Review
von Con Trai
<!--StartFragment -->
Die bisherigen Regiearbeiten von Dennis Law, meist in Eigenarbeit auch verfasst, produziert und mit einem konstant gleich bleibenden Team verwirklicht, waren bisher immer in einer Behandlungsweise von entschiedener Oberflächlichkeit gehalten. Man gab sich zwar den Anschein von Aussagen und deren Wichtigkeit, wirkte dabei aber auch zumeist mühseliger als das Wenige an Ergebnis rechtfertigen würde, wie von der Schwere dieser oft schöngeistigen Überlegung erdrückt. Ohne wahre Erkenntniskraft zusammengehalten sind besonders die letzten beiden, Ihn erst in das Rampenlicht der Öffentlichkeit hievenden Werke Fatal Contact und Fatal Move gewesen, allerdings hatten die auch eine gänzlich andere Zielrichtung als sein aktuelles A Very Short Life und musste man die eher flatterhaften Überlegungen nie zum Bekenntnis werden lassen und die Vorstellungen der Dinge vergleichen. Denn anders als bis jetzt wurde kein heißes Eisen angefasst, bzw. angemaßt.
A Very Short Life möchte sich aber mit Affekten und Leidenschaften an den Zuschauer und dort auf Vorurteile ebenso wie auf Parteilichkeiten, auf Subjektives, Bewusstes und Unbewusstes stoßen. Auf eine Existenz von Meinungen und vor allem Gefühlen, sowohl über das Thema von Kindesmißbrauch als auch dem physischen und psychischen Geschehen der Ausnahmesituation von Folter in einem Rechtsstaat. Über das sich außerhalb einer Konkurrenz sehenden Apologie der Exekutive, die ohne Zögern der Legitimität einen übergesetzlichen Notstand vollzieht und mögliche gerichtliche Folgen oder gar andere Vorgehensweisen nicht einmal in Betracht zieht. In gewisser Weise befindet sich auch Dennis Law in seinem Wiederauftreten mitsamt dem repräsentierten Denkvermögen und dem untiefen Kriterium der Überzeugung in einer Selbstjustiz, in Populismus, auf Stammtischniveau, und verwandelt dafür die Stadt in eine Zone von Paranoia, eine Kulmination von Totschlagargumenten, und einem allgegenwärtig zweifelnden Kreuzungsbereich, in dem man zwar viel mitteilt, aber nichts zu entscheiden wagt:
Während der Einladung zum einem japanischen Abendessen auf der Terrasse des befreundeten Anwaltes Hermann Lee [ Hui Siu-hung ] trifft der Immobilienbewirtschafter Dennis Law [ Eddie Cheung als alter ego ] auch die ebenfalls anwesende Cat Lam [ Pinky Cheung ], Polizeiinspektorin bei der District Crime Squad HK West. Während des Gespräches kommt das Thema über Haftstrafe, Blutschande, Prostitution auch auf einen speziellen Fall in Lams beruflicher Laufbahn. Vor zwei Jahren war sie während der Befragung der mutmaßlichen Kindstöterin Becky Lee [ Leila Tong ] anwesend, während der die ermittelnde Assistant Commisioner Josephine Wong [ Maggie Siu ] und ihre Kollegin Barbara Lui [ Koni Lui ], Ph.D. in Criminology and Justice Policy, ein Geständnis auch über das Wissen des fortschreitenden Missbrauches der elfjährigen Ho Hei-yi [ Law Tze-ching ] durch Beckys Freund Jo [ Samuel Pang ] erhalten wollten. Für die Suche nach der Wahrheit werden alle Mittel eingesetzt.
Im Film selber wird das Schreckgespenst der zunehmenden Folter dadurch objektiviert, dass am Ende der Prozedur die Tatsächlichkeit über die sich ereignenden Geschehnisse stehen sollen und die Figur in ihr zum Täter- und nicht zum Opferkreis gehört. Die selbstverständliche Plattitüde von Auge um Auge, der "Verordnungen zum Schutz von Leib und Leben", das Prinzip der Vergeltung aus dem Talionsrecht; in der die Exekution des Rechts die Prinzipien der Moralphilosophie ausgelöscht hat. Law positioniert sich dabei gleich zweimal außerhalb einer Diskussion, gibt sich den Mantel der Unverbindlichkeit und leitet die eventuelle Debatte über die Schlagwörter Straftheorie, Resozialisierung, Generalprävention allerhöchstens indirekt, nicht konkludent ein und stellt sich ihr auch nie.
