Review

>>>Mit Spoiler<<<

Es ist gut, dass der Film den Weg in den deutschen Verleih gefunden hat, denn eigentlich steht im Mittelpunkt ein typisch amerikanisches Problem - das ungenügende System der Sozialversicherung. Dazu ein Beispiel: ein mir bekanntes Ehepaar - er emeritierter Professor, sie arbeitslose Lehrerin -, die im zweit teuersten Bundesstaat der USA (Hawaii; nach Californian) leben, beide nicht mehr ganz jung, mit Kind, haben keine Sozialversicherung und hoffen einfach, dass "nichts passiert". Für uns unvorstellbar. Es ist also kein Problem einzelner Schichten hinsichtlich des Bildungsniveaus, es ist ein finanzielles Problem.
Zurück zum Film.

Spoiler an
John Q. Archibald wird angesichts seines todkranken Sohnes vor die Alternative gestellt, dem Sohn beim Sterben zuzuschauen oder einen Sockelbetrag von 75,000 USD aufzubringen. Da er ersteres nicht will und zweiteres mit einem Jahresbruttogehalt von 18,200 USD nicht kann, entschließt er sich, die Notfallstation des Krankenhauses, das seinem Sohn die Behandlung (konkret eine Herztransplantation) "verweigert", mit Waffengewalt in Gewahrsam zu nehmen, den Herzspezialisten der Klinik gleich mit. Warum er das macht, weiß er selber nicht so recht. Es entwickelt sich zunächst eine interessante kammerspielartige Situation, während der John Q. klar wird, in welche aussichtslose Lage er sich da manövriert hat. Nach kurzer Zeit rücken Polizei und Presse mit viel tam-tam an, und die Verhandlungen beginnen. John Q. fordert die Behandlung, aber bevor das Krankenhaus scheinbar oder auch wirklich zusagen kann, hat sich ein Mann einer Spezialeinheit durch die Klimanlage an John Q. herangemacht und nimmt ihn unter Beschuss. John Q. kann ihn überwältigen, aber damit wird die Lage nicht besser. Dummerweise ist es einer TV-Station gelungen, die Videoüberwachung des Krankenhauses anzuzapfen und die Stimmung außerhalb des Krankenhauses entwickelt sich zugunsten John Q.'s. Die Situation verschärft sich, aber eine Lösung ist in Sicht (mehr wird nicht verraten).
Spoiler aus

Nick Cassavetes (Im Körper des Feindes) weiß, wie spannende, niveauvolle Filme gemacht werden und bestätigt sich in John Q. wieder selbst. Sein Film ist kompromisslos, geradlinig und transparent. Letzteres ist ein Lob, denn er vermag es, die Motive der einzelnen Akteure (John Q., Dr. Turner, Rebecca Payne, Grimes und Monroe) klar darzustellen und sie gegeneinander auszuspielen. Ohne dass Lösungen geboten werden. Die Positionen sind verschieden, sie werden von ökonomischen und politischen Zwängen kontrolliert - das ist nicht neu, aber es wird klar, dass offensichtlich am System etwas faul ist, wenn Extremsituationen auftreten wie die im Film gezeigten.

Dass der Film mit seinen Darstellern lebt, ist klar. Die Liste der namhaften Schauspieler ist lang und es macht Freude, ihrem Spiel zuzusehen.
Kommen wir zu den Kritikpunkten. Es sind nur wenige. Erstens hätte ich mir einen strengeren zeitlichen Rahmen während der ersten Phase des Films (wie viel Zeit verging da eigentlich ? eine Woche ? zwei ? ein Monat ?) sowie während der zweiten Phase (wieviel Stunden ?) gewünscht. Zweitens ist die Entscheidung der knallharten Ökonomin Payne (sehr gut), Mike auf die Liste zu setzen, nicht nachvollziehbar. Gut, das war für die Story essentiell, aber hätte man das nicht intelligenter lösen können (z.B. durch eine Spende des Krankenhauses, um weiteren Imageschaden abzuwenden) !? Drittens fand ich das Ende des Films hinsichtlich des Spannungspotentials doch etwas zu überzogen. Wir wissen doch : die Guten überleben und die Bösen beißen alle ins Gras. Den Tod John Q.'s hätte der Film nicht vertragen. Der Film hat natürlich auch seine rührseligen Augenblicke, aber ich empfand ihn zu keinem Augenblick kitschig (obwohl ich da sehr empfindlich bin).

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