Wenn die Bösen Gutes tun, geht das meistens schief. Eine weitere Moral, welche man aus der Geschichte hier ableiten kann ist, dass der Schuster bei seinen Leisten bleiben soll. Noch weitere Lebensweisheiten wurden in ein Filmchen verpackt, welches endlich Mal einen gelungenen Kinderfilm für Erwachsene darstellt - oder doch eher einen nicht kindischen Kinderfilm? Ihr merkt schon, das Werk, um das es heute gehen soll, kann man nicht so richtig einordnen; und dass ist ausnahmsweise gut so.
Die Fantasygeschichte geht von der Prämisse aus, dass jeder Feiertag eine eigene Stadt hat, deren Bewohner das ganze Jahr über nicht anderes zu tun haben, als "ihren" großen Tag vorzubereiten. In Halloween-Town ist man mit dem gerade abgelaufenen Fest der Hexen und Dämonen recht zufrieden. Die stets zu Schabernack aufgelegten Bewohner sehen aber auch alle aus, wie frisch einem Alptraum entsprungen. Nur Jack Skelleton, der Herrscher von Halloween-Town, ist nicht ganz glücklich. Ihn langweilt die Sache langsam und er spürt, dass seinem Leben irgendetwas fehlt. Nur was? Durch Zufall gelangt er eine Kreuzung, an der sich die Zugänge zu den übrigen Feiertagsstädten befinden. Er gerät nach Christmas-Town und beobachtet das dortige bunte und von Herzlichkeit geprägte Treiben zuerst mit Verwunderung ("Keine Monster unter den Betten?"), dann mit Begeisterung. Vom Weihnachtsfieber gepackt kehrt er zurück und verkündet seinen Untertanen, dass er vor hat, dieses Jahr das Weihnachtsfest auszurichten. Leider schafft er es nicht, den besonderen Zauber dieses Festes seinen doch eher makaber eingestellten Leuten zu erklären. Also versucht er, das Besondere an Weihnachtsgeschenken, Lebkuchen und geschmückten Tannenbäumen zu erforschen. Schließlich erkennt er, dass das Besondere an Weihnachten der Nikolaus sein muss. Rasch befiehlt er einigen Häschern diesen zu entführen, damit er, Jack, dieses Jahr an Weihnachten der Welt Freude bereiten kann. Die Halloweenkobolde beginnen auch sofort mit der Produktion von Weihnachtsgeschenken, welche aber alle trotzdem einen Halloween-spezifischen Touch haben. Nur eine Frankensteinmäßige aus Teilen zusammengenähte junge Frau erkennt, dass Jacks Vorhaben in einem Fiasko enden wird...
Die Story hört sich ziemlich schräg an, nicht wahr? Erdacht hat sie sich ein gewisser Tim Burton, bei dessen Namen es bei etlichen Filmfreunden klingeln dürfte. Für alle anderen seinen als Gedächtnisstütze noch ein paar seiner anderen Kreationen erwähnt: "Batman", "Mars attacks!", "Edward mit den Scherenhänden", "Sleepy Hollow"... Zwar wird der gute Tim bei "Nightmare..." nicht als Regisseur erwähnt, doch die ganze Chousse trägt überdeutlich seine Handschrift. Eine flotte Inszenierung treibt das Geschichtchen voran, kleine Details im Vordergrund und Hintergrund zeugen von einem echten Engagement, die Figuren sind ans Skurrilität nicht zu überbieten. Ach ja, die Figuren....
Habe ich schon erwähnt, dass es sich hier um einen Puppenfilm handelt? Um mit Knet und Draht und Stoff gefertigte Gestalten, die stückchenweise bewegt werden müssen, um eine flüssige Bewegung im Film zu bekommen? Da hierdurch der Phantasie der Puppenmacher keine Grenzen gesetzt sind ist der Film ein richtiger Augenschmaus. In wirklich detailfreudigen Sets bewegen sich Dutzende dieser Gesellen und auch ein paar Massenszenen sind in dem Streifen enthalten. Gerade bei den Halloween-Geistern haben die Puppenkünstler eine schier unbegrenzte Kreativität entwickelt. Trotz aller Häßlichkeit verfügen die Puppen über einen gewissen Charme und für Horrorfreunde sogar über einen nicht unerheblichen Niedlichkeitsfaktor. Bewundernswert auch die Weihnachtsstadt: obwohl es sich hier regelrecht anbietet bleibt der Kitschhahn geschlossen. Eher wird das positive Weihnachtsflair mit einem Augenzwinkern serviert.