So ist seine gleichnamige Filmfigur nur Zuhörer der Aussage und wird sich auch mehrmals eine sichere imaginäre Welt erschafft. Zwar ist die Befragung innerhalb der Polizeistation, die von Beginn weg zur einer unerbittlichen Verfahrensweise von Psychoterror und körperlicher Tortur bestimmt ist, von den Filmemachern einem sehr nüchternen Zugriff ausgesetzt, wird diese Qual aber innerhalb einer Binnengeschichte und mehreren schützend umgebenden Rückblenden und illusionären Rollenspielen abgedämpft. So bekommt man im Eingangssatz auch versichert, dass die Ereignisse fiktiv sind, während bereits als nächste Einstellung als Schimäre die Elfjährige selber in die Kamera spricht und so der [Miß]Handlung gleichzeitig Entlastung als auch emotionales Beweismittel erweist. Zudem wird direkt folgend wiederum abgeschwächt und aufgestockt zugleich. Laut voice over von Law auf dem Weg zum bevorstehenden Dinner ist es eine reale Begebenheit, bei der nur Namen und Daten abgeändert worden. Zuallerletzt ist die Erzählung von Inspektorin Lam während und nach dem Bankett im kleinen Kreise in weiten Teilen auch kein Augenzeugenbericht, sondern entweder Hörensagen oder gleich die nächste Spekulation.
Ausreden begrenzter Abhängigkeit genug, um sich für den eigentlichen Tathergang des Verhörs bzw. der Inquisition und dem Treiben zwischen "Pflicht" und "Zwang" zu konzentrieren. Getreu den Anfang der Neunzigern immens populären Category III Filme, die sich ebenfalls auf true crime bezogen, weniger die Ermittlungen als vielmehr die Vernehmungen und dort bereits allerlei immens fragwürdige und geschmacklose Kreuzfeuermethoden in Augenschein nahmen, wird auch hier noch auf dem Revier selber Gericht gesprochen und vollzogen. Umsetzungsprozesse, hier wie dort, ob in dem als Ursprung geltenden Dr. Lamb [ 1992 ] oder den Abarten The Untold Story [ 1993, dessen Regisseur Herman Yau hier wie immer bei Law die Kamera führt ] und Twist [ 1995 ]. Die Wege von In- und Output, Mittel zum Zweck. Pattern emerges. Nature takes its course. Der jungen Frau mit Schlägen per Aktenorder erst Manieren eingebläut, dann mit Beleidigungen unterster Schublade, Bedrohungen mit der Schusswaffe, der Hammer-und-Telefonbuch Züchtigung, den bevorstehenden Vergewaltigungen im Gefängnis, einer erniedrigenden Leibesvisitation vor versammelter Mannschaft das unveräußerliche Recht der Menschenwürde entzogen. Sie nackt mit Eiswasser überschüttet und die Temperaturen hochgestellt. Zum Ansehen der Autopsiebilder und der Schandtat ihres Freundes gegenüber der kleinen Tochter auf sichergestellten Videos gezwungen.
Das hinterlässt ebenso wie bei der "Interviewten" auch beim Zuschauer für den Moment seine Spuren und zwingt an manchen Stellen zum schmerzhaften Wegsehen, bleibt aber gerade nach Ablauf als vollkommen unnötiges und so schon fast schmückendes Beiwerk zurück, blanko und pauschal. Denn Exploitation wie gerade noch 15 Jahre zuvor soll es eben nicht, sondern dafür ein ernstes Drama mit Aussagen, Reflexionen und Anstößen zum sozialen Prozess sein, was nun weder vom Ansatz noch der Durchführung mit entsprechend gehaltvollem Material unterstützt wird. Zu hanebüchen die zur Beantwortung aufgestellte These "A woman is born to give her body to men; her father or strangers should make no difference.", zu simpel das ständige Ausgehen vom Schlimmsten, zu leer die Erwiderung. So wie die über gebliebenen Partygäste nach Abschluss von Lams Ausführung mit Blick auf die Uhr und Hinweis der spät gewordenen Stunde ohne jeden weiteren Kommentar nach Hause gehen, so saftlos phrasenhaft verläuft auch die gesamte Ausblende; von Allem nichts richtig und ohne Zusatzeigenschaften, aber schön, dass wir mal darüber geredet haben.
Die einzige gute Erleuchtung ist, dass in der Geschichte die Wahrnehmung allen Geschehens von einem weiblichen Standpunkt aus sein soll – [ was durch Laws unbeweglichen Alleingang natürlich gerade nicht gegeben ist ] – , und die Männer in strikter Abgrenzung vom anderen Geschlecht nur zum Auditorium gehören.