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1993 war das erfolgreichste Jahr für Sylvester Stallone in den 90ern, denn mit 255 Millionen Dollar globalem Ticketerlös vom spektakulären Actionreißer Cliffhanger feierte er nach einer längeren Durststrecke eine eindrucksvolle Box-Office Wiederauferstehung und auch der unterhaltsame Science-Fiction Action-Kracher Demolition Man spülte knapp 160 Millionen Dollar in die Kinokassen. Ein Grund mehr um 1994 den nächsten Actionfilm The Specialist folgen zu lassen, welcher bei einem Budget von 45 Millionen Dollar 170 Millionen Dollar weltweit einbrachte und somit das zweit umsatzstärkste 90er Jahre Stallone-Vehikel hinter seinem Bergretter Epos ist. Doch bei einigen Fans und bei den Kritikern  kam der erotische Action-Thriller um den Sprengstoffexperten Ray Quick nur mittelmäßig an und manche "Experten" betiteln The Specialist sogar als Flop, was natürlich gerade mit dem wirtschaftlichen Success vollkommener Blödsinn ist. L'Expert, so ein vielsagender Alternativtitel, ist auf Grund der schmalzig breitgetretenen Stallone / Stone Romanze und des etwas schleppenden Aufbaus sicherlich etwas gewöhnungsbedürftig, kann aber mit feurig explosiven Detonationen, den typischen, herrlich überzogenen Stallone Superhelden Allüren und einem stark aufspielenden James Woods genügend Schauwerte bieten, um als leicht überdurchschnittliche Samstag Abendunterhaltung durchzugehen.

Ursprünglich sollte Steven Seagal Regie führen und die Hauptrolle spielen, doch der "Mann mit dem Zopf" verlangte 9 Millionen Dollar, was dem Studio zu teuer war, so wurde das Projekt Sylvester Stallone vorgestellt, der als Main Star dankend annahm, den Regieposten sicherte sich Luis Llosa (Hour of the Assassin; Crime Zone; Sniper - Der Scharfschütze). Das Skript von Alexandra Seros listete die Los Angeles Times im Januar 1993 als das beste unproduzierte Thriller-Drehbuch auf, was auf einer Umfrage unter 40 Managern, Produzenten und Agenten basierte. Die attraktive May Munro (Sharon Stone) möchte die Ermordung ihres Vaters im Kindheitsalter rächen und setzt den Sprengstoffexperten Ray Quick (Sylvester Stallone) auf den damaligen Täter, den Mafiosisohn Tomas Leon (Eric Roberts) und seine Schergen an. Was Ray nicht weiß: Seinen Namen hat May vom Mafia Familien Sicherheitsberater Ned Trent (James Woods), welcher sich selbst an Ray wegen des Verrats aus gemeinsamen CIA Zeiten revanchieren möchte. Als Ray seinen blutigen Job erledigt hat und ihn Tomas Vater Mafiaboss Joe Leon (Rod Steiger) ebenfalls Tod sehen will, nutzt Trent die Gelegenheit, Ray eine hinterhältige Falle zu stellen, um ihn endlich zu beseitigen...

Der Opener fängt vielversprechend an mit dem dramatischen Zerwürfnis der beiden Sprengstoff CIA Agenten, als die unterschiedliche Arbeitsauffassung bezüglich Bauernopfer unschuldiger Beteiligter zur ersten großen Explosion und einem blutigen Zweikampf zwischen Lehrer und Schüler führt. Auch die weiteren, über den Film verteilten Sprengungen sind gefällig mit echten Sprengsätzen inszeniert und Regisseur Luis Llosa versteht es ausgezeichnet, die Geschehnisse optisch ins richtige Licht zu rücken. Es ist phasenweise richtig faszinierend, mit welchem Kalkül und mit welcher Raffinesse Ray seine Vorrichtungen präpariert, da besteht kein Zweifel, das Highlight von The Specialist ist die Fokussierung auf das explosive Handwerk des vorzüglich ausgebildeten Fachmanns.  Zudem werden künstlich implementierte, kleine Handgemenge und Auseinandersetzungen geboten, in welchen Stallone die altbekannten Action-Hero Klischees, wie beispielsweise eine alte Dame gegen Rowdys in einem vollen Linienbus zu verteidigen, mit einem passenden One-Liner quittiert. Das ganz große Spektakel sucht der Actionfan bei der solide dargebotenen Action allerdings vergebens, ein bisschen mehr Abwechslung mit blutigen Schusswechseln oder  auch temporeichen Verfolgungsjagden hätten The Specialist bestimmt nicht schlecht zu Gesicht gestanden.

