Brüno: Ekelfilm oder Unterhaltung mit Niveaü?
Wohl kein Komiker ist so kontrovers wie Sacha Baron Cohen, und die Gurkentruppe von Jack Ass lassen wir jetzt mal bitte außen vor. Schon Cohens letzte Filme waren immer eine Anlaufstelle von möglichst derben, möglichst skandalträchtigen Szenen. Da gab es den Klischee-Rapper Ali G. (den ich trotz aller positiver Kritik immer noch als schwächste Figur Cohens sehe) und den mittlerweile weltberühmten Borat, der mit erhobenen Daumen die USA unsicher machte. Nun greift Herr Cohen wieder in seine alte Kiste und schenkt dem dritten seiner umstrittenen Figuren einen eigenen Film: Dem schwulen Wiener Brüno.
Dabei ist das Drehbuch insgesamt aber leider nur eine simple Kopie von "Borat". Ein Ausländer zieht in die Vereinigten Staaten, um dort unwissend Unheil anzurichten. In Brünos Fall ist es der einfache Wunsch nach Ruhm und Ansehen. Legte Cohen bei "Borat" noch alles darauf aus, möglichst viel offene Kritik an sämtlichen Bevölkerungsschichten zu sammeln und präsentieren, beschränkt er sich bei "Brüno" vorwiegend auf die schonungslose Karikatur von Mode- und Popstars. Die Modewelt kriegt ihr Fett in der ersten 40 Minuten weg, die Starwelt in der zweiten Hälfte. Dabei scheut Cohen nicht, eine unsagbar hitzige Szene an die andere zu reihen. Immer wenn man denkt, jetzt kann er gar nicht noch weiter gehen, zaubert Cohen doch wieder was aus seinem Hut.
Die Boshaftigkeiten nehmen einfach kein Ende. Stars des Laufstegs werden veralbert, allerdings auf relativ ernster Ebene. Brüno interviewt ein angesehenes Model und lockt ihr Kommentare raus, die einem das fremdschämende Rot auf die Backen zaubert. Dabei werden auch Kunstformen kritisiert, die heute schon manchmal ganz üblich sind. Brünos neue Sendung in den Staaten, mit der er berühmt werden will, zeigt das auf wunderbar scharfe Art und Weise. Nach topmodernen, schwülstigen Tanzszenen präsentiert Brüno sein Exklusiv-Interview mit Harrison Ford, was sich praktisch als 10-sekündiger Überfall auf den alten Herren beschränkt, der wohl grad den Müll rausbringen will.
Doch Cohen wird mit der Zeit immer fieser. Mein persönlicher Höhepunkt ist immer noch die Szene bei der Gepäckabholung am Flughafen, wenn eine brüchige Kiste mit Luftlöchern daher kommt, Cohen sie öffnet und ein schwarzes Baby rauszieht. Besser kann man wohl die Adoptivsucht mancher Stars, die wohl einfach nur einen Gegenstand brauchen um angesehen zu sein, nicht darstellen.
Gegen Ende kommt es dann vermehrt zu Hieben gegen Anti-Homosexuelle Kampagnen und Menschen. Dabei häufen sich auch einige zugegeben geschmacklose Nacktszenen, und der Besuch einer Swinger-Truppe, die es trotz Filmkameras frivol zu treiben scheint, ist wirklich Geschmackssache.
Inwiefern das alles echt ist, kann keiner wirklich sagen, höchstens Cohen selbst, aber der äußert sich dazu nicht. Vieles wirkt schon wie auswendig gelernt von den "realen" Opfern; anderes dagegen ist so widerlich, dass man es einigen Menschen durchaus zutrauen kann. Und doch findet sich neben der Kritik auch sehr viel überflüssiges, was keine Berechtigung hat, im fertig Film leben zu dürfen. Dazu gehört alles, was nichts zur eigentlichen Handlung beiträgt, wie die manigfalte Vorführung diverser schweiniger Sexmethoden am Anfang zwischen Brüno und seinem kleinen Freund, sowie der eigenwilligen Szene, in der Brüno mittels Kartenleser Kontakt zu Rob Pilatus (dem toten Star von Milli Vanilli) aufbaut, ihn unsichtbar küsst, um ihn dann doch noch oral zu befriedigen (auch nur durch Pantomime).
Aber man muss sagen: Selbst wenn einige Sachen offenbar gestellt sind, hält Cohen der Gesellschaft trotzdem den Spiegel vors Gesicht. Keiner traut sich, so angriffslustig auf Schichten loszugehen, ihnen die Hose auszuziehen und lachend auf sie zu zeigen. In dem Sinne kann Brüno schon als Glück für die Filmwelt gewertet werden, auch wenn seine Art, Filme zu machen, nur der Hälfte der Menschheit (wenn nicht sogar weniger) zusagt.
Fazit
Brachiale Satire auf die Mode- und Starwelt, für die man allerdings offen sein muss. Keinem sei es verübelt, der mit Brüno noch weniger anfangen kann als mit Borat.
6/10