihen kann aus Angst nur tatenlos zugesehen zu haben und so tief ins Drogenmilieu rutschte um zu vergessen, beginnt „The Salton Sea“ einen lockeren Ton anzuschlagen, der jenen abgedrehten Szenenstudien mit schrillen Typen, meist auf Drogen, stets zueigen ist. Von fertigen Abhängigen bis zu durchgeknallten, halluzinierenden Dealern regiert der Humor, der das tragische Schicksal dieser Menschen vorübergehend in etwas Lustiges verkehrt, bis wir Danny richtig kennen lernen.
Er verfolgt einen Plan, der sich in den letzten Minuten des Films erst kristallisiert. Seine Spitzeltätigkeit für ein korruptes Bullenduo, für das er regelmäßig Informationen über Dealer bereithält, das ihn nur ausnutzt und fallen lässt, gehört auch dazu. Von ihnen verprügelt und erniedrigt, wird ihm eingebläut, dass er ausgedient und zu verschwinden hat, da ihm sonst der Tod einholt. Also bleibt ihm nichts anderes übrig als sich eine Waffe zu besorgen und einen letzten lukrativen Deal durchzuziehen. Oder etwa doch?
„The Salton Sea“ erweist sich vor allem anfangs als vergnügliches Drogendrama, dann schnell als Skizze eines Losers und dann als ausgefeilte Rache einer verletzten Seele, die Vergeltung üben will und sich nur zum Schein auf das Spiel einlässt. Val Kilmer, mit Tattoos übersät, meistert diese Facetten gekonnt und überzeugt mit seinem lustvollen Spiel wie schon lange nicht mehr in seiner bröckelnden Karriere. Er hat sich in Wirklichkeit nie für das Vergessen entschieden, sondern folgt eine von langer Hand ausgetüftelte Strategie, die ihn von seiner Verwandtschaft schon lange isoliert hat.
D. J. Caruso sorgt derweil dafür mit visuellen Gimmicks, dass dieser ungewöhnliche Mix aus Drama und Thriller auch optisch nicht in gewohnten Bahnen verläuft, unterstreicht Aussagen mit exzentrischen Kameratricks und sorgt bisweilen auch gern für viel tristes Interieur.
In dieser grundsätzlich von extremen Figuren heimgesuchten Welt, die von korrupten Cops bis hin zu reichlich durchgeknallten Dealern wie dem nasenlosen (!!) Pooh-Bear (Vincent D'Onofrio, „Full Metal Jacket”, „Impostor”), der in einer komplett denkwürdigen Sequenz zusammen mit Danny Trejo Parker einen aggressiven, hungrigen Waschbar unter seine Genitalien schiebt, um dessen wahre Absichten zu prüfen, bevölkert wird.
Nuanciert behält Val Kilmer in seiner Situation stets die Übersicht. Das glaubt er zumindest, weil er niemanden an sich heranlässt. Und doch beginnt er einen Fehler, weil er Mitleid hat und einer Person mehr anvertraut als ihm gut tun soll. Danny folgt keinen Illusionen sondern hat nur sein klares Ziel vor Augen, versteht dafür sich mit seiner Rolle zu identifizieren. Zum Trauern um seine Frau findet er bis dato keine Zeit, sondern ruft sich stattdessen immer wieder die emotional aufgeladen inszenierte Nacht ins Gedächtnis, in der seine Frau verstarb und die aus ihm einen anderen Menschen machte. Für seine Vergeltung ist er auch bereit zu sterben.
Der ungewöhnliche Umgang mit bizarren Humoreinlagen (u.a. „Kujo’s Plan“, die Nachstellung des Kennedy-Attentats) und Kilmers tragischem, nie zurücksteckenden Danny Parker, der mal aufgeweckt und dann wieder in Melancholie versunken seine Vergangenheit aufzuarbeiten versucht, bescheinigen diesem ungewöhnlichen Werk ein Kultpotential, das es inzwischen zu einem Geheimtipp erwachsen lassen hat. Denn so viel Substanz findet sich selten in so gearteten Filmen.
Trotz um Auflockerung bemühter Kapitel bewegt sich „The Salton Sea“ düster und depressiv vorwärts. Die tollen Mono- und Dialoge sind stark und sagen meist mehr aus als es zunächst den Anschein hat. In seiner sprunghaften Erzählweise gibt er stückweise die volle Wahrheit preis und sichert sich das Interesse und die Sympathien des Zuschauers, deren Neugier Danny schon früh weckt. Val Kilmer erhält für die gelungene Darstellung seiner tragischen Figur dabei prominenten wie gut spielenden Support von bekannten Gesichtern wie Anthony LaPaglia, Deborah Kara Unger, Meat Loaf oder R. Lee Ermey, die zum Teil aber auch nur in kleinen Nebenrollen agieren.
Das gemächliche Tempo wird sicherlich nicht jedem Zuschauer entgegenkommen. Dies ist aber vonnöten, um ihn nicht zu überrumpeln, denn „The Salton Sea“ bleibt unter seinem Deckmantel bis zum Schluss ein melancholisches Drama, das als Genremix unwahrscheinlich gut funktioniert und von Dannys Off-Kommentar die nötigen Hinweis erhält, zumal die prima getimten Wendungen immer wieder für Verblüffung sorgen können und der Zuschauer am Ende sein Urteil über Danny Parker alias Tom Van Allen soll.
So einen ambitionslosen Eindruck „The Salton Sea“ in den ersten, lockeren Minuten auch erweckt, am Ende erkennt man den Sinn und auf Danny wartet die Wiedergeburt dank eines einzigen, letzten Freundes. Was er daraus macht, ist seine Sache, aber seine Schuld hat er abgelegt und dafür den Blick positiv in die Zukunft gerichtet.
Fazit:
Sehr überzeugend inszeniertes Drama eines von Schuldgefühlen und Trauer zerfressenen Mannes, der sich aufrafft um beides zu bewältigen. Val Kilmer identifiziert sich mit seiner tragischen Figur wie schon ewig nicht mehr und D. J. Carusos absolut überzeugende Regie, die stets genau den richtigen Ton trifft und „The Salton Sea“ nie zu depressiv oder schwerverdaulich im Griff hat, hat sich damit für mehr empfohlen. Dass er nie wieder zu so einer Leistung zurückfand, liegt vielleicht an der hiernach gewachsenen Erwartungshaltung.
„The Salton Sea“ ist und bleibt mit Sicherheit jedenfalls (leider) ein Geheimtipp mit einer unerwarteten Geschichte, guten Schauspielern und mehr Tiefgründigkeit als ich vermutet habe. Klasse!