Serienmorde nach der Vorgabe der sieben Todsünden
So ab und zu erblickt eine Perle die Leinwand, bei der man als Zuseher mit offenem Mund während des Abspanns sitzenbleibt. Selten kommt großes und neues Kino aus Amerika, doch mit „Sieben“ wurde nicht nur die Meßlatte für alle Nachfolger sehr hoch gelegt, sondern der Film ist ein Meilenstein des Thrillers und dort des Subgenres „Serienkiller“. So gegruselt hat man sich seit dem „Schweigen der Lämmer“ nicht mehr, wenngleich die beiden Filme doch sehr unterschiedlich sind. Setzt letzterer stark auf die Person eines abgründig bösen Psychopaten und gibt diesem dadurch viel Raum, geht es bei „Sieben“ eher um die traurige Darstellung des Menschseins und der zusehenden Verrohung unserer Gattung. Kein Wunder, daß sich ein Killer daranmacht, uns zu lehren, was es heißt, Todsünden zu begehen.
Sieben sind es, und daher auch der Titel des Films, jede Todsünde grausig und detailreich bestraft, aber nicht in Gewalt schwelgend. Zwei Detectives begeben sich auf die Ermittlung in die finsteren Abgründe der menschlichen Seele, der altgediente Fuchs Somerset und der Neuling und Heißsporn Mills. Sie ermitteln bei strömendem Regen in einer namenlosen Großstadt und sind doch dem Killer stets einen Schritt hinterher. John Doe, so das selbst gewählte Pseudonym des Mörders, hat alles bestens im Griff und folgt einem finsteren Plan, der auch äußerst langfristig angelegt ist. Er richtet Menschen, die eine der Todsünden begangen haben sehr grausam, doch stets passend zur jeweiligen Sünde. Durch ihre unkonventionellen Ermittlungsmethoden können die beiden Detectives zwar Doe auf die Spur kommen, doch dieser stellt sich der Polizei, um seinen Plan zu vollenden – und hat noch eine besonders grausame Wendung im Gepäck, die einen der beiden Ermittler persönlich betrifft.
Ein Meisterwerk, ganz klar, wenngleich der finale Twist das Geschehen und vor allem den langfristigen Plan doch ein wenig konterkariert. Aber das macht nichts, denn einen derartig fiesen Kniff wie zum Ende dieses psychologisch sehr stimmigen Streifens hat man lange nicht gesehen. Dezent wird dieses Finale vorbereitet, die Optik des Films und der Score sorgen für eine Atmosphäre der Bedrohung und latenter Gewalt, die den Betrachter schaudern läßt. Der Regen und das sehr stimmige Spiel der Darsteller sind der Boden für ein faszinierendes Drehbuch, welches sich zeit läßt für Wendungen und Gespräche und nicht in vordergründiger Gewalt schwelgt. Sicher sind die Mordschauplätze äußerst detailreich in Szene gesetzt, doch die Kamera hält nicht voll drauf, widerliche Details erfährt man erst aus Erzählungen und Gesprächen, ein Beweis dafür, daß Horror stets mehr im Gehirn des Zuschauers entsteht. Man kann diesen Film, anders als übliche Killerthriller, mehrfach ansehen, auch wenn mit dem finalen Twist natürlich der erste Reiz vorüber ist. Aber allein die Bilder und die stimmigen Dialoge, ganz besonders die Gespräche zwischen Doe und Mills, sorgen für Nachdenklichkeit, da man die Motive des Killers verstehen und nachvollziehen kann. Die Optik des Films ist über jeden Zweifel erhaben, der Vorspann mehrfach kopiert, und allein der kleine Storyhänger im letzten Drittel verhindert die Höchstwertung – so reicht es noch für 9/10.