Wenn einer Affaire bzw. einer erotischen Liaison so viel Platz in einem Actionfilm eingeräumt wird wie in The Specialist, sollte die Chemie zwischen Männlein und Weiblein auch stimmen, damit der Funke auf das Publikum springt und genau hier sehe ich das größte Problem. Stallone und Stone mögen separat betrachtet attraktiv sein, als Pärchen passt es nicht und ihr ständiges Gesülze in ihren Telefonaten und Tonbandnachrichten strapaziert auf anstrengende Art und Weise das Nervenkostüm eines jeden Zuschauers, während der penetrante und grauenhafte Soundtrack von John Berry das Trommelfell malträtiert, was kumuliert betrachtet zu gähnender Langweile führt. Ihre gemeinsame Sex Szene wirkt gekünstelt und uninspiriert und versprüht alles, nur keine Leidenschaft. Glaubt man kursierenden Gerüchten von den Dreharbeiten, soll es zwischen den beiden Stars auch heftig gekriselt haben, kein Wunder also, dass sie auf der Leinwand  keine sympathische Einheit abgeben. 

Abseits der ermüdenden Anbandelei zu Sharon Stone überzeugt Sylvester Stallone jedoch als raffinierter Sprengstoffexperte mit erstrebenswerten Idealen und seiner abgeklärten Altersweisheit. Stones Mitwirken hingegen erachte ich als komplett überflüssig, so sehr sie mir beispielsweise in Basic Instinct gefallen hat, so sehr kann ich in The Specialist auch dankend auf sie verzichten, da ihr Charakter der May Munro mich einfach nicht abholen konnte.  Zum Glück stimmt die Leistung der Antagonisten, welche von Eric Roberts, Rod Steiger und James Woods hervorragend verkörpert werden. Ein außerordentliches Sonderlob hat sich James Woods verdient, der den manisch psychopathischen Killer sensationell egozentrisch interpretiert und mit seinen unter die Haut gehenden Auftritten für spannende und unterhaltsame Momente sorgt. Auch Eric Roberts begeistert mit der Darbietung als eingebildeter Mafiasohn, ihm gelingt es mit seiner hochnäsigen Art genügend Antipathtiepunkte zu sammeln, um seine vorzeitige Liquidation entscheidend zu rechtfertigen, während Rod Steiger seinem Vater und Mafiapaten Joe eine fast schon beängstigende Kaltschnäuzigkeit verleiht.

Am Ende des Tages stehen also bei The Specialist Licht und Schatten gemeinsam vor der Tür. Die Story um den Bombenspezialist mit Rückgrat und Gewissen und dessen Fernduell mit dem brillant agierenden Fiesling James Woods sollte zumindest Action und Stallone Anhänger zufrieden stellen. Die knalligen Explosionen sind technisch einwandfrei und im wahrsten Sinne des Wortes bombastisch inszeniert und ihr Idol schafft es zudem vorzüglich, als cleverer Fachmann seinem Feind immer den entscheidenden Zug voraus zu sein. Der komplette Handlungstrang um die überflüssige Romanze, die spürbaren Handlungslängen, die fürchterliche Filmmusik und eine enttäuschende Sharon Stone trüben den Unterhaltungswert jedoch deutlich, so dass sich der streckenweise recht unterhaltsame The Specialist gerade noch so über den Genredurchschnitt retten kann. MovieStar Wertung: 6 von 10 Punkte.


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