Review
von Leimbacher-Mario
Terror trifft Trauerbewältigung
Mittlerweile weiß übertrieben gesagt jedes Kind, dass spanische (oft übernatürlich angehauchte) Thriller (zusammen mit den eiskalten nordischen Krimis und den harten koreanischen Stoffen) die Creme de la Creme dieser Richtung bieten. Nicht nur in Europa. Das war Ende der 90er noch anders, als Jaume Balagueró mit „The Nameless“ sein filmisches Debüt und ein erstes echtes Ausrufezeichen ablieferte. Selbst wenn es auch schon zuvor natürlich fantastische Thriller von der iberischen Halbinsel gab, ich denke da etwa an „Tesis“, „Angustia“ oder „Abre los Ojos“. „Los Sin Nombre“ kann sich da einreihen und erzählt, in etwa wie eine bitterböse Mischung aus „Sieben“, „The Ring“ und einem elterlichen Alptraum, von einer Mutter, die vor Jahren grausam ihre Tochter verloren hat, die diabolisch ermordet worden sein soll, womit ebenfalls ihre Ehe baden ging. Nun, Jahre später, bekommt sie einen Anruf von einem Mädchen, das ausgibt ihre Tochter zu sein. Daher geht die Suche nach der Wahrheit los, die sie sehr nahe an einen mysteriösen, jahrzehntealten und namenlosen Kult führt...
„Los Sin Nombre“ ist ein Fanfavorit, damals wie heute, von Festivals bis in die Heimkinos. Und ich kann voll verstehen warum. Selbst wenn es nicht mein erster Kontakt zu Balagueró war, da kamen „Darkness“ und „[Rec]“ noch zuvor, die mir daher auch persönlich näher stehen und die ich noch mehr mag. Von der verunsichernden Klasse und fiesen Eleganz von „The Nameless“ nimmt das jedoch keine Stück. Kein Wunder, dass das Ding schon auf dem ersten Fantasy Filmfest dieses Jahrtausends schon eine kleine, geheime Sensation war. Gänsehäut trifft Graue(n), Stil küsst Schauer, Trauer verschmilzt mit Terror. Atmosphäre, zum Schneiden dicht. Besonders herausstechend ist hier nicht nur das hoffnungslose Ende, sind hier nicht nur die emotional hochkochenden Darsteller und nicht nur der wirklich gruselige Kult der Namenlosen, irgendwo zwischen den Illuminaten und „Martyrs“ - hier passt einfach das Gesamtbild. Sieht aus wie ein deutscher, biederer Krimi oder Tatort - ist im Endeffekt aber ein echter Alptraum, der tiefer geht, als man eigentlich will.
Fazit: Balagueros Spielfilmdebüt ist eine grau-gruseliger Geschichte über Dunkelheit, Trauer und Verlust, Schmerzen, körperliche wie seelische, die schon viel zurecht andeutete - vom Talent des Regisseurs bis zum Aufstieg und der Qualität des spanischen Thrillers! Geht zwar noch besser - aber auch das hier ist verdammt schaurig, trist und traurig!