In "Shogun" muss der schiffbrüchige Navigator Blackthorne sich im Japan des 16. bzw. 17.Jahrhunderts zurechtfinden. Als Engländer befindet er sich zusammen mit den Holländern im Krieg mit den Spaniern und Portugiesen. Diese sind bereits eifrig dabei, den Katholizismus in Japan zu verbreiten. Das stinkt Blackthorne, der von den Japanern der Einfachheit halber nur "Anjin" genannt wird, gewaltig. Noch mehr stört ihn aber, dass die Japaner, die er sehr langam lieb gewinnt, auch noch von den Katholiken ausgebeutet werden. Doch ist nicht nur die europäische Politik Knackpunkt der Miniserie, sondern auch die des im Umbruch begriffenen Landes Japan selbst. Der kluge Kopf des Fürsten Toranaga heckt nämlich immer neue Pläne aus, die ihm zu seinem gottgegeben Schicksal, dem "Karma", Shogun zu werden verhelfen sollen. Neben der politischen Komponente gibt es aber noch eine tragisch-romantische: Anjin verguckt sich in die heiße Mariko. Sie ist auch mehr als nur interessiert an Anjiro, doch versteht sie natürlich leichter, dass das Ganze im konventionellen Japan eigentlich gar nicht sein darf.
Man merkt: Die Geschichte ist reichlich komplex. Der Versuch, das Geschehen in 90 oder 120 Minuten zu pressen, wäre ohne Abstriche nicht möglich. Also darf man eine Miniserie mit einer Länge von ca. 9 Stunden genießen. Dieser Zeitraum reicht auch locker aus, um die vielen Charaktere von allen Seiten zu beleuchten. Dabei verliert die Serie schon mal über Zeiträume von mehreren Stunden den Kontakt zu Hauptplot oder wichtigen Charakteren. Ein so weitläufiger und kompromisslos selbstsicherer Aufbau ist mehr als nur selten, doch das Konzept geht auf. Selten habe ich einen Streifen gesehen, der mich so fesselte wie Shogun, und dass, obwohl er sich nicht immer mit hochspannenden Dingen beschäftigt.
Die Darsteller sind wirklich toll, gerade Chamberlain und Mifune können wahrhaft begeistern. Während Mifune meist grimmig dreinschaut, darf Chamberlain aber sein ganzes Arsenal an Emotionen rauslassen. Dabei ist seine Mimik einzigartig. Einen besseren Schauspieler hätte man für die Rolle des Anjin nicht finden können. Da man sich mit Anjin identifizieren muss, um die Intensität der Geschichte zu begreifen, war die Wahl des Schauspielers gewiss eine wichtige. Aber wie gesagt, alle Darsteller sind duchweg wirklich toll. Nur einige übertrebene Dialogzeilen, die selbstverständlich auf das Script zurückzuführen sind, kratzen am Lack.
Für die damalige Zeit ist auch die Technik gut: Selten genoss eine TV-Produktion so ansehnliche Kamerafahrten und -einstellungen. Unter den Umständen, unter denen die Produktion zu leiden hatte, ist es auch zu verschmerzen, dass viele Aufnahmen dezent unruhig sind. Die Musik ist objektiv gesehen natürlich schön komponiert, doch im Endeffekt nicht wirklich japanisch. Das stört gewiss etwas, da die Serie ja ansonsten so authentisch wie möglich gehalten wurde. Jedoch bekommt "Shogun" dadurch seinen einzigartigen Charakter.
Die Serie ist sogar so authentisch, dass alle Dialoge in ihrer korrekten Sprache gehalten sind. Also versteht man anfangs genauso wenig von den Japanern wie Anjin. Genialerweise lernt man aber wie Anjin auch, langsam Nuancen der japanischen Sprache zu verstehen. Ein wirklich löblicher Nebeneffekt. Später kann man aber nicht mehr mir Anjin mithalten.
"Shogun" ist ein einzigartiges Meisterwerk, welchen nicht nur Historienepen- oder Japanfans ans Herz gelegt werden muss. Der Taint ist seit 1980 kaum ergraut und selten wird man 9 Stunden am Stück so gut unterhalten.