Mit „The Nameless“ kommt endlich mal wieder ein kleiner Film zu Ehren, der in der großen Waschmaschine „Videoveröffentlichung“ glatt übersehen werden könnte.
Obwohl das Cover und das Thema stark nach Übernatürlichem riecht, handelt es sich dabei mehr um einen Thriller, allerdings einen, der ruhigen Naturen schon mal die Schuhe ausziehen kann.
Gut, das Genre wird dabei nicht neu erfunden und die Spanier haben in dieser Geschichte ihre Hausaufgaben in Sachen Filmgeschichte gemacht, aber wie sie die Bestandteile anordnen, hat ihren Reiz.
Die Story dreht sich um ein verschwundenes Mädchen, daß scheinbar tot aufgefunden wird, nachdem man es offenbar entführt hatte und das sich nach fünf Jahren plötzlich bei der immer noch nicht ganz wieder fitten Mama meldet. Zusammen mit dem ermittelnden Beamten von damals macht sie sich auf die Suche und kommt einer fast unbekannten Sekte auf die Spur, die im Verborgenen agiert und sich auf das absolute Böse als anstrebenswertesten Zustand eingeschossen hat, weswegen sie ihre Opfer auch brutalstmöglichst zu Tode foltern.
Der Inhalt ist nicht so berauschend, aber manchmal kann der Style eine ganze Menge ausmachen. Die Farben sind so herrlich ausgewaschen, als gäbe es keine Freude auf der Welt. Auch schauen alle so grimmig und verloren drein, als hätten sie wie der Ausstatter und der Autor zu oft Finchers „Sieben“ gesehen.
Ja, „The Nameless“ ist finster, grabtief finster und er wird ohne jeden Funken Humor oder Ironie serviert, was die Sache einprägsamer macht. Gemeinsam mit den Protagonisten entdeckt man ein Detail nach dem anderen und die Tatsache, daß das Grauen nicht ständig vorhanden, nicht faßbar, sondern beinahe mythisch ist, macht den Grusel erlesener. Statt graphischer Gewalt scheint die Sekte fast kryptischer Natur, den Leuten extreme Angst machend, düstere Vorzeichen ausstreuend.
Dabei ist nicht Action, sondern Atmosphäre vorherrschendes Element. Bisweilen verwenden die Spanier ein wenig zuviel Ausdruck, zu große Gesprächspausen, zu viel Tragik, aber immer wieder wertet die morbide Endzeitatmosphäre einer gefühlskalten Gesellschaft den Film auf.
Ein besonderes Merkmal dabei sind Inserts, die als Szenenübergänge eingesetzt werden und einen nach ruhigen Passagen immer wieder wach machen. Diese Inserts wirken stilistisch überall zusammengeklaut, denn in ihnen wechseln sich traumhaft verschleierte Gestalten mit hektisch zappelnden Mädchenfiguren geisterhafter Natur ab. Gleichzeitig geht in diesen Inserts die Tonhöhe und Lautstärke ab durch die Wand und hinterläßt tatsächlich ein Gefühl nervöser Unruhe in der Wirbelsäulenregion.
Schön diskutabel gerät das Ende, daß eine böse Überraschung bereithält und vor allem endlich mal extrem offen ausfällt. Allerdings muß man dafür, daß man mit einem Eisenträger vor den Kopf gestoßen wird, in Kauf nehmen, daß die Protagonisten alle gnadenlos abserviert werden, nachdem sie sich nach weitestgehend fehlerfreier Plotentwicklung plötzlich wie die beknacktesten Teenager allein und schutzlos in die Höhle des Löwen wagen, um dort effektvoll zerschnetzelt zu werden.
Genial trifft dort mit extrem hohl aufeinander, kann aber den guten Eindruck dieser Produktion nicht schmälern. Die können was, die Spanier. Jetzt müßten sie nur noch ihre ewige Gelassenheit gegen etwas mehr Dramatik zwischendurch eintauschen und die Sache gewinnt an Brillianz. Ansehenswert, unbedingt. (7/10)