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Johnny Wang Lung - wei, der als Schauspieler in unzähligen Shawfilmen als eher grobschlächtiger Unsympath herüberkam, hat später als Regisseur durchaus einen besonderen Ruf erlangt. Seine Arbeiten wurden in den nachfragenden Kreisen derartig geschätzt, dass sie trotz durchweg bekannter Zutaten verlockend erschienen; sich die erste Abneigung gegen vermeintlich Gewohntes nur durch die Bekanntmachung seines Namens hinter der Produktion umwandelt. Das Negative plötzlich einen komplett anderen Tonverfall bekommt und sich attraktiv anhört. Zu verdanken hat er das seiner Art der Inszenierung, die auch notorischen Filmen immer den Kick des Wirksamen beigab und das Beste aus altbekannten Stoff und stereotyp besetzten Darstellern herausholte; besonders die Action schlug sich immer recht wacker und sorgte zumindest für Adrenalinschübe auf der formalen Ebene.
Beispiele wie Fury in Red, Widow Warriors, Innocent Interloper und Angry Ranger gelten alle etwas auf diesem Sektor; sind gesucht und begehrt und machen durch ihre Mundpropaganda und tatsächlichen Fähigkeiten neugierig auf mehr.
Davon profitiert auch Bloody Brotherhood.

Der Titel ist grossartig, aber gibt wie auch der Film selber nur die Konsistenz des Subgenres der Heroic Bloodshed / Gangster / Triadenfilme wieder. Man bekommt also das Gleiche wie sonst auch immer und kann schon allein von der Darstellerliste und dem Cover eminente Rückschlüsse auf das Exemplar ziehen, wenn man denn genug Erfahrungen mit seinen Artgenossen gemacht hat. Die Schwemme ab 1986, spätestens 1987, die mindestens fünf sehr ertragreiche Jahre bereithielt, sorgte auf der anderen Seite nämlich auch dafür, dass in der Masse ziemlich viel unterging. Was abzusehen war, wenn man Dasselbe mit feststehenden Schauspielern erzählt. Die materiellen Weisheiten von Ehre, Loyalität, Treue plus den Kontrasten von Betrug, Verrat und Feigheit war ja bereits seit den 70ern der Swordsplayflicks in der Mache und bekam durch die modern day Setzung und dem Austauschen der Schneid- in Schusswaffen ja nur ein neues Gesicht verpasst. Was sich irgendwann eben erneut abnutzt. Also kam es nach den ersten Gehversuchen, der Einführung und der schnellen Festigung rasch nicht mehr wirklich auf den Inhalt an, sondern auf die Umsetzung. Nur noch damit konnte man aufffallen und herausfallen; Wangs Methodik sollte geeignet sein, sich zumindest durch das Formale aus dem Heer ähnlich(st) gestrickter Werke zu erheben.
Tut er das, legt er sich ins Zeug und haut eine Breitseite an fulminanter Action raus; die die Konflikte nur dafür nutzt, die Grosskaliber zu entladen ?
Nein. Leider.

Er hält sich weitgehend an den Traditionen fest und vollführt einen recht sicheren, aber ebenso zu sicheren Stand. Die Geschichte will sogar ein Epos werden, und packt dermassen viel in 95min, dass es letztlich nur wie eine Zusammenfassung wirkt.
Gut, sämtliche Einzelsituationen sind mittlerweile Standard und benötigen deswegen weniger Beachtung, als wenn man sich erst ausprobiert oder gar was Innovatives erschaffen will. Auch leidet an den vielen Zeit - und Ortssprüngen die Übersicht überhaupt nicht, weil alles der Filmlogik verpflichtet bleibt und man sich die nötigen Zitate auch aus der Erfahrung woanders herholen kann. Trotzdem hilft das der eigentlichen Verbindung zu Figuren und ihren Motiven wenig; etwas imaginaer Ausgemaltes und etwas Fühlbares sind immer noch ein Unterschied.
Also folgt man dem Weg von Cheung Kar - wah [ Andy Lau ] eher mit milden Interesse. Er wollte mit seinen Eltern und dem älteren Bruder Kar - wai [ David Lam Wai ] mit einem Flüchlingsboot von China nach HK übersiedeln; bei dem Aufgreifen durch die Küstenwache wurden Vater und Mutter getötet und die beiden Brüder getrennt. Wai gefangengenommen und zur Strafarbeit in einen Steinbruch verfrachtet; Wah schwerverletzt von der jungen Kui [ Irene Wan ] aufgefunden und gesundgepflegt.
Sein neues Leben gestaltet sich schwieriger als erwartet; zumal er schnell in den Gangwar von Kung [ Ku Feng ], Hoi [ Shum Wai ] und Tong Fai [ Michael Chan ] hineingezogen wird.