Sonderapplaus gibt es für Farbgestaltung und Kameraführung. Die Halloweenstadt ist in matten Farben fast schwarz/weiß während Christmas-Town in satten Farben schwelgt. Richtig schön kommt das zur Geltung, als Jack einige Weihnachtsgegenstände mit in seine Heimat nimmt. Hier wird der Kontrast zwischen den beiden Städten richtig deutlich. Wenn man bedenkt, dass jede Figur bei den Dreharbeiten nur minimal verändert werden darf klappt einem bei der Kameraführung der Unterkiefer herunter. Im Gegensatz zu anderen Filmen dieses Genres ist die Kamera hier sehr oft in Bewegung, was bedeutet, dass man nicht nur beachten musste, wie viel man die Figur bewegen darf, sondern auch noch, welchen Weg in welche Richtung die Kamera Einzelbild für Einzelbild zurückzulegen hat - 24 Bilder ergeben eine Sekunde Film. Führt man sich das vor Augen ist das Ergebnis mehr als beeindruckend. Überhaupt sind die Bewegungen sehr flüssig und bei den menschenähnlichen Figuren mehr als realistisch gelungen. Dafür hat sich die zweijährige Herstellungszeit mehr als gelohnt!
Nun noch ein wesentlicher Punkt des Films, zu dem ich persönlich eher neutral gegenüber stehe - und diese Aussage von mir zu einem Musical ist ein sehr großes Kompliment. Ein riesiger Störfaktor bei Filmen, die auf ein jüngeres Publikum zugeschnitten sind, sind diese unsäglichen Musiknummern, welche eigentlich nur dem Zweck dienen, die Laufzeit zu strecken. Mir rollen sich immer die Zehennägel auf, wenn ich an die Kastratenchöre und in den Ultraschallbereich abkippenden Frauenstimmen bei den Disneyfilmen denke, die Melodien anstimmen, die wahrscheinlich mit Zuckerwasser komponiert wurden. Bei "Nightmare..." wird auch viel gesungen - aber zum einen ist es einigermaßen der Handlung dienlich und zum anderen stammt die Musik von Danny Elfman.
Danny Elfman ist ein alter Kumpel von Tim Burton und hat bisher jeden seiner Streifen vertont. Dieser Elfman hat einen gewissen eigenen Stil, den man sofort erkennt, meistens noch bevor sein Name in den Credits auftaucht. Er benutzt zwar auch ein klassisches Orchester aber er hat eine besondere Art, die Melodien zu arrangieren. Man könnte sagen, Elfman ist das akustische Pendant zu Tim Burtons visuellen Stil. Na ja, schwer zu erklären - auf jeden Fall sind die Gesangsnummern erträglich, da man sich in normalen Stimmlagen bewegt. Tausendsassa Elfman leiht auch in der Originalfassung Jack Skelleton die Stimme. Dass er singen kann, hat er schon mit seinem Nebenprojekt "Oingo Boingo" oder auch nur "Boingo" beweisen. Unter diesem Banner wurden nämlich einige Musik-Alben veröffentlicht, die einen interessanten Mix aus Rock, Jazz und-was-weiß-ich-noch-alles bieten. Zwar nicht mein persönlicher Lieblingsstil, aber einige Stücke finde ich ganz nett - vor allem sind auch sie unüberhörbar Elfman. Um die gesangliche Schiene zu beenden noch der Hinweis, dass in der deutschen Fassung die weibliche Hauptrolle von Nina Hagen übernommen wurde; was sie sehr gut gemacht hat. Fans, die sie aufgrund ihrer Kieckser und spitzen Schreie aus der Punkära schätzen, werden enttäuscht sein - der Rest ist ihr sicherlich dankbar.
Fazit: ein Film, der wirklich zu gefallen weiß. Ausgefallene Story, perfekte Umsetzung, keine Kitscheskapaden, rundum gelungene Unterhaltung mit schwarzhumorigem Einschlag, die nicht nur Kindern goutierbar ist. Auch finden sich etliche Burton-typische Querverweise - der Doktor, der die Dame zusammengeflickt hat, erinnerte mich beispielsweise an Dr. Seltsam und auch die Sandwürmer aus Burtons "Beetlejuice" treffen wir hier wieder. Wer etwas Abwechslung zum gewöhnlichen Hollywoodeinerlei sucht, wird hier garantiert fündig.