Eine Revolution des Genres ist Brad Anderson, dessen aktueller Film „The Machinist“ als Geheimtipp gehandelt wird, mit „Session 9“ sicher nicht gelungen, dafür aber ein sehr feiner Beitrag zur Spukhausabteilung, die von Klassikern wie „The Haunting“ oder dem popigen losen Remake „House on Haunted Hill“ angeführt werden. Dennoch erinnert wenig in dieser sparsamen in DV gedrehten Produktion, die sich optisch wie ein TV-Film präsentiert, an die großen Vorbilder. Anderson wärmt hier mal nicht alte Ideen auf, sondern geht, ohne großartig auf Effekte zu setzen, psychologisch an die Sache heran.
Das „Danvers Mental Hospital“ ist ein ehemaliges Krankenhaus für psychisch gestörte Menschen – ein heruntergekommenes Irrenhaus. Um es nach Jahren des Verfalls wieder in Schuss zu bekommen, muss erst das Asbest entfernt werden. Gordon (Peter Mullan) inspiziert zusammen mit seinem Freund und Kollegen Phil (David Caruso, „CSI: Miami“) den Bau, macht dem Inhaber ein Angebot und lässt sich für eine Sonderprämie auf eine Arbeitszeit von einer Woche ein. Die Zeit ist knapp gemessen, drei zusätzliche Bekannte werden hinzu gezogen und los geht’s.
Anderson setzt bei seiner Inszenierung nur sehr selten auf Schockeffekte und ist sich der Ausstrahlung dieser Location bewusst. Ohne Einsatz von Musik oder extravaganter Schnitttechnik lässt er die Kamera durch die Leere der Anstalt schwenken. Das kaum spürbare, unterschwellige Brummen unterstützt den Eindruck, dass hier etwas nicht stimmt, irgendwo eine Gefahr oder personifiziertes Grauen wartet. Dieses ehemalige, völlig herunter gekommene Krankenhaus ist kein Platz an dem man gern sein möchte. In den Katakomben gibt es zu viele dunkle Tunnel, die „Zellen“ haben zu viele Geschichten zu erzählen und obwohl keinen der Männer bei der Sache richtig wohl ist, werden sie neugierig. Einer soll längst vergessene Tonbänder entdecken und ist von der Schizophrenie der Kranken fasziniert.
In der ersten Hälfte des Films ist Anderson ganz damit beschäftigt diese unheimliche Aura aufzubauen. Der Gebäudekomplex wird von außen in Weitwinkelaufnahmen in Bedrohlichkeit getaucht, während die ein oder andere Person der Arbeitertruppe schon mal eine überzogene Reaktion an den Tag lehnt. Als dann der erste verschwindet, scheint sich tatsächlich irgendwer in diesem Gemäuer herumzutreiben.
Leider werden nicht alle Fragen beantwortet und man muss sich einen Großteil des Zusammenhangs nach der Auflösung selbst zusammen reimen, obwohl dem aufmerksamen Zuschauer schon recht früh klar ist, wer hier nun für die unheimlichen Vorfälle verantwortlich ist. „Session 9“ bezieht seine Kraft weniger aus dem Herumgerenne in dunklen Gängen (obwohl hier der beste Schockmoment zu finden ist), sondern aus der sich verändernden Psyche der Darsteller, die sich dem Einfluss des Hauses, zumindest zum Teil, nicht entziehen können. Wenn die alten Tonbänder des schizophrenen Mädchens laufen und sich im Kopf erste Stimmen manifestieren, ist das weit effektiver, als Licht flackern zu lassen und musikalisch auf die Tube zu drücken. Schade nur, dass beim blutigen Ende die unheimliche Atmosphäre ein wenig flöten geht.
Die Schauspieler erledigen ihre Arbeit, obwohl es größtenteils unbekannte Gesichter sind, gut und sind in ihren Rollen vor allem realistisch. „Session 9“ hat weder Klischeecharaktere, noch nervige Figuren, die sich in den Vordergrund spielen wollen. So bleibt auch lange offen, wer hier nun noch er selbst ist, oder nicht mehr richtig tickt. Der Film ist kein reiner Horror- oder Gruselfilm, sondern zum Großteil ein Psychothriller, auch wenn der Film auf den ersten Blick einen anderen Eindruck macht.
Anderson führt den Zuschauer an der Nase herum, suggestiert ein verfluchtes Haus mit tödlichen Ambitionen. In Wirklichkeit funktioniert es aber nur als Katalysator. Will hier nicht weiter auf diese intelligente Idee eingehen, da sonst der Filmspaß getrübt wird.
Fazit:
„Session 9“ ist ein intelligenter Beitrag zu einem oft enttäuschenden Subgenre (Siehe Jan de Bonts Remake „Das Geisterschloss“). Obwohl die Location auch hier dank exzellenter Kameraarbeit und Ausleuchtung das pure Unwohlsein beim Zuschauer beschwört, liegt der Hund hier woanders begraben. Ein Meistwerk ist Brad Anderson damit nicht gelungenen, aber dafür eben ein etwas „anderer“ Mix aus Horror- und Psychothriller. Ruhig mal drauf einlassen. Angesichts lahmer Staubfänger in der Videothek durchaus für eine deutsche Veröffentlichung zu gebrauchen.