Wenn man sich das Horrorfilmarchiv der letzten Jahre, nicht nur einschließlich des Neuen Jahrtausends, sondern zurückreichend bis mindestens 1990 anschaut, könnte und muss man geradezu den Eindruck bekommen, dass die Kantonesen es diesbezüglich überhaupt nicht drauf haben. Ausnahmen nur als die bestätigende Regel, außerdem lässt sich der aufmerksame Blick auf die japanischen und später koreanischen Kollegen nicht vermeiden, deren Ansichten mehr schlecht als recht mit fast durchweg weit abträglicheren Ergebnissen übernommen wurden. Das Gruselgenre durch die materiellen Mängel, unbeholfenes Plagiieren und das formal täppische Nacheifern selber nur als Abschreckung.
Eine malade Sparte mit beständig zu registrierendem Unvermögen. Bemerkenswert ist da nur noch die Tatsache, dass dies einmal so ganz anders war. Ab der Hälfte der 70er wurde eine Dekade lang bereits das Augenmerk auf das Unheimliche und die Fundamente der Angst gelegt, sich dort sicherlich auch an anderen, damalig amerikanischen oder italienischen Vertretern orientiert, aber die Zitate und Inspirationen zusammen mit der chinesischen Mythologie zu eigenständigen Formen erhoben. Trotz oder vielleicht auch gerade wegen der Anfänge dieser ungewöhnlichen Sonderabteilung, der noch wohlgemuten Suche nach Modus und Ordnung der neu entdeckten Lexikologie und dem recht schnellen Herausbilden der Übersichtstafeln einer für das Land modernen Gattung von Film gelang die illustrative, informative, instruktive Kategorie der extreme films and video nasties nicht nur weitaus interessanter als die heutigen Ansammlungen. Sondern durch das Anzapfen von frischen Blut auch nahezu durchweg beflügelnder, ausgefallener, reizvoller und so entwaffnend offensiver.
Vorreiter der breiten Welle waren natürlich die Shaw Brothers, die auch bald ihre eigenen Spezies dafür entwickelten; Nachahmer angesichts des Erfolges vor allem auch im Auslandsmarkt flink alle Anderen, die wie ein Teenager mit erstmalig stubenfrei die lange Enthaltsamkeit und die Gunst der Stunde zum destruktiven Austoben nutzten. Lo Wei, ehemaliger Shawregisseur zahlenmäßig unübersehbarer Trash/Pulp-Fabrikate und später "Entdecker" von Jackie Chan war als Produzent im eh schon aktiven Jahr 1983 verantwortlich für einen der herberen Trittbrettfahrer: Devil Fetus, lange Zeit allein schon wegen dem effektiven Titel und dem entsprechend munkelnden Rumoren einer kleinen Klientel emsig gesucht und eifrig begehrt. Ein rares Produkt mit einer umso weiter verbreiteten Komposition aus Nachruhm, Übertreibung und Verklärung, die beim Kundigen ein sinniges Lächeln zauberte und beim Nichtinformierten für ungläubige, aber spitze Ohren sorgte, auch wenn es nur an die Aufzählung der obligaten Goregroßtaten ging.
Der Teenager und die Nekrologe sind allerdings auch anwesend:
Die Chengs sind nach einem doppelten Todesfall in der Familie umgezogen. Als die Schreine der damals Gestorbenen durch die aus Singapur angereiste Cousine Juju [ Shirley Lui ] für einen Moment verrückt werden, bricht erneutes Chaos über die Verwandtschaft herein. Das Böse breitet sich aus.
Ein rauer Schrecken, der trotz aller obskurer und später auch phantastischer werdenden Effekte durch die äußerst banale Wirklichkeit durchaus etwas schmerzdurchdrungen Realistisches an sich hat. Die gezeigte Gemeinschaft bekommt sicherlich keine immens erläuternde Charakterisierung ab, funktioniert im Kontext aber als eindimensionales Abbild des Jedermann. Die Eltern, denen die aufgezogenen Kinder langsam über den Kopf wachsen und ihre eigene Wege gehen. Der Jüngere der beiden Söhne, der noch passiv tatenlos den Liebesabenteuern des Erwachsenen Kent [ Eddie Chan ] zusehen und so immer hinter diesem zurückstehen muss, obwohl er auch auf dessen Gespielin abfährt. Der Dienstbote und Chauffeur [ Ho Pak Kwong ] der Familie, der getreu seiner Rolle immer nur dann durchs Geschehen huscht, wenn es irgendetwas zu erledigen oder Rüffel abzuholen gibt. Die noch rüstige Grossmutter [ Ou-Yang Sha Fei ], die trotz dem beizeitigen Verlust der Kontrolle weiterhin versucht, die Auflösungserscheinungen eines sich selbst vernichtenden Systems aufzuhalten.