Die Richtlinien stehen also alle da; dringend nötig für einen überzeugenden Showdown sind nun das gegenseitige Hochschaukeln der Emotionen sowie die Glaubwürdigkeit der Beweggründe, sein Leben für Andere in die Schusslinie zu werfen und gegen eine Übermacht den finalen Gang anzutreten. Hierbei hapert es schon, weil die Parabel in kaum unterschiedlicher Ausführung fast jedesmal publik gemacht wurde und dadurch sattsam vertraut ist. Das Spingen in der Zeit - keine Rückblenden, aber vorwärts gehts kurz und bündig - nimmt zwar sehr viel Unnötiges weg, aber bleibt nie lange genug an einem Punkt, um mit dem ganzen Szenario wärmer zu werden. Die Einstellungen werden erst eingefroren und dann zunehmend ausgeblendet. Die typisierten Eigenheiten vermeiden zusätzlich zu der kurzen Konzentration eine weiteres Eidnringen in die Epoche; die Eindimensionalität führt letztlich zu einer gewissen Dünne. Mehrere Dialoge werfen Fragen auf, deren Beantwortung niemals auf dem Zettel stand. „Rechtschaffene Mafia" ? „Opium War" ? „Nicht Chicago" ?
Man hätte ja gerne mehr gehört als Stichpunkte; vielleicht auch bezüglich der Plausibilität. Manchmal erscheint es wirklich, als wenn man eine Serie um seinen Aufbau beraubt hat und nur die auffälligeren Szenen aneinanderreiht.
Richtig praktikabel ist das nicht. Entweder man nimmt sich mehr Zeit [ To Be Number One ], packt das Ganze freimütig in zwei Teile [ Rich & Famous und Tragic Hero ] oder fängt viel später an und bündelt es in einem kleineren Raum zusammen [ Hong Kong Godfather, Dragon Family ].

Vieles, was vor dem Finale an Konfrontationen ist, interessiert ja sowieso weniger; das Schicksal erleidet auch hier der Überbau. Rangeleien mit Schutzgelderpressern, Schergen von der gegnerischen Gang und das Herumgeschubstwerden durch die Polizei dienen ja nur als Vorbereitung auf die Eruption; Wang wandelt nun immerhin die Formen der Gewaltausübung um, indem er lange Zeit statt Waffen die Fäuste sprechen lässt. Partiell wähnt man sich schon direkt in einem Martial Arts pic; die Action Directoren Hung San Nam und Tony Tam Jan – dung entwerfen eine Schlag / Tritt / Clinchtechnik nach der Anderen. Auch soweit ganz ordentlich anzusehen, aber erreicht nur selten eine spürbare Furiosität. Grund dafür ist auch gerade Andy Lau in der Zentrale; Lau mag sich sämtliche Bewegungen gut abgeschaut und eingeprägt haben, aber ist halt kein Trainierter, sondern spielt nur den Könner. Hat selten den nötigen Druck dahinter und verklärt den Kampf oft merklich in Richtung Fake. Selbst beim Showdown kommen alle mit einem Messer zu einer - sonst konformen – Schiesserei; immerhin wird dort in schierer Destruktionswut ein Restaurant zerlegt und der Vandalismus mit Glasstunts pointiert.
Wer seine Kugelballette vermisst, muss auf den heranpirschenden Beginn und einen mittigen Raubüberfall zurückgreifen, aber viel im Vergleich zum sonstigen Munitionsverbrauch ist das nicht.

Nicht nur deswegen, aber auch dadurch fällt das Endurteil weniger positiv aus; vielleicht klang die Mitwirkung Wangs auf dem Papier zu gut, zu vielversprechend. Vielleicht darf man ihm gar nicht übel nehmen, den Stoff wenigstens in den Actioneinheiten anders bedient zu haben als üblich und sich ansonst den grossen Gefühlen, Stimmungslagen und Tragiken im Durchlauf gewidmet zu haben.
Ein Hervorpreschen aus dem guten Mittelmass gelingt ihm damit aber nicht; man reiht sich in die Gilde anderer Lau‘scher Vertreter der Zeit ein. Immerhin eine solide Verwandtschaft.

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