Ähnlich wie sich die Kategorie der Filme über die verschiedenen Phasen [ Thriller, Mystik, Martial Arts Horror etc. ] in die deutlicheren Subgenres, vor allem dem Tierhorror entwickelt hat, so transformiert sich auch das Grauen im speziell vorliegenden Fall. Nicht nur, dass sich der Auslöser des Übels zwar klar definieren lässt, dann aber seine Gestalt, die Mittel und Auswirkungen stetig der jeweiligen Situation anpasst; auch die desolate Inszenierung weist dem schwarzseherischen Fortgang unterschiedliche Schwerpunkte zu und nimmt dabei ebenso abweichende Haltungen und Blickwinkel ein. Die anfängliche Unsicherheit und das seelenwunde Unwohlsein angesichts des Kommenden bereits in den ersten Minuten wird noch mit einer alles im Überblick behaltenden Draufsicht aus der Vogelperspektive beobachtet. Gleichermaßen kurzerhand wie sich die Gefahr im eh schon freudlosen Leben der Chengs ausbreitet, so detailliert eidetisch wird auf die veränderte Situation eingegangen. Die sich stetig novellierende Herangehensweise, der von Abschnitt zu Abschnitt zunehmend heterogene Ton samt eigentlich wesensfremden Einspielern [Zombies, Kannibalen, Okkultismus, Tödliches Spielzeug, Poltergeist, Spukhaus, Primatenattacken, dem Exorzismus, das Neue Fleisch u.a.] wird dennoch überraschend phantasievoll und auch schlagfertig zu einem stimmig leidenden Ganzen entwickelt. Ein disparates Experimentierfeld, dass zwar theoretisch gegensätzlich oppositionell aufgestückelt ist, aber die widersprechenden Bausteine punktweise zu einem produktiv schöpferischen, wenn auch gramgebeugten Puzzle formieren kann.
Bedanken darf man sich bei der Erschaffung einer sofort unangenehmen Atmosphäre, die nie auch nur die Illusion einer friedvollen Welt glücklicher Menschen in Eintracht erlaubt, sondern von Beginn weg keinerlei Chance oder anderweitig Optimismus und Zuversicht zulässt. Es ist nie wirklich taghell, nie richtig warm, nie heimisch, nie angenehm. Kein Poesiealbum mit Wunschträumen. Kein Hinauszögerndes Versprechen, keine ausführliche Schilderung eines harmlosen Alltags, der vielleicht von familiärer Sicherheit, dem Trost der eigenen vier Wände und dem Vertrauen des Zukunftsglaubens gespeist ist. Sondern das Eindringen des Grauens ohne weitere Vorwarnung und der fehlenden Aussicht auf Hoffnungsanker und rettender Hintertür. Ein unangekündigter Rapport im Schlafzimmer, in dem die allein gelassene Ehefrau Suk Ching [ Lo Pooi Pooi ] mit einer frisch erstandenen Jadevase masturbiert, kurz darauf Sex mit einem riesigen Schleimmonster hat und dabei von ihrem gerade von Geschäftsreise heimgekommenen Mann erwischt wird. Der zwar das unheilvolle Ziergefäß zerstört, aber dessen Gesicht von den Dämpfen der Splitter zu Pestbeulen verwandelt, die Schicht unter der Haut freigelegt wird und sich dort bereits die Maden tummeln.
Überraschendes, böses, zweifelndes, aufgrund des absurden Gewaltspektakels auch befreiendes Gelächter. Gepaart mit paradoxem Schock. Der erste, aber beileibe nicht der einzige Moment des hämisch-niederträchtig Entsetzens, dass Regisseur Lau Hung Chuen hier in seinem Regiedebüt veranstaltet; eine little less ritual and a little more terror Dramaturgie, die neben einer permanent schwachen Ausleuchtung besonders auf ein erbarmungsloses Prinzip setzt, indem Alles denkbar und Auch Alles Ausführbar ist. Kein empfindsame Pflänzchen der Emanzipation in die Splatterwelt, sondern eine ermunternd ertragreiche und gleichfalls perfide Abart aus der anregenden Dogmatik der internationalen Quellen, die mit autarken Dialekt vertont werden und deren Ableger der eigenen Veranstaltungen mit dem raschen Erfolg ebenso flink gegenseitig zu überbieten versuchen [Boxer’s Omen, Brutal Sorcery, Calamity of Snakes, Crazy Blood, Red Spell Spells Red, Seeding of a Ghost allein in dem Jahr]. Die obsessed & possessed Figuren werden in der hiesigen Spielwiese der Maskenbilder und Trickexperten von Schäferhunden angegriffen, zerquetscht, essen und speien Würmer, höhlen Eingeweide aus und goutieren die Gedärme..
Werdegang und Endprodukt einer Gesellschaft, die keine Schutzbefohlenen mehr kennt; weit vor der Einführung des Cat 3 Siegels, in dessen Auswertung man eben diese morbide, krank-kreative Grundhaltung noch einmal aufnimmt, ohne sie trotz moderner Behandlung wirklich intensivierend verstärken zu können.